Großdemo in Brasilien: Rechtsradikaler Ex-Präsident Bolsonaro fordert „Freiheit“

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Tausende protestieren in Brasilien gegen die Sperrung vom Onlinedienst X. Ex-Präsident Bolsonaro stellt sich auf die Seite der Demonstranten.

São Paulo – Vor dem Hintergrund der Sperrung des Onlinedienstes X in Brasilien waren am Samstag tausende Demonstranten auf der Straße. Mit dabei auch der rechtsextreme Ex-Präsident Jair Bolsonaro, der in São Paulo vor der Menschenmenge sprach. Gefordert wurde auf Transparenten auf der Demonstration „Demokratie“ und „Freiheit“. Ganz konkret solle auch der Richter Alexandre de Moraes von Brasiliens Oberstem Gerichtshof abgesetzt werden, der über die X-Sperrung verfügt hatte.

Auch Bolsonaro forderte ein Amtsenthebungsverfahren von dem Richter, den er bei einer Rede auf der Demonstration einen „Diktator“ nannte. Laut Angaben seiner Mitarbeiter habe selbst die Behandlung wegen einer „üblen Grippe“ ihn nicht von der Rede abgehalten. „Wir werden denen einen Riegel vorschieben, die die Grenzen unserer Verfassung überschreiten“, sagte Bolsonaro. „Möge dieses Meer von Menschen unseren Kongressabgeordneten als Inspiration dienen, damit wir unsere Freiheit zurückgewinnen können, damit es keine Zensur, keine Netzsperren und keine Übertreibungen gibt“, so der Ex-Präsident laut der brasilianischen Nachrichtenseite Carta Capital.

Teilnehmer während einer Kundgebung am Unabhängigkeitstag. Auf einem Plakat steht geschrieben „Thank you Elon Musk (dt. Danke Elon Musk).
Ex-Präsident Bolsonaro hatte zu einer Demonstration am Unabhängigkeitstag angerufen. © picture alliance/dpa | Allison Sales

Strategisch wichtig für Bolsonaro: Rechte Hassrede und Fake News auf X und Co.

Für die Strategie der Rechten in Brasilien ist das Verbot fatal. Vor allem während der Amtszeit Bolsonaros von 2019 bis 2022 nutzten die Anhänger Bolsonaros soziale Netzwerke für Falschinformationen und Hassreden. Ein sogenanntes Hass-Kabinett in Bolsonaros Präsidialamt soll durch organisierte Verleumdungskampagnen Zweifel am brasilianischen Wahlsystem gestreut und gegen politische Gegner gehetzt haben.

Moraes, der am 30. August die Stilllegung von X in dem südamerikanischen Land angeordnet hatte, warf X vor, nicht entschlossen genug gegen die Verbreitung von Hassrede und Fake News vorzugehen. Zuvor hatte der Richter die Sperrung von X-Konten rechtsgerichteter Aktivisten verlangt.

Musk bezeichnete dies als gesetzwidrig, die US-Plattform kam der Aufforderung nicht nach – und zahlte auch die verhängte Geldstrafe nicht. Auch der Forderung, einen gesetzlichen X-Vertreter in Brasilien zu benennen, kam Musk nicht fristgerecht nach. Im Gegenteil plante X sogar, sich aus Brasilien zurückzuziehen. Elon Musk, der Eigentümer von X, der selbst Positionen der politischen Rechten vertritt, versteht sich als Verteidiger der freien Rede und wirft Moraes Zensur vor. 

Längerer Rechtsstreit: „Tropen-Trump“ Bolsonaro und Elon Musk im Fokus

Bereits im April hatte Moraes wegen Behinderung der Justiz und Anstiftung zu Straftaten ein Ermittlungsverfahren gegen Musk selbst eingeleitet. Auch damals hielt Bolsonaro daraufhin eine Kundgebung „zur Verteidigung der Meinungsfreiheit“ am Copacabana-Strand in Rio de Janeiro ab, zu der Tausende Anhängern erschienen. Außer der Bolsonaro-Anhänger schien die letztendliche X-Sperre allerdings nur wenige zu stören.

Zu der Demonstration am brasilianischen Unabhängigkeitstag hatten rechte Politiker bereits vor der Entscheidung zur landesweiten Sperrung des Onlinedienstes X aufgerufen. Sie fand einen Monat vor den Kommunalwahlen in Brasilien statt und sollte den Rückhalt der rechten Politiker in dem gespaltenen Land zeigen. Unter anderem forderte der Ex-Präsident auch zum wiederholten Mal eine Amnestie für seine Anhänger, die wegen des Angriffs auf das Regierungsviertel in Brasília am 8. Januar 2023 zu Haftstrafen verurteilt worden waren.

Auch gegen den als „Tropen-Trump“ bekannten Ex-Präsidenten Bolsonaro laufen mehrere Ermittlungsverfahren. Unter anderem wirft die Polizei ihm vor, an Plänen für einen Staatsstreich beteiligt gewesen zu sein, um sich nach seiner Wahlniederlage im Oktober 2022 an der Macht zu halten. Im Januar 2023 hatten Anhänger des rechten Ex-Präsidenten Regierungsgebäude gestürmt und ohne Belege behauptet, Bolsonaro sei der Wahlsieg gestohlen worden. Er ist bis 2030 für öffentliche Ämter gesperrt, ebenfalls durch Verfügung von Moraes. So handelt es sich wohl auch um eine persönliche Fehde. (lismah/dpa/AFP)

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