Im Visier Putins: Beispiel Deutschland zeigt – Nato hat ein riesiges „Patriot“-Problem

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Die Russen haben wohl ein Gegenmittel gegen die Patriot-Luftabwehr gefunden. Die Ukraine fordert von der Nato mehr Systeme. Doch: Woher sollen sie kommen?

Charkiw – Am Mittwochabend (27. März) ordnete ZDF-Moderatorin Marietta Slomka im „heute journal“ nüchtern ein, dass es Kreml-Autokrat Wladimir Putin im Ukraine-Krieg nun offenbar darum gehe, Charkiw sturmreif zu bombardieren. „Die zweitgrößte Stadt der Ukraine“, wie Slomka mit Nachdruck betonte.

Ukraine-Krieg: Russland-Autokrat Wladimir Putin lässt Charkiw bombardieren

Als habe der Kriegstreiber aus dem Kreml in Russland diese Worte gehört, ließ er die Großstadt mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern, mit ihren rund 40 Hochschulen und mit ihren vielen Kultureinrichtungen am selben Tag mit Fliegerbomben heimtückisch bombardieren. Zur Einordnung: Freifallende Bomben sind teils sehr ungenau. Sie treffen irgendwas. Kein konkretes Ziel. Und die ukrainische Luftabwehr scheint das immer öfter nicht verhindern zu können.

Kreml-Autokrat Wladimir Putin ließ sich am 27. März in Torschok das Training für Piloten russischer Kampfhubschrauber zeigen.
Kreml-Autokrat Wladimir Putin ließ sich am 27. März in Torschok das Training für Piloten russischer Kampfhubschrauber zeigen. © IMAGO / SNA

Ukraine-Krieg: Schwere russische Luftangriffe auf Charkiw und auf Kiew

Mehrere fünfgeschossige Wohnhäuser in Charkiw seien beschädigt worden, ebenso ein Institut für Notfallchirurgie, erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Facebook. Laut örtlicher Polizei war es seit dem ersten Kriegsjahr 2022 der erste Luftangriff mit Bomben, die von Kampfflugzeugen abgeworfen wurden.

Während die Ukrainer gegen die russische Armee zudem immer mehr Panzer, zum Beispiel „Marder“, verlieren, forderte der ukrainische Außenminister drastisch mehr Luftabwehrsysteme für sein geschundenes Land. „Dies ist eine Erinnerung daran, dass die Ukraine dringend mehr Luftabwehr benötigt, insbesondere Patriot-Systeme. Gebt uns die verdammten Patriots!“, sagte Dmytro Kuleba nach mehreren Luftangriffen auf die Hauptstadt Kiew dem US-Magazin Politico: „Wenn wir über genügend Luftverteidigungssysteme, nämlich Patriots, verfügten, könnten wir nicht nur das Leben unseres Volkes, sondern auch unsere Wirtschaft vor Zerstörung schützen.“

Patriot-Luftabwehr der Ukraine: Ging Kiew gegen Russland ein zu hohes Risiko ein?

Das Problem: Putins Invasionstruppen sind auf Geheiß aus Moskau offenkundig auf der Jagd nach gelieferten westlichen Flugabwehr-Anlagen. Kürzlich gelang es den Russen offenbar, mit einer Iskander-M-Rakete ein Patriot-System nahe Pokrowsk im Donbass zu zerstören. Zur Einordnung: Deutschland hatte zwei Patriots geliefert, die USA stellten ein System zur Verfügung. Ferner hatten die Niederlande zwei Patriot-Abschussrampen geschickt. Das war es. Offenbar gingen die Ukrainer zuletzt ein zu hohes Risiko, um zwischen dem 17. Februar und dem 3. März 15 russische Kampfflugzeuge Putins abzuschießen.

„Die Ukraine versucht gezielt, Fliegerabwehrhinterhalte zu legen: Sie löst einzelne Fliegerabwehrsysteme, zum Beispiel Nasams, aber auch Patriot, aus den urbanen Zentren heraus und bringt diese verdeckt an die Front“, erklärte der österreichische Militärexperte Markus Reisner dazu ntv.de: „Die Russen waren aber auf der Suche nach diesen Fliegerabwehrsystemen im Hinterhaltseinsatz, und in den letzten zehn Tagen scheint es gelungen zu sein, einige zu zerstören. Am Wochenende hat das neuerlich ein Video dokumentiert.“

Luftabwehr für Deutschland: Bundeswehr-Soldaten der Flugabwehrraketengruppe 24 vor Patriot-Systemen. (Archivfoto)
Luftabwehr für Deutschland: Bundeswehr-Soldaten der Flugabwehrraketengruppe 24 vor Patriot-Systemen. (Archivfoto) © IMAGO / BildFunkMV

Flugabwehr für die Ukraine: Woher soll die Nato noch mehr Patriots nehmen?

Während die Ukrainer erfolgreich die besetzte Krim attackieren und ihre Kamikaze-Drohne „Lyutyi“ der Öl-Industrie in Russland zusetzt, bleibt eine Frage: Woher mehr Patriots nehmen? Die Republikaner blockieren in den USA seit Ende 2023 ein Militärpaket der Biden-Administration über kolportiert 61 Milliarden US-Dollar. Amerikanischen Medienberichten zufolge wären mehr Raketen für die übrigen Patriot-Systeme enthalten.

Aus den Vereinigten Staaten kommt somit erstmal nichts. Wenn man sich die unmittelbaren Nachbarländer der Ukraine anschaut, ist auch nicht viel zu holen. Weder Ungarn noch die Slowakei oder Polen haben eigene Patriot-Luftabwehrsysteme. Die Luftverteidigung in Polen übernehmen weitgehend die Amerikaner mit ihren Patriots am Militärflughafen Rzeszow im Südosten des Landes, von wo aus Waffen-Lieferungen an die ukrainische Armee abgewickelt werden. Aber: Die Patriots dort sollen explizit Nato-Luftraum schützen. Und zum Beispiel nicht die ukrainische Großstadt Lwiw, die nur 130 Kilometer östlich liegt.

Patriot-Luftabwehrsysteme der Nato: Kaum ein Ukraine-Nachbar hat eines

Immerhin hat Rumänien acht Patriots. Das Land am Schwarzen Meer ist jedoch wesentlicher Bestandteil der Nato-Ostflanke. Was eine Lieferung unwahrscheinlicher macht. Bleibt Deutschland. Doch: Es kommen gleich zwei Probleme ins Spiel. Die Flugabwehrraketengruppe der Bundeswehr hatte ursprünglich zwölf komplette Patriot-Luftabwehrsysteme – mit Startgeräten M903, Feuerleitständen AN/MSQ-104, Multifunktionsradaren und Antennenmastanlagen.

Im April 2023 hatte die Bundeswehr zur Abschreckung Moskaus jedoch zum Beispiel zeitgleich drei Patriots in Polen sowie zwei komplette Systeme in der Slowakei stationiert. Laut Berliner Morgenpost wurden zum selben Zeitpunkt fünf Systeme bei der Rüstungsindustrie modernisiert. Weil von den zwei übrigen Patriots ein System schon an Kiew geliefert war, blieb genau eines zur Verteidigung der Bundesrepublik. Reichlich wenig für ein Land mit mehr als 84 Millionen Einwohnern.

Patriots müssen jetzt hier stationiert werden, in der Ukraine, um reale Menschenleben zu schützen und nicht an Orten bleiben, an denen die Raketengefahr gleich null ist.

Wie der Spiegel im Oktober berichtete, verhandelte das Bundesverteidigungsministerium damals mit dem US-Hersteller über den Kauf mehrerer weiterer Systeme. Aber: Die Auslieferung könne frühestens 2025 beginnen und werde erst 2027 abgeschlossen sein, hieß es. Seither wurde kein Kauf bekannt. Der ukrainische Außenminister forderte dennoch: „Patriots müssen jetzt hier stationiert werden, in der Ukraine, um reale Menschenleben zu schützen und nicht an Orten bleiben, an denen die Raketengefahr gleich null ist.“ (pm)

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