Solarstrom kostet Milliarden: Forderung nach Strafzahlungen für Einspeiser
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VonAmy Walkerschließen
Der Anstieg der Solarstrom-Einspeisungen führt zu enormen Kosten durch die Förderung. Es gibt aber Ideen, wie man das Problem lösen kann. Eine ist besonders umstritten.
München – In Deutschland warnen die Netzbetreiber vor steigenden Kosten für die Einspeisevergütung, zu der sie gesetzlich verpflichtet sind. Sie rechnen allein in diesem Jahr mit Ausgaben in Höhe von 20 Milliarden Euro. Sollten die Netzbetreiber diese Summe nicht aufbringen können, muss der Bund die Differenz begleichen. Bis Juli 2024 hat die Bundesregierung aus diesem Grund bereits elf Milliarden Euro an die Netzbetreiber ausgezahlt, von insgesamt zwölf Milliarden Euro, die als Einspeisevergütung fällig wurden.
Zu viel Solarstrom – wie sinnvoll ist die Förderung durch die EEG-Vergütung?
Experten sind der Meinung, dass die EEG-Vergütung abgeschafft werden muss, da zu viel Solarstrom produziert wird. Sie prognostizieren, dass diese enorme Summe in den kommenden Jahren weiter ansteigen wird. Christof Bauer, Energieökonom an der TU Darmstadt, erklärte gegenüber IPPEN.MEDIA, dass ohne drastische Änderungen in den Fördermechanismen ab 2026 mit Kosten von mindestens 30 Milliarden Euro zu rechnen sei. Dies liegt an der zunehmenden Anzahl von Stunden, in denen die Stromproduktion den Verbrauch übersteigt und immer mehr Menschen Strom ins Netz einspeisen. Die Vergütung muss unabhängig vom Wert des Stroms gezahlt werden.
Es wird daher bereits diskutiert, die EEG-Förderung so schnell wie möglich zu beenden. Dies fordern neben Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) auch Ökostromanbieter und Solarzellenverkäufer. Eine dieser Stimmen ist Sarah Müller, Geschäftsführerin des Solaranlagen-Anbieters Zolar.
„Heute, in Zeiten, in denen Solarzellen absolut marktfähig sind und in der Regel die günstigste Energiequelle darstellen, brauchen wir dieses veraltetes Instrument der EEG-Förderung nicht“, sagt Müller im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Die Regulatorik und das, was jetzt gerade aus Marktsicht sinnvoll wäre, widersprechen sich“. Sie fordert, dass das Einspeisen von Solarstrom zu Marktpreisen vergütet wird, um den Anreiz zu beseitigen, bei negativen Strompreisen einzuspeisen. Stattdessen würde dadurch der Verbrauch verschoben werden, um den Strom möglichst zu nutzen.
Die Zukunft von Solarstrom – „Es ist nicht praktikabel, aus Speichern einzuspeisen“
Eine Alternative wäre, den Solarstrom nicht ins Netz einzuspeisen, sondern in einem Batteriespeicher zu lagern. Dieser könnte dann abgerufen werden, wenn mehr Strom benötigt wird. Sarah Müller befürwortet eine Maximierung dieser Kapazitäten. „90 Prozent unserer Kunden kaufen heute eine PV-Anlage mit Speicher“, erklärt sie. Doch auch diese Speicher sind irgendwann voll und speisen dann wieder ins Netz ein. Es ist also nur eine Teillösung des Problems.
Weitere kleinere Lösungsansätze könnten die Förderung der E-Mobilität sein, da Elektroautos ebenfalls als Speicher dienen können und theoretisch den Strom auch wieder an das Haus abgeben könnten. Bei diesem sogenannten bidirektionalen Laden gibt es jedoch noch eine Regulierungslücke, die das Speichern von Strom im E-Auto für die spätere Nutzung praktisch unmöglich macht.
Sarah Müller kritisiert zudem: „Es ist regulatorisch aktuell so, dass es nicht praktikabel ist, aus Speichern einzuspeisen. Ich speichere entweder oder ich speise ein“. Dies macht es beispielsweise unmöglich, gespeicherten Solarstrom am Abend ins Netz einzuspeisen, wenn der Verbrauch wieder steigt und der Anteil der erneuerbaren Energien sinkt (weil nachts keine Sonne scheint).
Wenn man dann auch noch zu Marktpreisen einspeisen würde, dann würden mehr Menschen ihren tagsüber produzierten Strom abends oder frühmorgens ins Netz geben und so den Anteil Erneuerbarer am Strommix in Zeiten der „Dunkelflaute“ erhöhen.
Batterien können keinen wesentlichen Beitrag leisten – Wo speichern wir Solarstrom?
Eine Anpassung dieser Regulierung könnte eine Lösung sein. Aber was wäre, wenn die Netzbetreiber den überschüssigen Strom in riesigen Speichern lagern würden? Christof Bauer wurde diese Frage in der Sendung Wirtschaft vor acht im Ersten gestellt. Seine Antwort: „Wenn es keine technische Revolution gibt – auf die kann man hoffen, aber auf die sollte man nicht bauen – dann geht das sicherlich nicht in dem benötigten Umfang.“
Er gibt ein Beispiel: Um den aktuell produzierten Überschuss von 10.000 Megawatt für eine Stunde zu speichern, bräuchte es eine Batterie, die fünf Milliarden Euro kosten würde und „eine Fläche von 4000 Fußballfeldern in Anspruch nehmen würde“. Die für diese Batterie benötigte Menge an Lithium würde etwa einem Prozent der weltweiten Jahresproduktion entsprechen. Es ist offensichtlich, dass Batterien in den nächsten Jahren keinen wesentlichen Beitrag zur Lösung des Problems leisten können.
„Brauchen Pönale fürs Einspeisen“ – Solarstrom braucht mehr Smart Meter
Christof Bauer schlägt vor, Besitzer von Solaranlagen finanziell oder technisch vom Einspeisen zu Zeiten negativer Strompreise abzuhalten. „Wir brauchen eine Pönale fürs Einspeisen“, sagt er. Und der weitere Zubau müsse seiner Meinung nach im Einklang mit dem Ausbau der Infrastruktur erfolgen.
„Wir kriegen den Strom aktuell nicht dorthin, wo wir ihn brauchen. Wenn der Wind im Norden weht, bekommen wir die Strommengen aufgrund von Leitungsengpässen noch nicht in den Süden, wo er gebraucht wird. Der Zubau von Windkraft im Norden der Republik muss synchronisiert werden mit der Verfügbarkeit zusätzlicher Übertragungskapazitäten. Das Prinzip ‚Viel hilft viel‘ führt uns weiter in Richtung Destabilisierung“, so seine Einschätzung.
Sein zweiter Vorschlag: „Alle weiteren Anlagen, die Strom ins Netz einspeisen, müssen einen Smart Meter bekommen. Damit könnten dann einem Einspeiser bei negativen Strompreisen die entsprechenden Kosten belastet werden. Das würde dann ganz schnell dazu führen, dass bereits bei der Installation die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, dass in solchen Zeiten eine Einspeisung unterbleibt.“
„Debatte über Strafzahlungen für Produktion von Solarstrom gefährdet Solarausbau“
Allerdings hat der Roll-out der Smart Meter in Deutschland noch nicht wirklich begonnen. Unterschiedlichen Untersuchungen zufolge sind hierzulande weniger als ein Prozent der Haushalte mit diesen Stromzählern ausgestattet. Zum Vergleich: In Nachbarländern wie Norwegen, Schweden, Dänemark, aber auch Italien und Spanien liegt die Quote bei weit über 90 Prozent. Ab 2025 soll in Deutschland der Ausbau der Smart Meter vorankommen, bis 2030 sollen auch hier fast alle Haushalte ausgestattet sein.
Sarah Müller, Geschäftsführerin von Zolar, äußert sich zu den beiden Vorschlägen von Christof Bauer: „Wenn wir unser Ziel von 30 Gigawatt schaffen wollen, dann brauchen wir bis 2030 doppelt so viele Solaranlagen wie jetzt gerade in der Installation. Jetzt eine Debatte über Strafzahlungen für die Produktion von Solarstrom aufzumachen, würde das aus meiner Sicht gefährden.“
Sie stimmt dem zweiten Vorschlag grundsätzlich zu, fordert jedoch mehr Aufklärung über die Vorteile von Batteriespeichern. Besitzer von Anlagen ohne Speicher sollten dazu motiviert werden, solche Systeme zu nutzen. Wenn dann auch noch die Möglichkeit bestünde, gespeicherten Strom einzuspeisen, wäre viel gewonnen.
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