Söder macht Wahlkampf bei „Hart aber Fair“: „Haben die ähnlichen Ansichten“
Es war zu befürchten: Das komplexe Thema der Sendung droht das Format von „Hart aber Fair“ zu sprengen. Und genau das passiert dann.
Köln – Beim Thema von „Hart aber Fair“ am 29. April ahnte man es schon: „Rechtsruck oder Kurs der Mitte: Soll Deutschland konservativer werden?“ ließ Louis Klamroth diskutieren. Und es kam, wie es kommen musste. Der Moderator führte – mal mehr, meistens weniger – durch eine chaotische Sendung, verfehlte das Thema und ließ die meisten Gäste ausgiebig Wahlkampf betreiben.
Ein wenig konnte man sich bei „Hart aber Fair“ zu Beginn fühlen wie bei Caren Miosga. Louis Klamroth stieg nicht gleich in die Diskussion mit den Studiogästen ein, sondern stellte ein längeres Gespräch mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder voran, das schon letzte Woche geführt wurde. Entspannt beantworte Söder Klamroths butterweiche Fragen, zeigte sich sogar überzeugt, dass die Gefahr durch die AfD überschätzt sei, denn die Nazi-Elemente der AfD nehmen laut Söder zu, das würden auch die Wähler merken.
Zusammen mit den Skandalen um Mitarbeiter, die für China und Russland arbeiten, glaubt Söder nicht, dass die drei Wahlen im Herbst ein Desaster für die demokratischen Parteien werden. Grundsätzlich gelte nach der Wahl in Thüringen jedoch: Man müsse die CDU, man müsse Voigt unterstützen, um Höcke zu verhindern. So einfach werden es die anderen Parteien der CDU sicher nicht machen. Dass der CDU-Kanzlerkandidat im nächsten Jahr mit weniger Drama ernannt wird als vor drei Jahren, zeigte sich Söder überzeugt. Einen Machtkampf mit Merz soll es laut Söder nicht geben, denn „wir haben die ähnlichen Ansichten und auch die Überzeugung, dass es einen Machtwechsel braucht.“
Sahra Wagenknecht mit den üblichen Parolen
Davon ist auch Sahra Wagenknecht überzeugt, die bei Louis Klamroth wie so oft zu einer Polemik gegen die Ampel-Koalition ansetzte: „Die Ampel ist die schlechteste Regierung, die dieses Land jemals hatte.“ Immerhin: Schlimmer wäre laut Wagenknecht jedoch eine Koalition zwischen einem CDU-Kanzler Friedrich Merz und den Grünen.
Auch Juso-Chef Philipp Tümer lederte los und sprach Friedrich Merz jegliche Regierungsfähigkeit ab. Bevor es zu so etwas wie einer Diskussion über die eigentliche Frage der Sendung kommen konnte, war schließlich noch CDU-Mann Mario Voigt an der Reihe. Auch er bekam von Louis Klamroth viel Zeit, sich über die Unfähigkeit der Ampel-Regierung auszulassen. Wie so oft folgte der Moderator einem offenbar penibel ausgearbeiteten Drehbuch, stellte gezielte Fragen, die erwartbare Antworten hervorbrachten, um dann sofort zum nächsten Gast überzugehen. Nachfragen oder Vertiefungen fanden kaum statt, zumindest noch nicht.
Endlich zum eigentlichen Thema der Sendung
Irgendwann kam dann der Islam, die Migration, die Integration zur Sprache. Söder hatte sich im Gespräch mit Louis Klamroth gewohnt ausweichend geäußert und gesagt, der Islam sei zwar Teil der Realität Deutschlands, gehört allerdings nicht so sehr zu diesem Land, wie etwa die Weißwurst zu Bayern. Was Söder zur Demonstration in Hamburg dachte, hätte man gerne erfahren, war aber durch die zeitlich Abfolge nicht möglich.
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Islamisten-Demo in Hamburg richtig einordnen
Die Forderung radikaler Islamisten nach dem Kalifat hat den Ruf nach härterem Vorgehen wieder laut werden lassen. Dennoch wollte sich die Publizistin Khola Maryam Hübsch nicht deutlich von dem Aufmarsch distanzieren und forderte stattdessen, ihn richtig einzuordnen: Nur ein winziger Teil der Muslime in Deutschland seien radikal, die breite Masse aber friedlich.
„Hart aber Fair“ vom 29. April 2024 | Die Gäste der Sendung |
Mario Voigt | CDU-Politiker |
Sahra Wagenknecht | Politikerin, BSW |
Philipp Türmer | Juso-Vorsitzender |
Enissa Amani | Künstlerin und Aktivistin |
Robin Alexander | Journalist |
Khola Maryam Hübsch\t | Publizistin |
Auch die Forderung nach der Scharia müsse man differenzieren, bzw. darauf hinweisen, dass der Begriff der Scharia in der islamischen Welt ganz gewöhnliche Dinge wie den Besuch der Moschee beschreibt. Er verlangt auch, dass sich Muslime an die Gesetze des Landes halten müssen, in dem sie leben. Diesen Aspekt der Scharia müssten demnach auch CDU-Politiker eigentlich unterschreiben können.
Gut zwei Drittel von „Hart aber Fair“ waren da schon vergangen, an der eigentlichen Fragestellung der Sendung ging die diesmal besonders konfuse Diskussion weiter vorbei. Was auch an den viel zu vielen Gästen lag, die zwangsläufig oftmals kaum zu Wort kamen.
„Hart aber Fair“: Diskussion im Keim erstickte
Die Schauspielerin und Aktivistin Enissa Amani etwa, die lange Zeit schweigen musste und dann nur mühsam zu stoppen war. Besonders empörte sie sich über den Begriff Leitkultur, der muslimische Deutsche angeblich ausschließen würde. Dass der Begriff, wie Robin Alexander ausführte, vom syrisch-deutschen Sozialwissenschaftler Bassam Tibi geprägt wurde und als Gegenmodell zum Begriff Parallelgesellschaft eingeführt wurde, führte die Sendung für einen kurzen Moment auf ein höheres intellektuelles Niveau. Doch der war nur von kurzer Dauer.
Besonders Tümer und Wagenknecht verloren sich immer wieder im bloßen Wiederholen von Parteiprogrammpositionen, agierten quasi im Wahlkampfmodus, was eine auch nur im Ansatz komplexe Diskussion immer wieder im Keim erstickte.
Was allerdings vor allem auch an der seltsamen Gesprächsführung Louis Klamroth lag, der immer wieder nach apodiktischen Antworten auf Fragen hoffte, die kein Politiker zu diesem Zeitpunkt klar beantworten kann und will: Welche Koalition nach der Thüringen-Wahl angestrebt ist etwa, mit wem man gerne koalieren würde und mit wem nicht. Nach zähen 70 Minuten endete schließlich eine bemerkenswert konfuse „Hart aber Fair“ -Sendung – ohne dass die eigentliche Fragestellung ernsthaft gestreift wurde. (Michael Meyns)