Change-Experte warnt: MediaMarkt-Saturn startet Ära ohne Mitarbeiter

Die Übernahme von MediaMarkt-Saturn durch JD.com war nicht nur ein Paukenschlag, sondern leitet eine radikal neue Ära in Deutschland ein – die der vollautomatisierten Unternehmen.

Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, das keine Kassierer mehr hat. Keine Lagerarbeiter. Keine Fahrer. Keine Menschen – Zukunftsvision aus einem Science-Fiction-Film? Nein – es ist das erklärte Ziel von JD.com, dem chinesischen Tech-Riesen, der nun MediaMarkt-Saturn übernommen hat.

Der Gründer Richard Liu von JD.com und neue Inhaber von MediaMarkt-Saturn offenbarte seine Vision schon 2017 in einem Interview mit der South China Morning Post:

„In zehn Jahren wird JD.com ein Unternehmen ohne Mitarbeiter sein – keine Lieferfahrer, keine Lagerarbeiter, keine Kassierer.“

Das muss man erst einmal sacken lassen. Und es ist inzwischen teils Realität. Richard Lius Vision vom Unternehmen ohne „Human Touch“, also ohne menschlichen Eingriff, wird bereits in JD.coms unbemannten Technik-Stores und weitgehend vollautomatisierten Logistikzentren in China umgesetzt.

Kishor Sridhar ist angesehener Berater, Keynote-Speaker und Autor, spezialisiert auf Change Management, Führung und Digitalisierung. Er unterstützt Führungskräfte bei Transformationsprozessen und lehrt an der ISM in München. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.

Vollautomatisierte Unternehmen werden auch in Deutschland bald Alltag

Und wenn das Schule macht, werden deutsche Unternehmen schnell nachziehen müssen, um effizient zu bleiben. Die Übernahme von MediaMarkt-Saturn durch JD.com wird also eine Revolution der Arbeit und der Unternehmen in Deutschland einleiten.

Doch wird ein Unternehmen ganz ohne Menschen auskommen? Liu formuliert es später differenzierter: Maschinen sollen die langweiligen Jobs übernehmen – der Mensch soll aufgewertet, nicht verdrängt werden. Verpacken, Lagern, Ausliefern – diese Aufgaben automatisiert JD.com bereits heute. Dennoch sagt Liu, dass künftig weniger Menschen bei JD.com arbeiten werden – aber besser ausgebildete, besser bezahlte und strategisch wichtigere.

„Menschen sollten nicht mit Maschinen konkurrieren. Maschinen übernehmen monotone Arbeiten – Menschen können sich auf kreative, strategische Aufgaben konzentrieren.“

Das heißt: Wir Menschen können uns in den Unternehmen der Zukunft auf das konzentrieren, was wir wirklich gut können. Nur – wissen wir überhaupt, was das ist? Bis heute haben viele nicht erkannt, was sie besser können als Maschinen. Und währenddessen überholt uns die KI in immer mehr Bereichen.

Der Mensch und die Maschine werden Kollegen

Viele klassische Aufgaben werden in den nächsten Jahren verschwinden. Laut OECD könnten 14 % der Jobs automatisiert werden, 32 % sich stark verändern. Bleiben werden Tätigkeiten, in denen menschliche Bedeutungskompetenz zählt: Führung, Problemlösung, Kundenbeziehung.

Organisationen, die das verstehen, entwickeln ihre Mitarbeitenden nicht zu Maschinenbedienern, sondern zu Systemgestaltern. Denn während Maschinen handeln, müssen Menschen priorisieren, bewerten, deuten.

Führungskräfte führen nicht mehr Menschen bei der Arbeit – sondern Menschen im Zusammenspiel mit Systemen – Mensch und Maschine werden Kollegen. Dafür braucht es Prozessverständnis, digitale Souveränität – und psychologische Sicherheit. Und genau die fehlt nach meiner Erfahrung heute den meisten Führungskräften.

Der Mensch steht im Wettbewerb mit der KI

Richard Liu betont immer wieder, dass Maschinen zwar effizient sind – aber nicht empathisch. Das klingt banal, ist aber zentral. Vertrauen, Loyalität und Kaufentscheidungen basieren auf Resonanz – nicht nur auf Preis.

Laut Gallup verlieren Unternehmen weltweit jährlich über 8 Billionen US-Dollar durch mangelndes Mitarbeiterengagement – das entspricht fast 9 % des globalen BIP.

In einer hochautomatisierten Welt wird der Mensch nicht unwichtiger – sondern sichtbarer. Jeder Kundenkontakt wird zur Vertrauensprüfung. Zuhören, Einfühlen, Authentizität – das sind die wahren Wertschöpfungstreiber. Wenn das aber ein KI-gesteuerter Algorithmus besser kann als ein menschlicher Berater, wird dieser Berater in einem Unternehmen keinen Platz mehr haben.

Weniger Menschen – aber anspruchsvollere Rollen

JD.com folgt dem Effizienzprinzip eines jeden guten Managements: mit möglichst wenig Ressourcen maximale Wirkung erzielen. Weniger Personal heißt dort nicht weniger Bedeutung – sondern höhere Anforderungen.

Die verbleibenden Mitarbeitenden steuern KI-Systeme, analysieren Daten, gestalten Prozesse. Das verlangt neue HR-Modelle: kontinuierliche Weiterentwicklung statt einmaliger Schulungen, flexible Kompetenzmatrizen statt starrer Karrierepfade.

Psychologisch birgt das Chancen – aber auch Risiken. Wird der Veränderungsdruck zu hoch, ohne Sinnstiftung, entsteht chronischer Stress. Unternehmen, die nur technisch automatisieren, verlieren Menschen – die, die sie kulturell mitnehmen, gewinnen Kraft.

Der Mensch bleibt – aber er muss sich neu definieren

Die Idee eines Unternehmens ohne Menschen ist kein Angriff auf den Menschen – sondern auf unser altes Arbeitsverständnis. Dies wird unsere Vorstellung von Arbeit so stark verändern wie einst die Sesshaftwerdung des Menschen.

Ich bin überzeugt, dass der Mensch bleibt – und so wichtig sein wird wie nie zuvor. Aber eben dort, wo er wirklich den Unterschied macht.

Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeitende müssen sich deswegen jetzt dringend folgende Fragen beantworten:

Was kann der Mensch besser als die KI – und wo bringt er im Unternehmen echten Mehrwert?

Nicht jede menschliche Tätigkeit ist noch zukunftsfähig. Führungskräfte müssen genau analysieren, welche Rollen durch kreative Intelligenz, Empathie, Urteilsvermögen oder moralische Abwägung unersetzlich sind – und wie man Mitarbeitende gezielt dorthin entwickelt. Es braucht deswegen ein komplett neues Führungsverständnis.

Was ist Leistung wirklich – in einer Welt, in der Arbeitszeit keine Messgröße mehr ist?

Wenn Maschinen effizienter sind und Menschen durch Wirkung überzeugen müssen, braucht es neue Metriken. Leistung definiert sich künftig über Problemlösung, Kreativität, Innovation – nicht über Anwesenheit oder Verwaltungsroutinen.

Wie gestalten wir ein optimales Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine – statt sie gegeneinander auszuspielen?

Die Zukunft gehört nicht der Technologie allein, sondern der intelligenten Kopplung von KI-Systemen und menschlicher Entscheidungsfähigkeit.

Und letztlich lautet immer die zentrale Frage: Wie weit wollen wir gehen – und wer wollen wir dabei sein?

Wer sich diese Fragen nicht beantwortet, wird in einigen Jahren von Wettbewerbern verdrängt, die diese Antworten für sich bereits gefunden haben.

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  • Kishor Sridhar

    Bildquelle: Kishor Sridhar

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