Warum Günter Grünwald aufhört
Auf der Bühne und im Fernsehen lässt Günter Grünwald seit Jahrzehnten mit größter Leidenschaft die Sau raus, zur Freude seines Publikums. Doch nun, mit 67, will der Kabarettist kürzertreten. Eine Bilanz.
Dass er sich selbst gern als „Botschafter des guten Geschmacks“ bezeichnet, sagt schon alles über sein Verständnis von Humor. Wohl kaum einer aus der älteren Kabarettistengeneration versteht es, dem „Volk“ so genau aufs Maul zu schauen – in schönstem, deftigstem Bairisch. Doch nun zieht sich der 67-Jährige zurück, an diesem Freitag um 22.05 Uhr läuft – mit einem Best of – zum letzten Mal die BR-„Freitagscomedy“, auch von der Bühne will sich der gebürtige Ingolstädter weitgehend verabschieden.
Erst wurde bekannt, dass Sie mit der „Freitagscomedy“ aufhören, jetzt beenden Sie auch Ihre Bühnenkarriere. Ist das Zufall, dass das zeitlich so zusammentrifft?
Ja, das ist Zufall, weil wir – alle Beteiligten gemeinsam – das Ende der Sendung schon vergangenes Jahr beschlossen hatten. Die Überlegung, auch mit dem Kabarett aufzuhören, gab es aber auch schon länger. Die Tatsache, dass es im vergangenen Sommer in meinem engen privaten und beruflichen Umfeld zwei Todesfälle gegeben hat, hat mich zusätzlich zum Nachdenken gebracht. Dann kam ein gesundheitliches Problem dazu, aber das alleine war nicht der Grund.
Es ist nichts Lebensbedrohliches?
Nein, überhaupt ned, aber es muss behandelt werden, und das braucht Zeit. Klar gibt es jetzt Spekulationen, da ist die Rede von irgendwelchen Chemotherapien, aber das ist alles Quatsch.
Das heißt, es ist nicht ausgeschlossen, dass Sie zurückkommen?
Ich werde gar nicht ganz weg sein, sondern mit meiner Band noch ab und zu Auftritte haben, weil das wirklich total Spaß macht. Ich war ja früher Musiker und mache das immer noch sehr gerne. Und bei Benefizveranstaltungen werde ich sicher auch mit meinem Programm weiter auftreten. Nur diesen Tourneezauber, bei dem ich schon zwei Jahre im Voraus weiß, wo ich am 21. Februar abends auf der Bühne stehe, des wui i ma nimma oodoa.
Wie wird sich das anfühlen, nach fast 40 Jahren bald keine festen Termine mehr zu haben?
Das kann ich mir insofern vorstellen, als es ja Corona gegeben hat. Da bin ich auch sehr lange nicht aufgetreten und trotzdem nicht in der Wohnung auf- und abgetigert nach dem Motto: Ich will meine Bühne, ich will mein Publikum! Das war schon nicht schlecht, weil ich ja – im Gegensatz zu manchen Kollegen – nie Auszeiten genommen habe. Ich habe ja seit 1986 durchgspuit. Ich werde also sicher nicht in ein Loch fallen.
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Sie sind damals über die Musik zum Kabarett gekommen. Wann haben Sie gewusst, dass nicht die Musik, sondern das Wort das ist, was bei den Leuten zieht?
Die Musik war scho aa guat. (Lacht.) Es hat mir einfach Spaß gemacht, zwischen den Stücken was zu erzählen, ganz absurde Sachen. Ich hab da mal zehn Minuten lang beschrieben, wie ich einen Wurschtsalat mach. Das waren schon richtige kleine Solonummern. Und die Leute haben gelacht darüber. Und wie das so ist bei Bands – der steigt aus, der steigt aus. Irgendwann habe ich keine Lust mehr gehabt, mit neuen Leuten wieder von vorne oozumfanga, und gedacht: Probierst du‘s einfach mal mit Kabarett, alleine auf der Bühne. Am Anfang war natürlich wenig Publikum da, aber bei denen, die da waren, kam das sehr gut an. Und ich dachte, es werden schon irgendwann mehr Leute kommen, Gott sei Dank war‘s dann ja auch so.
Sie haben uns vor einigen Jahren im Interview gesagt, die ersten 33 Jahre Ihres Lebens seien „durchwachsen“ gewesen. Sehen Sie das immer noch so?
Ja, absolut, denn bis es mit dem Kabarett losging, habe ich vieles versucht, ich habe auf dem Bau gearbeitet, war Lagerist in einem Kaufhaus, hatte einen Naturkost- und einen Schallplattenladen. Und fast nichts hat wirklich funktioniert.
Eine Art Schule des Lebens, die Ihnen Material für die Bühne geliefert hat?
Im Rückblick auf jeden Fall. Es ist ja toll, viele Erfahrungen zu machen, doch während man sie macht, ist es manchmal ein bisschen Kacke. Aber heute bin ich froh, dass ich nicht den geraden Weg gegangen bin – Schule, Germanistikstudium und dann literarisches Kabarett. (Lacht.)
Was war der größte Triumph, was die größte Niederlage in Ihrem Berufsleben als Kabarettist?
Ein großer Triumph war für mich sicher, im Fernsehen unterzukommen, angefangen mit „Kanal fatal“. Ich bin froh, dass mein Vater das noch miterlebt hat, der zuvor immer gesagt hat: „Aus dir werd nix!“ Nicht so sehr in dem Sinne, dass ich es ihm gezeigt habe, sondern eher mit dem Gefühl: Ich freue mich, dass er noch mitkriegt, dass doch etwas aus mir geworden ist.
Niederlagen?
Beruflich nie, und wenn privat irgendetwas war, habe ich schnell gewusst: Des werd scho wieder. Ich bin nicht der Typ für Depressionen.
Früher gab es – so scheint‘s – den Konsens, dass Kabarett immer irgendwie links ist, inzwischen scheint es mindestens zwei Lager zu geben, die einander ziemlich unversöhnlich gegenüberstehen...
Jeder hat das Recht, das Kabarett zu machen, das er machen will. Ob meines jetzt unbedingt ganz stramm links ist, kann i gar ned sagn, aber meine Einstellung ist eher links. Und wenn ich mir dann Kollegen anschaue, denk i ma scho: Oh, da geht‘s jetzt aber in eine andere Richtung. Aber ganz offensichtlich haben auch die ihr Publikum.
Wen meinen Sie konkret?
Ich glaube, wir wissen beide, von wem wir reden.
Ich muss doch auf eine Kollegin namentlich zu sprechen kommen, nämlich auf Monika Gruber, mit der Sie ja lange zusammengearbeitet haben. Die hat uns im Interview einmal gesagt, sie spüre eine tiefe Abneigung durch Kollegen, mit denen sie mal befreundet war.
Also, bei uns war‘s so, dass wir eine gemeinsame Sendung machen sollten mit dem Titel „Gruber Grünwald“. Dann gab es aber, ich weiß bis heute nicht warum, Meinungsverschiedenheiten zwischen Monika und dem BR. Ich kann nur sagen, dass ich nie Streit mit ihr hatte. Wir haben uns auch noch eine Zeitlang Nachrichten geschickt, aber dann ist das irgendwann eingeschlafen – übrigens bevor sie mit ihrer Heizung und mit den Grünen Probleme bekommen hat. Aber ich bin mir sicher, wenn wir einander wieder über den Weg laufen würden, dann hätten wir wieder sehr viel Spaß miteinander.
Wird man als Kabarettist heute stärker angefeindet als früher?
Aus gewissen Kreisen sicher. I merk‘s ja bei mir auf Facebook, mir wird da immer wieder vorgeworfen, dass ich gegen Ungeimpfte gehetzt hätte. Diese Verschwörungspfeifen schreiben mir dann, dass sie das nicht vergessen würden. Und jeden frage ich: Wo und wann genau habe ich etwas gegen Ungeimpfte gesagt? Da kommt dann nichts mehr. Es gab bestimmt Gründe, gegen die Corona-Maßnahmen zu sein, aber man hätte dann nicht mit den Trotteln mitmarschieren sollen, die bei jeder Gelegenheit die Reichskriegsflagge schwenken.
Keine Zwischenrufe, Zwischenfälle bei Auftritten?
Helmut Schleich hat mir mal erzählt, dass er sich am Schluss der Vorstellung verbeugt hat, und plötzlich kam ein Bierglas auf ihn zugeflogen. Das ist mir Gott sei Dank nie passiert. Und Zwischenrufe, hm – doch, ganz am Anfang, 1987, muss das gewesen sein. Da habe ich einen angehenden Pfarrer gespielt, der schon mal für die Messe übt, zu viel Messwein erwischt und auf der Bühne zusammenbricht. Da ist eine Frau aufgestanden und hat ganz laut geschrien: „Ich bin Katholikin, ich verbitte mir das!“ Und dann hat ein anderer aus dem Publikum gerufen: „Es ist mir egal, was du bist, wenn‘s dir ned basst, geh‘ halt naus!“ Und dann haben die beiden unten das Streiten oogfangt, das war einer der lustigsten Auftritte überhaupt.
Die „Freitagscomedy“ ist Geschichte, mit der Bühne ist erst mal Schluss – gibt es einen Wunsch für die eigene Zunft, für Deutschland, für die Welt?
Ich wünsche mir den Weltfrieden und Gesundheit für alle! Mehr kann man nicht verlangen.