Trump stellt das Schweizer Geschäftsmodell auf die Probe
US-Präsident Donald Trump hält die Welt mit seiner Zollpolitik weiter in Atem. Anfang August haben die Vereinigten Staaten ihre Zölle für eine Reihe von Ländern deutlich erhöht. Während die Europäische Union – und damit auch Deutschland – mit einem Zollsatz von 15 Prozent vergleichsweise glimpflich davongekommen ist, wurde die Schweiz besonders heftig getroffen. Seit Anfang August gilt ein Zollsatz von 39 Prozent, der von amerikanischer Seite mit dem hohen Handelsbilanzdefizit gegenüber der Schweiz begründet wird.
Pharmazeutische Produkte, die mehr als die Hälfte dazu beitragen, sind zumindest vorläufig ausgenommen. Die US-Regierung hat aber deutlich gemacht, dass sie von der Pharmabranche mehr Investitionen und Produktion in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus auch Preissenkungen für Medikamente erwartet. Man muss also befürchten, dass der Produktionsstandort Schweiz für die Pharmabranche an Bedeutung verlieren könnte.
Das Geschäftsmodell der Schweiz muss sich nun beweisen
Eine Beruhigung der Situation und eine Senkung der Zölle sind zwar jederzeit möglich. Aber klar ist: In Zeiten weltpolitischer Turbulenzen kann jedes Land von unberechenbaren Entwicklungen getroffen werden. Das Geschäftsmodell eines Landes, das gut zu funktionieren scheint, wird plötzlich in Frage gestellt. Das hat mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der darauffolgenden Energiepreiskrise auch Deutschland erlebt.
In den vergangenen Jahren basierte der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz zu einem bedeutenden Teil auf der Pharmabranche und deren boomenden Exporten in die Vereinigten Staaten. Der übrige Teil der Schweizer Wirtschaft hat zuletzt lediglich eine moderate Dynamik entfaltet, die nur wenig besser war als die Entwicklung der deutschen Wirtschaft. Wie in Deutschland und ganz Europa gibt es in der Schweiz zu wenige neue Unternehmen, die stark wachsen und die Wirtschaft dynamischer machen.
Über Guido Baldi
Guido Baldi ist Gastwissenschaftler in der Abteilung Makroökonomie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Dozent an der Universität Bern.
Der Schweizer Börsen-Index hält zunächst Stand
Vorerst sind in der Schweiz wie auch in Deutschland vor allem kleinere und mittlere Unternehmen von den höheren Zöllen betroffen. Großunternehmen können den US-Markt oft aus anderen Ländern oder den USA selbst bedienen. So haben manche Schweizer Unternehmen angekündigt, den amerikanischen Markt eventuell vermehrt von deutschen Produktionsstätten aus bedienen zu wollen.
Der Leitindex der Schweizer Börse, der die Großunternehmen umfasst, hat sich auch darum gut gehalten. Beim Wachstum der gesamten Schweizer Volkswirtschaft ist vorerst dennoch weniger Dynamik zu erwarten, wenngleich eine Rezession aus heutiger Sicht unwahrscheinlich ist. Für den mit der Schweizer Wirtschaft eng verflochtenen süddeutschen Raum sind somit nur leicht negative Auswirkungen zu erwarten.
Innovationskraft macht die Schweizer Wirtschaft resilient
Strukturell zumindest hat die Schweiz gute Voraussetzungen, um auch bei permanent hohen US-Zöllen keine dramatische Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage befürchten zu müssen. Internationale Spitzenuniversitäten, ein gutes Bildungssystem und forschungsstarke Unternehmen sorgen für eine hohe Innovationskraft. Die Unternehmen zeigen immer wieder eine hohe Anpassungsfähigkeit, die Infrastruktur befindet sich in einem soliden Zustand und die öffentliche Verschuldung ist gering.
Solche Faktoren helfen einem Land, wirtschaftlich resilient zu sein. Diese Resilienz – also die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, ein negatives Ereignis glimpflich zu überstehen und zu stabilem Wachstum zurückzufinden – ist gerade in unruhigen Zeiten ein Erfolgsfaktor. Auch die Corona-Pandemie und zuvor die Finanzkrise hat die Schweiz wirtschaftlich alles in allem gut überstanden.
Den europäischen Markt stärken
Man kann also trotz dieses Zollschocks vorsichtig optimistisch sein, dass die Schweiz auch dieses Mal glimpflich davonkommen wird. Die wirtschaftliche Resilienz der Schweiz ist aber nicht unbegrenzt. Auch darum sollte man sich möglichst wenige instabile Beziehungen zu wichtigen Partnern erlauben und nun wenigstens das Verhältnis mit der Europäischen Union rasch verbessern. Davon würden sowohl die Schweiz als auch Deutschland und der übrige Teil Europas profitieren. Der Wert des gemeinsamen europäischen Markts mit verlässlichen Regeln zeigt sich gerade in solch turbulenten Zeiten.