Boxer, Bomber, Boote und kein Bares: Pistorius als Minister der Mangelwirtschaft

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Boris Pistorius kämpft gleichzeitig gegen Wladimir Putin und Donald Trump; und das mutterseelenallein: Der Kanzler und sein Haushälter bleiben stur.

Berlin – Christian Lindner (FDP) hat sich eingegraben. Der Bundesfinanzminister hält seine Position, um die Schuldenbremse zu verteidigen. Boris Pistorius (SPD) allerdings fährt jetzt ein schweres Kaliber auf – die Bild berichtet, im Verteidigungsministerium werde davon ausgegangen, dass im Haushalt rund sechs Milliarden Euro fehlen, um die geplante Modernisierung der Bundeswehr zu realisieren, beziehungsweise um der Nato die versprochenen Leistungen zu bieten: zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung. Jährlich. Laut Bild müsse der Verteidigungsetat um 4,5 bis 6 Milliarden Euro steigen, damit Deutschland auch 2025 das Nato-Ziel erreicht, nachdem dies in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten aufgrund des Sondervermögens gelungen ist.

Eine deutsche Delegation unter Führung von Pistorius bereist derzeit die skandinavischen Nato-Staaten Schweden, Norwegen und Finnland. Es geht einerseits um eine engere militärische Zusammenarbeit, zum anderen will sich Pistorius über die Wehrpflichtmodelle der skandinavischen Staaten informieren. Tatsächlich hat nicht nur der Ukraine-Krieg zu Rissen in der Ampel-Koalition geführt, auch die anstehende Präsidentschaftswahl in den USA könnte die Einheit der Regierung bedrohen. Die Nato muss sich jetzt auch verteidigen gegen Donald Trump, der immer deutlicher als republikanischer Herausforderer des amtierenden Präsidenten Joe Biden hervorsticht und die Nato verlassen will, sollten deren Wehretats zu niedrig bleiben.

Nächstes Projekt über Wasser: Deutschland und Norwegen planen neue Fregatten-Klasse

Knapp 20 Milliarden Euro sind in diesem Jahr aus dem Sondervermögen nötig, damit Deutschland die von der Nato geforderte Quote erreicht. Wahrscheinlich wird das in den kommenden Jahren mehr werden, sollte die deutsche Wirtschaft und damit auch das Bruttoinlandsprodukt wachsen. In Norwegen sprach sich Pistorius dazu bereits für das nächste Projekt der Bundeswehr aus: die Fregatte 127, die Deutschland zusammen mit Norwegen bauen will.

Laut dem militärpolitischen Blog hartpunkt plant Deutschland, innerhalb der kommenden zehn Jahre bis zu sechs Schiffe des Typs F127 zu beschaffen, die die Fregatten der Sachsen-Klasse ersetzen sollen und besonders auf die Luftverteidigung ausgelegt sein werden. Die zukünftigen Fregatten sollen auch für die Abwehr ballistischer Flugkörper ausgerichtet sein. Dafür wird die Beschaffung des Führungs- und Waffeneinsatzsystems Aegis von Lockheed Martin in den USA angestrebt. Außerdem wird gefordert, dass die Schiffe über eine sogenannte Maritime Precision Strike Capability – Long Range verfügen sollen. In anderen Seestreitkräften, wie denen der USA, Großbritanniens und zukünftig auch der Niederlande wird diese Fähigkeit mit Tomahawk-Marschflugkörpern abgebildet.

Nächstes Projekt unter Wasser: Neue U-Boote für schlagkräftige Marine

Pistorius hat in Norwegen darüberhinaus eine Kooperation für U-Boote angesprochen, angedacht sei der Bau von insgesamt sechs Booten der Klasse 212 CD, von denen Norwegen vier und Deutschland zwei in ihre Seestreitkräfte aufnehmen. Die Boote sollen wohl bei thyssenkrupp Marine Systems in Kiel gebaut werden. Dies hänge allerdings davon ab, welche Finanzmittel die Parlamente bereitstellen. Man arbeite jedoch hart daran, so der Minister. Im Zielbild der Marine 2035, das im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, sind sechs bis neun U-Boote der Klasse 212 CD abgebildet.

Boris Pistorius
Boris Pistorius im Gespräch mit Gebirgsjägern der Bundeswehr bei der Nato-Übung „Nordic Response“. Der Feind steht im Osten wie im Westen; und sein Kanzler und dessen Haushälter schicken ihn vor. © Kay Nietfeld/dpa

Der Verteidigungsminister addiert also neue Baustellen zu den bereits bestehenden – und das unter einem Haushälter, der wenig Kompromisse kennt, wie Lindner kürzlich dem Handelsblatt gesagt hat: „Wir planen kein neues Sondervermögen. Bis 2028 müssen wir es schaffen, die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aus dem regulären Haushalt zu bestreiten. Das ist eine Herausforderung, aber möglich unter zwei Bedingungen: Erstens brauchen wir Wachstum, und zweitens müssen wir die Einführung neuer Sozialausgaben begrenzen“. Die wolle die SPD allerdings verteidigen, wie deren Haushaltsexperte Andreas Schwarz der Bild klargemacht haben soll: Der Verteidigungsetat müsse von 2025 an um einen mittleren einstelligen Milliardenbetrag steigen. Eine Kürzung in Sozialbereich als Gegenfinanzierung werde die SPD nicht tolerieren. „Wir werden niemals soziale gegen militärische Sicherheit ausspielen.“

Schuldenbremse: ohne Kredite handlungsfähig bleiben

Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Diese Regelung ist verankert in Artikel 109 Grundgesetz, der für Bund und Länder den Grundsatz eines ohne Einnahmen aus Krediten ausgeglichenen Haushalts vorschreibt. Für den Bund ist die Schuldenbremse in Artikel 115 Grundgesetz präzisiert:

Im Rahmen des Grundsatzes ausgeglichener Haushalte gewährt Artikel 115 Grundgesetz dem Bund einen eng begrenzten strukturellen, also unabhängig von der konjunkturellen Lage bestehenden, Verschuldungsspielraum. Die maximal zulässige strukturelle Nettokreditaufnahme ist auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes begrenzt. Aufgrund der erheblichen Belastungen der öffentlichen Finanzen durch die Wirtschafts- und Finanzkrise zum Startzeitpunkt der Schuldenregel im Jahr 2011 gilt diese Obergrenze seit dem 1. Januar 2016; bis dahin musste das strukturelle Defizit des Haushaltsjahres 2010 in gleichmäßigen Schritten zurückgeführt werden.

Konjunkturellen Effekten wird symmetrisch Rechnung getragen: In konjunkturell schlechten Zeiten, in der die Produktionsfaktoren unterdurchschnittlich ausgelastet sind, wird die zulässige Nettokreditaufnahme konjunkturbedingt erhöht, in konjunkturell guten Phasen wird sie im Gegenzug reduziert. Eine Ausnahmeregelung für Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, sichert die notwendige Handlungsfähigkeit des Bundes zur Krisenbewältigung. Gleichzeitig muss ein Tilgungsplan beschlossen werden, der eine Rückführung der ausnahmsweise bewilligten Kreditaufnahme in angemessener Zeit vorsieht.

Quelle: Bundesfinanzministerium

Eine Ansage, die auch schon Ricarda Lang (Bündnis 90/Grüne) im ZDF gemacht hatte – die Grünen-Chefin wolle die innere Stabilität niemals gegen die äußere Sicherheit ausspielen. Laut der Bild werde auch der Kanzler niemandem etwas wegnehmen, was beispielsweise auch schon der deutsche Militärhistoriker Sönke Neitzel befürchtet hatte: Er hält die Ankündigungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für Reden für die Galerie. Eine Erhöhung der Steuern sei allerdings für ihn auch kein Thema, betont Finanzminister Lindner immer wieder. Weder Wladimir Putin noch Donald Trump würden ihn zu Ausnahmen hinreißen, wie ihn die Tagesschau interpretiert: Lindner sagte, er sehe eine Ausnahme von den Regeln für Militärausgaben skeptisch, weil die Kapitalmärkte nicht zwischen den Motiven für die Aufnahme von Schulden unterschieden: „Für die Kapitalmärkte sind Schulden gleich Schulden, und zu hohe Schulden führen zu Instabilität.“ Sie heizten möglicherweise die Inflation an und verringerten die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen.

Nächstes Fiasko: Bundesrechnungshof rügt „Preiseskalation“ des Boxer

Finanziell steht Boris Pistorius vor einem Mehrfronten-Krieg, beispielsweise gerät bereits seine Renaissance des Rades zum Fiasko – er plant zur schnelleren Mobilmachung gen Baltikum verstärkt auf den Schützenpanzer Boxer zu setzen. Der Boxer löst künftig den Wiesel ab, doch das wird einem Bericht des Spiegel zufolge teurer als erwartet: Fast 700 Millionen Euro Mehrkosten erwartet der Bundesrechnungshof. Der geplante Kauf von 123 gepanzerten Transportfahrzeugen vom Typ Boxer für die Bundeswehr aus dem Sondervermögen sei zu teuer und zu kompliziert, heißt es in dem vertraulichen Bericht an das Parlament nach Angaben des Spiegel. Demnach seien in der aktuellen Kalkulation „Preiseskalation, Vertragsoptionen, Ausgaben für den Erstbedarf an Munition und noch zu beschaffende Fahrschulfahrzeuge“ noch nicht berücksichtigt.

Bis 2028 müssen wir es schaffen, die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für die Verteidigung aus dem regulären Haushalt zu bestreiten. Das ist eine Herausforderung, aber möglich unter zwei Bedingungen: Erstens brauchen wir Wachstum, und zweitens müssen wir die Einführung neuer Sozialausgaben begrenzen.

In den vergangenen Jahren ist der Verteidigungshaushalt schrittweise angestiegen. 2014 betrug der Soll-Etat noch 32,4 Milliarden Euro. 2017 erhöhte er sich bereits auf rund 37 Milliarden Euro. Im Jahr 2024 liegt er bei 51,95 Milliarden Euro.

Der Verteidigungshaushalt besteht aktuell aus elf Kapiteln mit insgesamt rund 300 Titeln. Die Ausgaben sind unterteilt in vier Kategorien: Betriebsausgaben, also beispielsweise Personal; Betreiber-Verträge, beispielsweise Instandhaltungskosten von Anschaffungen; Versorgungs-Verpflichtungen, beispielsweise Renten und Pensionen, sowie Investitionen. Für Investitionen sind im Haushalt des laufenden Jahres rund 2,7 Milliarden Euro vorgesehen. Die geplanten Investitionen werden allein aus dem Sondervermögen getätigt – für die folgenden Jahre wittert die Bild deshalb eine Katastrophe: „Bliebe es bei den 52 Milliarden für 2025, stünden nur mickrige 500 Millionen Euro für neue Waffen zur Verfügung. In 2026, auch da sieht die mittelfristige Finanzplanung der Regierung nur 52 Milliarden für die Bundeswehr vor, wären null Euro für Investitionen übrig.“

Nächste Baustelle: Litauen gibt keinen Cent für die Kindergärten der Bundewehr

Auch die Stationierung der Bundeswehr-Brigade in Litauen soll den ursprünglich geplanten Kostenrahmen sprengen: Deutschland solle die meisten Kosten selbst bezahlen, weil deren Soldaten einen höheren Standard gewohnt seien, als die einheimischen Soldaten – das stammt aus Korrespondenzen der deutschen Botschaft in Vilnius mit der Bundesregierung. Nicht zuständig sehen sich die Litauer demnach beispielsweise für den Bau von Schulen und Kindergärten. „Abgesehen von Grund und Boden, den man zur Verfügung stellen würde, so hört man in Vilnius, seien diese Baukosten zu 100 Prozent von Deutschland zu finanzieren“, heißt es in dem Papier vom November. Die Bild spekuliert mit Kosten von fünf Milliarden Euro für diesen Auslandseinsatz.

Auch die Aufrüstung der Luftwaffe mit F-35-Bombern kommt Pistorius teuer zu stehen; längst ist klar, dass die Bundesregierung für die Sanierung beziehungsweise Modernisierung des Fliegerhorstes Büchel in Rheinland-Pfalz Investitionen in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro vorgesehen hat im Gegensatz zu den im Jahr 2022 ursprünglich geplanten 260 Millionen Euro. Dieses Plus von 700 Millionen ist dem Umstand geschuldet, dass zur Zeit der Planungen die Stationierung der F-35-Maschinen noch kein Thema gewesen war.

Nächste Drohung: Airbus verlangt 60 neue Eurofightern zur Sicherung von Arbeitsplätzen

Unter Beschuss steht die Ampel-Koalition auch durch Airbus – die Flugzeubauer drängen auf den Startschuss zur fünften Generation des Eurofighters, wie das Handelsblatt berichtet hat: Diese „Tranche 5“ sei die Lebensversicherung des Eurofighters, des Standorts Manching in Bayern und des Kampfflugzeugbaus in Deutschland. Gemeint ist ein fünfter Großauftrag für den Jet, den Airbus‘ Rüstungsbereich Defence gemeinsam mit industriellen Partnern in Großbritannien, Spanien und Italien baut.

Nur wenn die Bundesregierung geschätzte fünf zusätzliche Milliarden in die Weiterentwicklung des Fliegers investiere und noch 50 bis 60 Maschinen bestellte, könne laut Airbus die Produktion nach 2030 weitergeführt werden, bis dann von 2040 an ein neuer gemeinsamer Jet-Typ zusammen mit Frankreich gebaut werden müsste. Verteidigungsminister Lindner gab sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz allerdings hartleibig: Er warnte davor, Schulden als Allheilmittel anzusehen. Weil die Ertüchtigung der Bundeswehr zwar eine existenzielle Frage sei, aber eine strukturelle Aufgabe, die vermutlich über Jahrzehnte währen wird, müsse das über die regulären Staatsfinanzen funktionieren. Klartext: Keine neuen Hypotheken.

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