Storchenspaziergang: In Raisting fühlt sich Meister Adebar besonders wohl

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Iffi Fritsche und Wolfgang Bechtel sind die Weißstorch-Betreuer für Raisting. Auf ihrer Führung kamen sie auch am Horst auf dem Kamin der Grundschule vorbei, wo das Jungtier mit offenem Schnabel auf Futter wartete. © Roettig

Von den 67 im Landkreis Weilheim-Schongau nistenden Storchenpaaren scheint sich mehr als die Hälfte in Raisting besonders wohlzufühlen. 35 Brutpaare und damit die größte Kolonie in der Region hat Wolfgang Bechtel, Weißstorch-Betreuer vom Bayerischen Landesbund für Vogel- und Naturschutz, im Antennendorf gezählt.

Raisting – Wer derzeit durch Raisting fährt, kann die im ruhigen Segelflug am Himmel kreisenden Riesenvögel sowie die zum Teil mächtigen Horste auf Hausdächern, Kaminen, Masten oder Bäumen nicht übersehen. In der Regel thront ein Storch darin und bewacht den Nachwuchs, während die Partnerin oder der Partner auf Nahrungssuche ist. Dass man bei Störchen Weiblein und Männlein nicht unterscheiden kann, war nur eine von vielen für Laien interessanten Informationen, die Wolfgang Bechtel und Iffi Fritsche bei einem Storchenspaziergang durch Raisting zum Besten gaben. Immerhin drei Dutzend Storchen-Fans hatten sich den Weißstorch-Betreuern angeschlossen. Schließlich hat der charismatische Klapperstorch eine hohe Symbolkraft, gilt als Glücksbote und überbringt in der deutschen Folklore sogar die Babys.

Als Begründer der Raistinger Storchenkolonie gilt der inzwischen verstorbene „Raisti“, der vor 21 Jahren aus dem Straßburger Zoo ausgebüxt ist und sich für ein freies Leben ausgerechnet Raisting ausgesucht hat, wohin sich auch seine spätere Partnerin verirrte, die man „Rosita“ nannte. Vielleicht Raisting, weil es rundherum überschaubare Grünlandschaften mit saftigen Wiesen, Weiden und Gewässer gibt, ideal für ihren Speiseplan mit Fröschen, Mäusen, Regenwürmern und Insekten wie etwa Heuschrecken? Milde Temperaturen und wenig Niederschlag hier sind zudem für das Überleben der Jungtiere wichtig. Die Schutzgemeinschaft Ammersee war über „Raisti“ so happy, dass sie Nisthilfen aufgestellt und damit die Storchzuwanderung beschleunigt hat.

Flügge nach Monaten

Drei bis fünf Eier legen die Weibchen nach der Paarung, wobei sich die Eltern beim Brüten abwechseln. Auch während der ersten Lebensmonate werden die Jungen ständig vom einem Altvogel bewacht. Nach 70 bis 80 Tagen sind sie flügge und beginnen selbstständig zu werden.

Inzwischen wächst nicht nur im Pfaffenwinkel die Storchpopulation, sondern mit derzeit 1.400 Brutpaaren in ganz Bayern, wo das Klima wärmer und trockener wird. Damit steht der Weißstorch nicht mehr auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Arten. Gefährdet seien die Störche laut Iffi Fritsche aber durch den vielen Plastikabfall in der Umwelt. Ein Storch könne nicht unterscheiden zwischen Regenwürmern und „Gummiwürmern“. Also schluckt er das vermeintliche Futter und würgt es mit dem Nahrungsbrei in den Schnabel der Jungen. Es könne im schlimmsten Fall vorkommen, dass Jungtiere mit vollem Magen verhungern.

Darauf hofft man nicht im Raisting, wo inzwischen rund 120 Jungtiere geschlüpft sind, von denen einige bald beringt werden. Damit kann man künftig ihre Reiserouten verfolgen und das Alter bestimmen. Immerhin werden Weißstörche teils über 30 Jahre alt. Die Frage, wie das Beringen im Horst abläuft, klärte Wolfgang Bechtel auf: „Die Alten schauen aus sicherer Entfernung zu, während sich die Jungen mit ihrem instinktiven Schutzverhalten tot stellen und das Beringen über sich ergehen lassen.“

Regierung genehmigt

Nicht alle Raistinger sind glücklich über die vielen Brutpaare. Vor allem, wenn sich ein Horst auf dem eigenen Dach oder Kamin befindet. Der Kot ist kaum wasserlöslich und schwer zu entfernen, Äste und Gewölle verstopfen die Dachrinnen. Dazu kommt das Geklappere der Vogeleltern und das Piepen der hungrigen Jungtiere. Wer seinen Horst unbedingt loswerden möchte, muss bei der Regierung von Oberbayern eine Genehmigung beantragen. Sitzt der Horst allerdings auf einem Gasheizungskamin, sorgt der Schornsteinfeger für das Okay.

Der Lehrstunde über Störche folgte ein Spaziergang mit vielen weiteren Informationen zu besonders gut einsehbaren Horsten in Raisting.

Wolfgang Bechtel und Iffi Fritsche wiederholen ihre Führung am Samstag, 7. Juni, um 15 Uhr ab dem Treffpunkt beim Bahnhof. Die Teilnahme ist kostenlos, allerdings ist eine Anmeldung erforderlich unter info.storch.gap@lbv.de

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