Schüler am Hildegardis-Gymnasium setzen sich für bessere Radinfrastruktur ein

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Es ist noch ein weiter weg bis zur „Velo-City“. Was man für den Radverkehr in Kempten tun kann, das besprachen Schülerinnen und Schüler des Hildegardis-Gymnasiums mit Experten auf dem Podium. Rechts das Moderationsteam, bestehend aus Josua Schmitz und Johanna Prestel. © Linus Nunner

Kempten – Wenig respektvolle Autofahrer, Geisterradler, die auf der falschen Radwegseite rollen oder Autos schneiden: Jeder hat schon einmal einen Konflikt zwischen Pedalisten und Automobilisten erlebt. Was es für ein besseres Miteinander auf den Straßen braucht und wie man mehr Menschen zum Radfahren animieren kann, das wollten kürzlich Kemptener Schülerinnen und Schüler des P-Seminars „Verkehrsträger Fahrrad“ am Hildegardis-Gymnasium wissen. Auf einer Podiumsdiskussion konfrontierten sie Politiker und Experten mit ihren kritischen Fragen.

Die drei Mädchen und sechs Jungen vom Hildegardis-Gymnasium haben sich drei Semester lang mit Kemptener Fahrradrouten aus den Stadtteilen ins Zentrum beschäftigt und sie nach den Kriterien „schnell“, „sicher“, „bequem“ analysiert. Das Ergebnis: Es gibt noch deutliches Verbesserungspotential.

Auch die Diskutanten auf dem Podium waren sich in dieser Frage weitgehend einig. Von plötzlich endenden Radwegen, mangelhaften Lösungen für Radfahrer, oder falsch platzierten Fahrradstraßen war die Rede.

Mehr Radinfrastruktur nicht mit der Brechstange durchsetzen

Warum verständigt sich der Stadtrat oftmals nur auf Minimallösungen für den Radverkehr, während die KfZ-Infrastruktur viele Millionen verschlingt? Diese Frage richteten die Schüler an Thomas Landerer, der für die Freien Wähler im Kemptener Stadtrat sitzt. Momentan nutzten einfach mehr Menschen den motorisierten Individualverkehr, erklärte er. Viele kleine Veränderungen hätten zumindest dazu geführt, dass „die Radfahrer jetzt in Kempten ankommen“. Alle wollten Verbesserungen für den Radverkehr, so Landerer, aber es sei noch „ein steiniger Weg“.

Kleine, aber auch und große Maßnahmen forderte dagegen Stefan Sommerfeld, Mobilitätsmanager in Kempten. Nötig sei jedoch auch ein „Umdenken in der Bevölkerung“. Das war von mehreren Seiten zu hören. Will man zum Beispiel wirklich bedeutsame Fahrradstraßen einrichten, seien das immer auch große Einschnitte für den Autoverkehr, sagte Grünen-Stadtrat Thomas Hartmann. „Dafür braucht man politische Mehrheiten.“

„Erlernte Mobilität“

Man muss „mit den Leuten ins Gespräch gehen und sie von den Vorteilen des Radverkehrs überzeugen“, fand auch Sommerfeld. Seine Erklärung für die Angst vor Veränderungen liegt in der Verkehrspolitik, die sich 60 Jahre lang auf das Auto konzentriert habe. Lange gepflegte Gewohnheiten ließen sich nicht so leicht aufgeben.

Schulleiter Markus Wenninger legt seinen täglichen Schulweg von zehn Kilometern mit dem Rad zurück: „Wenn ich will, dass mehr Schüler mit dem Rad kommen, brauche ich abschließbare Räume für die Helme und die wetterfeste Kleidung“, sagte er. Einen heißen Tipp dazu hatte da Lutz Bäucker, 1. Vorsitzender des ADFC-Kempten/Oberallgäu. Dessen Verband biete mit dem Zertifikat „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ Anreize, ebensolche Räume zu schaffen.

Für Thomas Zeh, Experte für Abstandsmessungen der Hochschule Kempten ist der Sicherheitsaspekt ein ganz wesentlicher: „Die Radfahrer haben ein deutlich erhöhtes Risiko im Vergleich zu KfZ-Fahrern!“, mahnte er. Für das subjektive Sicherheitsempfinden der Zweiradfahrer spiele der Überholabstand eine große Rolle, den Autos einzuhalten haben. Innerorts sind es seit dem Jahr 2020 mindestens 1,5 Meter, außerorts zwei Meter.

Gegenseitige Rücksichtnahme

Und gibt es nicht genügend Platz, „besteht ganz klar Überholverbot!“, betonte Sascha Albrecht vom Bayerischen Landesverband der Fahrschullehrer. Ihn konfrontierten die Schüler mit Berichten über Berufskollegen, die Hassgefühle gegenüber Radfahrern äußerten. Für so ein Verhalten zeigte Albrecht ganz und gar kein Verständnis. Um den Fahr-Neulingen die richtige Reaktion auch in schwierigen Situationen beizubringen, dabei helfen bald auch Fahrsimulatoren.

Landerer brachte Fahrsicherheitskurse für E-Bike-Fahrer ins Gespräch, fand aber auch, dass ältere Herrschaften hinterm Lenkrad sich neue Regeln aneignen müssten, wie etwa zu Fahrradstraßen. Eine Vorlage, die ADFC-Mann Bäucker gerne aufgriff: Er lud den Politiker zum Fahrsicherheitstraining bei seinem Verband ein.

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