Neuer Konzertsaal und neue Kunstgalerie des Bergson in München-Aubing: Tief im Westen
Das Bergson Kunstkraftwerk in München-Aubing ist schon jetzt ein Erfolg. Und dabei ist bisher nur ein Teil eröffnet. Am 12. Juli 2024 öffnet auch die große Galerie – und der Konzertsaal ist auch fast so weit.
Jetzt sitzt man also wirklich drin. Im neuen Konzertsaal, den sie hier in München-Aubing in einem Affentempo hochgezogen haben. Und damit Stadt und Freistaat ziemlich alt aussehen lassen. „Affentempo“, ein Begriff, der irgendwann Anfang der Dreißigerjahre geprägt worden sein soll, weil Affen damals als triebhafte Karikatur des Menschen galten. Passt. Denn die Knaller-Mannschaft, die im Bergson Kunstkraftwerk in Aubing agiert, folgt tatsächlich in erster Linie ihrer Leidenschaft. Ihr Begehr: einen Ort zu schaffen, an dem sich alle wohlfühlen. Den man besucht – und ein bisschen frohgemuter wieder verlässt.
Funktioniert schon jetzt ziemlich überzeugend: Seit der Teileröffnung im April kamen rund 50 000 Besucherinnen und Besucher zu Konzerten, Gesprächen, kulinarischen Genüssen. Besucher klingt so passiv. In Wahrheit wird, wer das Bergson betritt, Teil einer Energiequelle, die beflügelt. „Immersiv“, „vielfältig“, „niedrigschwellig“ – all die schönen Begriffe, die in Werbetexten so gern genutzt werden, füllen sie hier mit Leben.
„Sie“, das sind Christian und Michael Amberger als finanzielle Anstupser, um es sehr euphemistisch und zurückhaltend auszudrücken. Denn so sind die beiden Unternehmer: Wann immer man mit ihnen über das von ihnen finanzierte Bergson spricht, verweisen sie uneitel auf ihr engagiertes Team. Tatsächlich ist es ein Glücksfall, dass die Ambergers Menschen wie den künstlerischen Direktor Roman Sladek, Programmdirektor und Pressesprecher Maximilian Maier oder Kunstkenner Benedikt Müller für die Galerie engagieren konnten.

Als Sladek bei einer Pressekonferenz im neuen Konzertsaal „Elektra Tonquartier“ auf seine gewinnende Art von den Vorteilen dieses einzigartigen Raumes erzählt, hat er sie wieder alle. Auch die Immer-das-Haar-in-der-Suppe-Sucher, die meinen, Aubing sei doch viel zu weit draußen: Wer führe denn da raus? Bei diesen besonderen Aussichten bestimmt sehr viele. Und dann gibt es schließlich „da draußen“ reichlich mehr Menschen, als sich das manche immer von der Innenstadt aus denkende Münchner vorstellen mögen.
Die technischen Arbeiten in Sachen Akustik sind noch nicht ganz abgeschlossen, der Saal an sich aber ist fertig, am 9. Oktober 2024 steigt hier die große Eröffnungssause. Alles duftet nach Neuanfang. Der schöne Geruch von Umzug, von frisch gestrichenen Wänden liegt in der Luft. Verheißung auf all das Leben, das hier einziehen, in leuchtenden Farben funkeln wird. Wer sich setzt, atmet verzückt auf. Fühlt sich eher nach Kinopalast als hart bestuhltem Konzertsaal an. Jede Frau, die schon mit High Heels in Residenztheater oder Staatsoper gesessen hat, weiß ja, wie wichtig Beinfreiheit und bequeme Sitze für den Kunstgenuss sind.
Das „Elektra Tonquartier“ im Bergson bietet einzigartige Akustik
Optisch wirkt das „Elektra Tonquartier“ wie ein Mix aus Nachtclub, Cineplex, Theatersaal – und macht damit auf den ersten Blick klar, dass sie hier nicht nur auf das „klassische“ Konzertpublikum setzen. „Es gibt unzählige musikalische Genres und musikalische Zielgruppen auf dieser schönen Welt und nur ganz wenige Menschen, die ausschließlich klassische Musik hören“, betont Roman Sladek. Deshalb wollten sie nicht wie üblich für die Darbietung klassischer Musik einen Saal bauen, der dann mehr schlecht als recht für Interpreten anderer Genres zweckentfremdet wird. Durch ausgeklügelte Technik lässt sich – weltweit einzigartig – jedes akustische Bedürfnis der jeweiligen Interpreten herstellen. Da klingt es sonntags zum Gospelkonzert wie Kirche, samstags wie Technoclub oder mittwochs beim Streichkonzert wie Elbphilharmonie.
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Außergewöhnlich auch die Preisstrukturen. Normalerweise ist es ja, seien wir ehrlich, so: Vorne sitzen die, die sich die teuren Karten leisten können, weit hinten die, die mit wenigen Euro und umso mehr Herzblut bezahlen. Wenn der Saal mal nicht ausverkauft ist, dann sind vor allem die vorderen, teureren Plätze leer. Diese Separierung des Publikums nach finanziellen Aspekten ist fürs Gesamterlebnis Käse. Deshalb wagen sie im Bergson ein Zwei-Ticket-Konzept. Jeder kann frei wählen und entweder für 39 Euro den Fairpreis oder für 24 Euro den Socialpreis zahlen. Sitzkategorien gibt’s nicht mehr. Wie im Kino oder am Strand: Wer am schnellsten ist, kann sich beim Kauf die besten Plätze sichern.
Und ein Programm genießen, das von der Jazzrausch Bigband über Familienkonzerte zur Münchner Stadtgeschichte, Yoga mit Harfe bis zu ukrainischer Weihnachtsmusik alles bietet. Danach zum Essen ins Restaurant Zeitlang oder in den Biergarten, hinüber in die Kunstgalerie, auf einen Drink in die bald eröffnende Barbastelle im Untergeschoss. Ja, sie haben sich hier von ihrer Leidenschaft treiben lassen. Aber mit ganz viel Köpfchen.