„Ich wünsche mir einfach nur noch Frieden“: Ukrainerinnen in Bad Tölz sprechen über Hoffnungen und Ängste

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Das Ausmaß der Verwüstung ist kaum vorstellbar: Seit drei Jahren tobt der Krieg in der Ukraine. © Foto: Dmytro Kumaka

Am 24. Februar 2022 habe sie die schwersten Stunden ihres Lebens verbracht, sagt die in Bad Tölz lebende Ukrainerin Nataliia Suprun. Nun setzt sie Hoffnungen in Donald Trump.

Bad Tölz-Wolfratshausen – Drei Jahre ist es her, seit der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begann. Damals rollten die ersten russischen Truppen und Panzer in die Ukraine, bald darauf fielen Bomben. Große Teile des Landes sind mittlerweile in Schutt und Asche, unzählige Menschen ermordet. Viele Ukrainer ergriffen sofort die Flucht. Im Gespräch mit unserer Zeitung berichten zwei Frauen, die nach Bad Tölz flohen, wie sie die vergangenen drei Jahre erlebt haben, was sie sich für ihre Heimat wünschen und auch, wie sie in Deutschland Fuß gefasst haben.

Erinnerungen an Kriegsbeginn vor drei Jahren

Denkt Nataliia Suprun an den 24. Februar 2022 zurück, stehen ihr sofort die Tränen in den Augen. An jenem Tag, als der Krieg in ihrem Heimatland ausbrach, war Suprun zwar zufällig in Sicherheit in Deutschland, auf der Beerdigung einer Bekannten, aber dennoch in größter Panik. „Meine Tochter hat damals in Lemberg studiert. Als ich davon erfahren habe, dass Russland das Feuer eröffnet hat, habe ich sofort in der Früh meiner Tochter geschrieben. Die Zeit, bis ich eine Antwort von ihr erhalten habe, waren die schwersten Stunden meines Lebens.“

Nataliia Suprun ist seit dem Kriegsausbruch nie wieder in ihrer Heimat gewesen.
Nataliia Suprun war nie wieder in ihrer Heimat. © Arndt Pröhl

Ohne Unterbrechung habe die 52-Jährige in jenen Morgenstunden die Nummer ihrer Tochter gewählt, das Telefon durchklingeln lassen, eine Nachricht nach der anderen geschickt. „Erst drei Stunden später hat sie geantwortet, sie hatte noch geschlafen und erst um 9 Uhr morgens aufs Handy geschaut“, erinnert sie sich. „Ich habe ihr am Telefon gesagt, es ist Krieg in unserer Ukraine, packe deinen Ausweis, Laptop und etwas zu essen ein und verlasse sofort das Land.“ Am selben Abend war ihre Tochter in Polen und damit in Sicherheit. „Diesen Tag werde ich nie vergessen, ich hatte schreckliche Angst um mein Kind.“

Dankbar für die Chancen in Tölz

Bis heute leben Mutter und Tochter in Deutschland, große Teile ihrer Familie sind allerdings in der Ukraine geblieben. „Meine Mama ist noch immer dort“, sagt Nataliia Suprun. „Mittlerweile lebt sie in Odessa, unser Haus auf dem Land wurde von den Bomben zerstört.“ Nur wenige Tage, bevor ihr Elternhaus zerbombt wurde, verließ ihre Mutter die eigenen vier Wände. „Als wir gehört haben, dass nun auch unser Zuhause kaputt war, war meine Mutter am Boden zerstört. Ich habe ihr aber gesagt, dass es ein Tag zum Tanzen ist, denn sie war nicht dort, als die Bombe darauf gefallen ist.“

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Nataliia Suprun hat es geschafft, sich in Bad Tölz ein neues Leben aufzubauen. In der Ukraine war sie in einer Führungsposition in einer Bank angestellt, hier arbeitet sie nun beim Zweckverband Kommunale Dienste Oberland und hat eine Wohnung. „Ich bin der Stadt und meinem Arbeitgeber wahnsinnig dankbar“, sagt sie. „Es war und es ist nicht leicht, in ein neues Land zu kommen, die Sprache nicht zu beherrschen und nicht zu wissen, was mit der eigenen Heimat passiert“, sagt sie. „Doch als Ukrainer haben wir hier wirklich gute Möglichkeiten bekommen. Und jeder, der sich eingebracht hat, und versucht hat, Deutsch zu lernen und eine Arbeit zu finden, konnte hier ankommen und ein gutes Leben führen.“

Ukrainerin wird in Bad Tölz zum dritten Mal Mutter

Ähnlich sieht das Yuliia Konovalenko. Seit Anfang März 2022 ist die 40-Jährige aus Odessa in Deutschland. Mittlerweile arbeitet sie als Russisch- und Ukrainisch-Lehrerin an den Wochenenden in München. „Für mich war das erstmal alles sehr schwierig“, erinnert sie sich an die erste Zeit nach ihrer Flucht. „Wir waren so dankbar, eine Unterkunft bekommen zu haben. Mittlerweile lebe ich mit meiner großen Familie in einer Wohnung in Bad Tölz, darum sind wir sehr, sehr froh.“ Doch ohne Deutsch zu sprechen, habe die 40-Jährige hier erst mit einigen Hürden kämpfen müssen. „Mittlerweile verstehe ich fast alles, nur oft fällt es mir schwer, selbst zu reden“, erklärt sie. Dennoch habe sie es geschafft, sich hier mit zwei Kindern, ihrem Mann und ihrer Mutter ein neues Leben aufzubauen. „Ich hatte nie das Gefühl, nicht willkommen zu sein.“

Netzwerk per WhatsApp-Gruppe

Mittlerweile ist Yuliia Konovalenko sogar dreifache Mutter. „Würde der Krieg bald enden, glaube ich nicht, dass wir wieder zurück in die Ukraine gehen.“ Drei Jahre sei eine zu lange Zeit. „Ich habe hier ein Kind bekommen, mein Mann hat einen guten Beruf, und wir fühlen uns sehr wohl.“ Damit andere die Integration auch gut meistern, hat Konovalenko eine große WhatsApp-Gruppe für geflüchtete Ukrainer gegründet. „Das ist ein super Netzwerk, jeder hilft dem anderen, wenn er kann.“

Hat ein Netzwerk für Ukrainer in der Umgebung geschaffen: Yuliia Konovalenko mit ihrer Tochter Barbara (1).
Yuliia Konovalenko mit ihrer Tochter Barbara (1). © Bogner

Weder Nataliia Suprun noch ihre Familie haben sich vor drei Jahren vorstellen können, dass der Krieg so lange andauern würde. „Ich dachte, dass wir in ein paar Wochen wieder zurückkönnen“, sagt sie und schüttelt ungläubig den Kopf. „Ich wünsche mir aktuell einfach nur noch Frieden, ganz egal, was wir dafür an Land verlieren. Es dürfen nicht noch mehr Menschen sterben“, betont sie. Hohe Erwartungen, sagt die 52-Jährige, habe sie an US-Präsident Donald Trump. „In der Ukraine setzt man große Hoffnung darauf, dass er es schafft, den Krieg zu beenden.“

Beide Frauen hoffen inständig auf Frieden, egal zu welchem territorialen Preis. „Aber ob der kommt...“ Konovalenko zuckt mit den Schultern. „Wir bräuchten in der Ukraine Politiker wie hier in Deutschland“, findet Nataliia Suprun. „Ich wünsche mir für die Ukraine Minister wie Markus Söder und Bürgermeister wie Ingo Mehner.“ (feb)

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