Mit deutschen Kriegswaffen: Israel will mit Baerbock „globale Front“ gegen Iran schmieden

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Israel dankt Deutschland für die Solidarität nach dem Angriff durch den Iran und fordert eine gemeinsame Front gegen das Mullah-Regime in Teheran. Doch: Wie soll diese aussehen? Eine Spurensuche.

Tel Aviv – Das Wort „Flächenbrand“ ist in der internationalen Politik nach den Raketen-Angriffen des Iran auf Israel sehr geläufig gefallen in den vergangenen Tagen. Die Sorge: Dass sich der Krieg in Israel und Gaza zu einem noch größeren Konflikt im Nahen Osten ausweiten könnte.

Irans Angriff auf Israel: Annalena Baerbock warnt Tel Aviv vor Vergeltung

„Das Recht auf Selbstverteidigung bedeutet die Abwehr eines Angriffes. Vergeltung ist keine Kategorie im Völkerrecht“, erklärte etwa Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag (15. April) bei einer von Frankreich und Deutschland organisierten Hilfskonferenz für den Sudan in Paris auf die Frage einer Journalistin, ob Israel das Recht zu einem Gegenschlag habe. 

Benny Gantz, Mitglied des israelischen Kriegskabinetts, hatte eigenen Angaben zufolge zuvor mit Baerbock am Telefon über die Bildung einer „globalen Front“ gegen das Mullah-Regime in Teheran gesprochen. Die deutsche Außenministerin klang schon wesentlich zurückhaltender. Stellt sich die Frage: Was könnte Deutschland neben Verhandlungsdiplomatie Tel Aviv militärisch für eine solche „globale Front“ bieten?

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Ende März mit israelischen Soldaten am Grenzübergang „Kerem Schalom“ zum Gazastreifen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Ende März mit israelischen Soldaten am Grenzübergang „Kerem Schalom“ zum Gazastreifen. © IMAGO/Christoph Soeder

Deutschland und Israel: Berlin kaufte von Tel Aviv ein Arrow-3-Raketenschutzschild

Baerbock sprach von einem „Defensivsieg“ der israelischen Verteidigungskräfte (IDF), die von Samstag auf Sonntag mithilfe der Amerikaner, der Briten und Jordaniens einen Großteil der rund 300 iranischen Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen abschießen konnten. Diesen Defensivsieg gelte „es jetzt diplomatisch abzusichern. Unsere Priorität muss dabei sein, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern“, meinte die Grünen-Politikerin weiter.

„Israel hat in einer defensiven Art und Weise gesiegt, dank seiner starken Luftabwehr und dank des beherzten Eingreifens der USA, Großbritanniens und arabischer Staaten“, sagte Baerbock. Stichwort Flugabwehr. Die Ampel-Bundesregierung hatte im Juni 2023 den Kauf eines Arrow-3-Raketenschirms aus Israel für Deutschland beschlossen. Die israelische Regierung müsse nach den Vorstellungen Berlins „in Vorleistung gehen und zeitnah den Aufbau der Fertigung und die Produktion beauftragen“, erklärte das Bundesverteidigungsministerium damals: „Das kann den Beschaffungsprozess um sechs Monate beschleunigen.“ Bislang wurde jedoch keine Auslieferung des Systems oder zumindest von Teilelementen an die Bundesrepublik bekannt.

Diesen Defensivsieg gilt es jetzt diplomatisch abzusichern. Unsere Priorität muss dabei sein, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern.

Luftabwehr gegen Langstrecken-Raketen: Israel braucht Arrow-3-Systeme selbst

Zwei Milliarden Euro kostet ein solches Abwehrsystem gegen ballistische Lang- und Mittelstreckenraketen, das das Unternehmen Israel Aerospace Industries fertigt. Und das eine Reichweite von bis zu 2400 Kilometern hat. Nach dem Kauf des Systems durch Deutschland wuchs die Gefahr eines großen Krieges in Nahost indes deutlich. Zuerst durch den terroristischen Überfall der radikalislamistischen Hamas auf israelische Siedlungen. Dann durch den zeitgleichen Beschuss des jüdischen Staates durch die schiitische Hisbollah aus dem Libanon und den Einmarsch der IDF gegen die Palästinenser im Gazastreifen.

Zur Einordnung: Eine der 7,50 Meter langen und zwei Tonnen schweren Anti-Raketen-Raketen kostet geschätzt drei Millionen US-Dollar. Sie sind demnach nicht nur teuer, ihre Produktion ist auch recht aufwändig. Heißt: Die Lenkwaffen werden nicht am Fließband produziert. Ein Indiz für die hohe Frequenz, die die israelische Luftabwehr auch in den kommenden Monaten erwarten könnte, ist eine Einschätzung des Institute for the Study of War (ISW). Konkret: Die Experten des ISW glauben, dass der Iran durch seine jüngsten Raketen-Attacken auf Israel die effektivste Herangehensweise zur Durchdringung der Luftabwehr testen wollte. 

Eine Panzerabwehrhandwaffe Matador. (Archivfoto)
Eine Panzerabwehrhandwaffe Matador. (Archivfoto) © IMAGO / Dreamstime

Auch zum Schutz Israels: Deutsche Marine patrouilliert im Roten Meer

Durch den iranischen Beschuss ist der eigene Bedarf der IDF an Luftabwehrraketen auf einen Schlag (nochmal) umso größer geworden. Sowohl an den Abschussrampen als auch an den Raketen selbst. Im Umkehrschluss könnte oder müsste sich Deutschland gegebenenfalls länger gedulden, bis die Bundeswehr mit den Lieferungen der Komponenten und der Lenkwaffen an der Reihe wäre. Während dieses Szenario Spekulation ist, ist eine andere militärische Unterstützung längst real: Die Teilnahme der deutschen Marine am maritimen Einsatz der Europäischen Union (EU) und der Vereinigten Staaten gegen die proiranischen Huthi-Rebellen aus dem Jemen im Roten Meer.

Die entsandte Fregatte „Hessen“ schoss dort bereits Drohnen der Huthi ab. Offiziell geht es bei der Entsendung um den Schutz der internationalen Schifffahrt in dem Gewässer. Aber: Nachdem auch schon Drohnen aus dem Jemen in Richtung Israel zusteuerten, werden die europäischen und amerikanischen Marine-Schiffe im Roten Meer auch als Beistand für Tel Aviv eingeordnet. Die „Hessen“ hat dafür 32 Mk 41 Vertical Launching Systeme an Deck integriert, die schiffgestützte Flugabwehrraketen vom Typ RIM-162 Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM) verschießen können. Zudem ist die deutsche Fregatte „Brandenburg“ mit rund 200 Soldatinnen und Soldaten vor der Küste des Libanon stationiert, um auch dort mit anderen Partnern den Schiffsverkehr zu überwachen – nördlich von Israel.

Deutsche Waffen-Lieferungen an Israel: Berlin schickte Panzerabwehrwaffen

Eine zentrale Frage der deutschen Unterstützung für Israel wird wohl sein, inwieweit Berlin zu weiteren Waffen-Lieferungen nach Kritik am heftigen Vorgehen der IDF gegen die Zivilbevölkerung in Gaza sein wird. Wie das Wirtschaftsministerium unlängst mitteilte, hatte die Ampel-Bundesregierung zwischen dem 1. Januar und dem 15. Februar Rüstungsexporte für Tel Aviv in Höhe von vergleichsweise überschaubaren neun Millionen Euro erlaubt. Zum Vergleich: In 2023 hatte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP Rüstungsexporten an Israel in Höhe von 326,5 Millionen Euro zugestimmt – zehnmal so viel wie 2022.

Darunter waren auch sogenannte Kriegswaffen für 20,1 Millionen Euro, unter anderem 3000 tragbare Panzerabwehrwaffen sowie 500.000 Schuss Munition für Maschinengewehre. Bei den Panzerabwehrwaffen könnte es sich um die RGW 90 Matador gehandelt haben, die die IDF schon im Januar 2009 bei der Operation „Gegossenes Blei“ im Gaza im Häuserkampf eingesetzt hatte. Gefechte zwischen israelischen und iranischen Bodentruppen wirken derzeit jedoch, auch wegen der geographischen Lage beider Länder, weit entfernt. (pm)

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