Auf Putin-Linie: Interview des Trump-Sondergesandten lässt Ukraine sprachlos zurück
In einem Interview mit dem rechtsextremen Moderator Tucker Carlson stellt sich der Ukraine-Sondergesandte Witkoff mehrfach auf Russlands Standpunkt.
Washington D.C. – Der ehemalige Fox News-Moderator Tucker Carlson zählt zu den von Donald Trump am meisten geschätzten Journalisten. Carlson war bereits Moderator im russischen Staats-TV und teilt in vielen Punkten die Meinung und Sicht auf die Welt von Wladimir Putin. In der Tucker-Carlson-Show, die in den USA unter anderem auf YouTube abrufbar ist, führte er jetzt ein Interview mit dem US-Sondergesandten für die Ukraine, Steve Witkoff, in dem sich die beiden durchgängig einig sind. Einige der Aussagen Witkoffs stoßen nicht nur in der Ukraine auf blankes Entsetzen.
Im Zentrum steht eine Aussage, die Witkoff gegen Ende des Interviews tätigte: „Ich glaube, das größte Problem in diesem Konflikt sind die vier Regionen: Donbass, die Krim, Luhansk, … Sie kennen die Namen“, sagt er, ohne als Sondergesandter die vier besetzten Gebiete in der Ukraine zu benennen. „Und es gibt noch zwei andere. Die sind russischsprachig, und sie hatten Referenden, wo die große Mehrheit der Leute angegeben hat, dass sie von Russland regiert werden will. Und ich denke, das ist der Kern des Problems.“
Der Trump-Sondergesandte Steve Witkoff macht sich Russlands Argument zu eigen
Die USA seien dabei, dieses Problem zu lösen und es gebe sehr positive Gespräche dazu. Russland kontrolliere die Regionen ja auch, meint Carlson, Witkoff beipflichtend. Sie seien aus russischer Perspektive bereits ein Teil von Russland. „Das ist korrekt. Und das war schon immer das Problem“, meint Witkoff. Es müsse noch viel geklärt werden. Ein weiterer Punkt sei, ob der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj es politisch überleben würde, wenn er dies zugibt.
Nicht nur in diesem Moment des Interviews ist Witkoff anzusehen, dass er sich ganz darauf verlässt, auch bei einem Aussetzer von seinem Gegenüber Carlson nicht kritisch befragt zu werden. Das Gespräch der beiden läuft weiter, ohne dass die besetzten Regionen korrekt benannt sind.
Aktuell sind in der Ukraine die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischja und Cherson teilweise von Russland besetzt, die Krim ist dies bereits seit 2014 – als Russland während der Winterspiele in Sotschi die Krim besetzen ließ. Die Referenden hatte Russland in Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischja abhalten lassen. Sie werden aufgrund der undemokratischen Vorgehensweise Scheinreferenden genannt und sind international nicht anerkannt.
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Die von Witkoff angesprochenen Referenden hatten während des Krieges zwischen Russland und der Ukraine in den von Russland besetzten und vom Krieg zerstörten Regionen stattgefunden. Viele der Bewohner waren bereits vor dem Krieg – und damit vor Russland - geflüchtet. Die noch in der Regionen Lebenden konnten sich nicht frei über die Referenden äußern, aus Angst vor Gewalt durch die russischen Besatzer. Es gibt aber Berichte, wonach die Menschen gezwungen wurden, an den Referenden teilzunehmen und sich für Russland auszusprechen – sodass der Anteil der tatsächlich für Russland votierenden Bevölkerung weitaus geringer sein dürfte.
All dies wird nun vom Sonderbeauftragten der bisher für Demokratie einstehenden USA nicht angesprochen. Und es wird auch - so auffällig, dass sich auch viele Kommentare unter dem Video um dieses Thema drehen - journalistisch nicht von Tucker Carlson eingeordnet.
Entsetzen in der Ukraine: „Fest der glänzenden außenpolitischen Idiotie“
In der Ukraine herrscht Entsetzen über die Aussagen von Witkoff zu den vier besetzten Regionen – die immerhin wenige Tage vor Verhandlungen um einen Waffenstillstand zwischen der Ukraine und Russland getätigt wurden. Die Gespräche in Saudia-Arabien werden von den USA moderiert.
„Es ist schwer bis unmöglich, politisch inkompetenter zu sein als Donald Trump. Steve Witkoff befindet sich aber zumindest definitiv im gleichen Inkompetenzbereich. Sein Interview mit Carlson ist wirklich ein atemberaubendes Fest der glänzenden außenpolitischen Idiotie“, schreibt der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy auf X. Und in einem weiteren Post: „Es mag banal klingen, muss aber wiederholt werden: Nicht mal die Russen selbst glauben im Ernst, es habe in den besetzten ukrainischen Gebieten echte Referenden gegeben, bei denen die Menschen irgendeine Wahl hatten. Es ist tatsächlich Wahnsinn.“
Steve Witkoff im Gepräch mit Tucker-Carlson: Ukraine wirft ihm Russland-Nähe vor
„Wir wollen, dass Russland bis zu einem gewissen Punkt zufrieden ist, wir wollen, dass die Ukraine bis zu einem gewissen Punkt zufrieden ist. Und wir reden mit den Europäern“, meint Witkoff zwar. An einem anderen Punkt rühmt er sich aber einer Dominanz über Wladimir Putin, die für westliche Beobachter schlicht nicht zutreffend ist: „Ich denke, wir haben Russland bereits auf eine Art in Bewegung gesetzt, die nie jemand für möglich gehalten hätte“, meint er, Bezug nehmend auf die 30-tägige Pause in Angriffen auf Energieinfrastruktur in der Ukraine und Russland. Beobachter hatten danach vielfach geurteilt, Trump habe sich von Putin einnehmen lassen.
Auch gilt das Zugeständnis Russlands für viele Beobachter nicht so viel, weil auch die Ukraine zuletzt erfolgreich russische Energieinfrastruktur angegriffen hatte. Das ukrainische Medienportal RBC Ukraine stellt außerdem fest, dass Witkoff ziemlich alleine da steht mit seiner Einschätzung, Russland werde einlenken. Das letzte Kreml-Statement nach dem Telefonat zwischen Putin und Trump hatte Bedingungen enthalten, die einen Waffenstillstand für die Ukraine mehr oder minder unmöglich machen, weil sie einem Aufgeben ohne weitere Möglichkeiten der Verteidigung gleichkämen.
Witkoff über vertrauliches Gespräch zwischen Putin und ihm
Das letztendliche Ziel sei ein Waffenstillstand für 30 Tage, währenddessen man einen permanenten Waffenstillstand diskutieren werde, so Witkoff nämlich im Gespräch mit Carlson. „Wir sind nicht weit davon entfernt. Aber wir müssen jetzt herausfinden, was die Bedingungen auf dem Schlachtfeld sind.“ Die seien nämlich an den „50, 60, 70 oder 80 Kampfgebieten“ entlang der 2000 Kilometer langen Grenze sehr unterschiedlich.
Wieder einmal stellt er dann seine Nähe zu Putin dar, indem er von einem vertraulichen Gespräch berichtet: „Putin hat mich in einer Besprechung gefragt: ‚Was mache ich, wenn ich in einer bestimmten Region die Menschen eingekesselt habe, sie aber nicht aufgeben wollen? Töte ich sie alle? Wie kriege ich sie dazu, aufzugeben, Steve? Ich bin froh, wenn ich nicht alle töten muss.‘“
Das osteuropäische Nachhrichtenportal nexta TV kommentiert auf X: Die USA haben nun mehr pro-russische Narrative als Russland selbst. Das Interview sei „schockierend“, weil es in vielen Punkten Unwissenheit Witkoffs enthüllt. Außerdem habe Witkoff erwähnt, dass Putin für Trump „als Freund“ nach dem Attentatsversuch auf Trump gebetet habe. Widerspruch oder Einordnung kommt von Witkoff auch an dem Punkt nicht, an dem der rechtsextreme Moderator Carlson dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die politische Legitimität abspricht. (kat)