Palästinenser als Schutzschilde eingesetzt: Israels Armee wegen Vorgehen in Gaza in der Kritik
Israels Armee kämpft weiterhin in Gaza – nicht immer im Einklang mit internationalem Recht. Zivilisten sollen dort als Schilde eingesetzt worden sein.
Tel Aviv – Die israelische Armee (IDF) soll im Gazastreifen palästinensische Zivilisten eingesetzt haben, um eigenes Personal nicht der Gefahr von Sprengfallen auszusetzen. Laut Bericht einer israelischen Zeitung wurden die Betroffenen verhaftet und anschließend gezwungen, Tunnel und Häuser zu durchsuchen, bevor Soldaten der IDF dort eindrangen. Dies soll mit dem vollen Wissen hochrangiger israelischer Offiziere geschehen sein – obwohl derartige Praktiken laut IDF verboten sind.
„Unser Leben ist wichtiger als ihr Leben“. Mit diesem und ähnlichen Sätzen begründete ranghohes IDF Personal den Soldaten gegenüber, dass diese zufällig ausgewählte palästinensische Zivilisten als menschliche Schutzschilde einsetzen sollten. Das geht aus einer am Dienstag (13. August) veröffentlichten Recherche der israelischen Zeitung Haaretz hervor. Von außen habe man laut einem Zeugenbericht oft nur schwer erkennen können, dass es sich bei den Betroffenen nicht um Mitglieder der IDF handelt. In der Regel seien sie in Uniformen gekleidet gewesen. Erst beim zweiten Blick seien dann Unstimmigkeiten aufgefallen: Statt Stiefeln hätten sie Turnschuhe an den Füßen getragen, die Hände seien mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt gewesen.
Zivilisten im Gazastreifen durch IDF festgehalten – Israel soll Kriegsverbrechen begangen haben
Dem Blatt zufolge ist diese Beschreibung nur eine von vielen, die man erhalten habe, einige von Soldaten, andere von Kommandanten. Es zeichne sich aber ein eindeutiges Bild ab: In den letzten Monaten hätten israelische Soldaten überall im Gazastreifen menschliche Schutzschilde eingesetzt; selbst IDF-Stabschef Herzi Halevi wisse davon. „Der Leiter des Südkommandos, Generalmajor Yaron Finkelman, weiß ebenfalls Bescheid“, habe eine Quelle im Südkommando der IDF angegeben. „In jeder Sitzung, in der dieses Thema angesprochen wurde“ habe es Kommandeure gegeben, die vor den ethischen und rechtlichen Folgen gewarnt hätten.

Bei den festgenommenen Männern habe es sich nicht um Terrorverdächtige, Hamas-Mitglieder oder sonstige Gefangene gehandelt, so der Bericht. Stattdessen seien sie eigens festgenommen worden. Zuvor habe man gezielt Zivilisten ausgekundschaftet und jene ausgewählt, von denen man glaubte, dass sie bei den ihren Operationen gegen die Hamas in dichten städtischen Gebieten von Nutzen sein könnten. Ein Soldat habe berichtet, dass den Betroffenen versprochen worden sei, dass sie nach einer erfolgreichen „Mission“ freikämen. Bis zu einer Woche seien sie dann jeweils festgehalten worden.
IDF beim Krieg im Gazastreifen: Palästinenser wurden als menschliche Schutzschilde eingesetzt
Es ist nicht das erste Mal, dass solche Anschuldigungen laut werden. Bereits im Juni veröffentlichte der panarabische Nachrichtensender Al Jazeera Videos, die zeigten, wie Gefangene in israelischen Militäruniformen und mit Seilen gefesselt gezwungen wurden, in Tunnel einzudringen und nach Sprengstoff zu suchen.
Auch die Website ReliefWeb, ein humanitäres Informationsportal des Büros der Vereinten Nationen, machte bereits auf ähnliche Vorkommnisse aufmerksam. In einem Bericht vom März ist dort dokumentiert, dass der gemeinnützigen Organisation „Euro-Med Human Rights Monitor“ mehrere übereinstimmende Zeugenaussagen darüber vorliegen, dass „die israelische Armee palästinensische Zivilisten gegen ihren Willen als menschliche Schutzschilde einsetzt“ hat. Diese wurden demzufolge bei Militäroperationen um das Al-Shifa-Krankenhaus eingesetzt, um Streitkräfte der IDF „zu sichern und zu schützen“.
Israel verstößt beim Kampf gegen Hamas gegen internationales Recht – was sagt die IDF dazu?
Gegenüber Haaretz erklärte die Pressestelle der IDF, dass man die Vorfälle überprüfe. „Die Anweisungen und Befehle der IDF“ würden den Einsatz von Zivilisten aus dem Gazastreifen verbieten. Dies habe man „den Streitkräften deutlich gemacht“. Interne Bedenken der Soldaten gegenüber ihren Vorgesetzten wurden laut dem Bericht der Zeitung aber oft abgewiegelt. „Ein Soldat braucht sich nicht für die Gesetze des Krieges zu interessieren. Du musst über die Werte der IDF nachdenken und nach den Werten der IDF handeln, nicht nach den Kriegsgesetzen“, habe ein Bataillonskommandeur gegenüber seinen Untergebenen klargestellt, als diese Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Methode vorbrachten.
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Israel hat der Hamas in der Vergangenheit wiederholt vorgeworfen, sich unter der palästinensischen Zivilbevölkerung zu verstecken und diese als menschliche Schutzschilde zu benutzen. Oftmals wurde das Argument genutzt, um die hohen zivilen Opferzahlen zu rechtfertigen, die der Krieg im Gazastreifen hervorgebracht hat. Nach internationalem Recht wird der Einsatz von menschlichen Schutzschilden als Kriegsverbrechen betrachtet. Laut dem Internationalen Strafgerichtshof gilt ein solches Vorgehen als „Ausnutzung der Anwesenheit einer Zivilperson oder einer anderen geschützten Person, um bestimmte Punkte, Gebiete oder militärische Kräfte vor militärischen Operationen zu schützen“. (tpn)