Blockade beim Wachstumschancengesetz versetzt Baubranche in Aufruhr: „Ich verstehe Friedrich Merz nicht!“

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Vom Wachstumschancengesetz würde vor allem die kriselnde Baubranche profitieren, die schon seit Monaten auf Impulse wartet. Doch die Union verweigert eine Zustimmung.

Berlin – Die Wut droht in der Baubranche langsam überzukochen. Fünf Monate sind bereits vergangen, seitdem die Ampel-Regierung auf einem Baugipfel im Kanzleramt Maßnahmen versprochen hat, die den Wohnungsbau ankurbeln sollten. Zentraler Baustein sind dabei steuerliche Entlastungen wie die degressive AfA. Doch noch immer sind die Maßnahmen nicht beschlossen, da die Union das Wachstumschancengesetz im Bundesrat blockiert.

10.000 Stellen sollen in den nächsten Monaten abgebaut werden

Das wird früher oder später zu einem Stellenabbau in der Baubranche führen – zum ersten Mal seit 15 Jahren. „Wir rechnen derzeit damit, dass in den kommenden Monaten etwa 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden müssen“, sagte Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands HDB, der Nachrichtenagentur dpa vor wenigen Wochen. Angesichts dessen müsste man meinen, dass schnelles Handeln das Gebot der Stunde wäre.

Der Wohnungsbau steckt in seiner größten Krise seit den 1990ern. Baugenehmigungszahlen und Auftragseingänge werden immer weniger. Gleichzeitig fehlen schon jetzt Hunderttausende Wohnungen“, schreibt auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Doch das Wachstumschancengesetz und die darin beschlossenen Maßnahmen für die Baubranche werden stur weiter blockiert – weil die Union darauf pocht, dass die Streichung der Agrardiesel-Subventionen wieder zurückgenommen wird. Ohne diesen Kompromiss will sie die Zustimmung verweigern. „Manchen scheint der Ernst der Lage noch immer nicht ganz klar. Ohne schnelle Investitionsanreize wird der Wohnungsbau irgendwann ganz einbrechen“, wart der Verband weiter.

Auch Peter Hübner, der Präsident im Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, mahnt in einer Mitteilung, dass man die Regierung beim Wort nehme und ein Handeln erwarte. „Die Bauindustrie baut das Fundament unseres Wohlstands“. Wenn die Baukonjunktur zurückgeht, gehe die gesamte Wirtschaftsleistung des Landes zurück. „Damit unsere Branche mit rund einer Million Beschäftigten und einem BIP-Anteil von über zehn Prozent aber wieder zur Konjunkturlokomotive werden kann, muss die Politik für eine verlässliche Investitionsperspektive in den kommenden Jahren sorgen“, so Hübner weiter.

Auch in anderen Wirtschaftszweigen geht die Angst um

Die fehlende Einigung zum Wachstumschancengesetz – was nach jetzigem Stand frühestens am 22. März kommen könnte – verärgert aber nicht nur die Baubranche. „Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz ist ein katastrophales Signal für die deutsche Wirtschaft“, sagte der Präsident des Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm, am Donnerstag (22. Februar). Die Hängepartie werde verlängert. Dabei sei das geplante Entlastungsvolumen mit jetzt nur noch 3,2 Milliarden Euro bereits mehr als halbiert worden und bleibe weit hinter den ursprünglichen Erwartungen der Betriebe zurück.

Der Großhandelsverband BGA bezeichnete das geplante Entlastungsvolumen als zu gering, es komme zudem zu spät. Der Wirtschaftsstandort Deutschland nehme Schaden. „In der Krise müssen Bund, Länder, Regierung und Opposition endlich an einem Strang ziehen“, forderte BGA-Präsident Dirk Jandura. „Sonst sinkt das Vertrauen in das zukunftsorientierte, wirtschaftliche Handeln der Politik immer weiter. Die Union nimmt für die Entlastung der Landwirtschaft die Gesamtwirtschaft in Geiselhaft.“ Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, verwies auf einen zunehmenden Frust in vielen Unternehmen. Diese zweifelten daran, ob die Politik den Ernst der Lage erkannt habe.

Immobilienfirmen rutschen zunehmend in die Insolvenz

Für die Baubranche wird es langsam auch brenzlig: Immer häufiger rutschen Unternehmen in der Branche in die Insolvenz, weil Auftragsbücher leer bleiben und das Bauen „faktisch unmöglich“ geworden ist, wie es jüngst in einem Report der Immobilienweisen hieß. „Wer heute baut, geht bankrott“, so der Präsident des Zentralen Immobilien-Ausschusses, Andreas Mattner.

Baupräsident Thomas Reimann legt die Verantwortung auf Ippen.Media-Anfrage direkt vor die Füße des CDU-Chefs: „Ich verstehe Friedrich Merz nicht. Ich nehme das alles mit großem Bedauern zur Kenntnis, bin enttäuscht!“ Die im September 2023 vereinbarten Kompromisse waren ein „gutes und wichtiges Signal“, auf dessen Verabschiedung die Bauwirtschaft dringend angewiesen sei. Dass das nicht passiert, sei „ein Unding in der aktuellen Situation, denn eine Einigung bei der degressiven Afa und eine zügige Umsetzung wären das Gebot der Stunde.“

Friedrich Merz
Friedrich Merz und die CDU blockieren das Wachstumschancengesetz im Bundesrat © Michael Kappeler/dpa

Eine Einigung ist nach der Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat am Mittwochabend weiter nicht in Sicht. Der Ausschuss beschloss zwar mit 17 zu 13 Stimmen bei zwei Enthaltungen einen Kompromissvorschlag, der aber von der Union nicht mitgetragen wurde. Für das Wachstumschancengesetz von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ist damit die erforderliche Zustimmung im Bundesrat nicht erkennbar.

Mit Material von Reuters

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