Akt der Verzweiflung? Ukraine-Militär unternimmt offenbar großen Vorstoß auf Russland
Kiews jüngste Belgorod-Offensive soll den Verhandlungsdruck auf Russland erhöhen. Doch Moskau schickt Tschetschenen-Verbände.
Belgorod – Während die Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland stocken, melden ukrainische Offizielle, Analysten und russische Militärblogger einen neuen Vorstoß ukrainischer Truppen in die russische Region Belgorod. Die Operation, die bereits am 18. März begann, soll russische Kräfte von der umkämpften Front in der Region Kursk ablenken und gleichzeitig die Verhandlungsposition Kiews im Ukraine-Krieg stärken, berichtet die New York Times unter Berufung auf anonyme ukrainische Militärquellen.
Ukraine-Militär plant großen Vorstoß auf Russland
Laut neuesten Analysen des Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) und der finnischen Kriegsanalysegruppe Black Bird Group konnten ukrainische Einheiten mehrere Dörfer entlang der Grenze, darunter Demidowka und Popiwka, einnehmen.
Pasi Paroinen von der Black Bird Group bestätigte, dass die Ukraine „eine verteidigungsfähige Pufferzone“ geschaffen hat, während Emil Kastehelmi, Analyst derselben Gruppe, von einem Vorrücken um drei bis vier km sprach, schreiben der Kyiv Independent und Reuters. Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte ein, „bestimmte Schritte“ außerhalb Kursks unternommen zu haben, um „russische Truppenansammlungen zu reduzieren“.
Kiews Offensive bei Belgorod: Russische Militärblogger und Gouverneur melden sich zu Wort
Russische Militärblogger wie Rybar und Arkhangel Spetsnaza schildern heftige Gefechte in Demidowka, bei denen die Ukraine Panzer und Drohnen einsetzte. Als Reaktion seien tschetschenische Einheiten und Marineinfanterie verlegt worden, so die New York Times.
Der Gouverneur Belgorods, Wjatscheslaw Gladkow, warnte vor unsicheren Gebieten und Lagen, erwähnte jedoch keine ukrainischen Truppen. Gleichzeitig zog Russland Verbände aus der Region Kursk ab, um die Front in Belgorod zu stabilisieren, heißt es im Kyiv Independent.
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Ukraine mit Militäraktion in Russland: Druck vor Friedensverhandlungen
Die Offensive erfolgt vor dem Hintergrund stockender Waffenstillstandsgespräche. Die USA vermitteln derzeit zwischen beiden Seiten, doch Moskau zeigt keine Bereitschaft zu echten Zugeständnissen, solange ukrainische Truppen auf russischem Boden stünden.
Gleichzeitig bereite Russland eine großangelegte Frühjahrsoffensive in Sumy, Charkiw und Saporischschja vor, um seinerseits seine Verhandlungsposition zu stärken, berichtet die AP unter Berufung auf ukrainische Analysten und Militärkommandeure.
Gefechte in Kursk: Russland holt Gelände zurück
Im August 2024 hatte die Ukraine überraschend Teile der Region Kursk besetzt – den ersten Einmarsch in russisches Gebiet seit dem Zweiten Weltkrieg. Nach monatelangen Kämpfen kontrolliert Kiew jedoch nur noch knapp 80 Quadratkilometer, während russische Truppen zuletzt das Dorf Gogolewka zurückeroberten, wie das Verteidigungsministerium in Moskau behauptet. Die ukrainische Armee dementiert dies und meldete die Abwehr von 18 Angriffen in der Region, so The New Voice of Ukraine.
Militärexperten wie Generalmajor Viktor Nazarov (International Alliance for Human Resources Readiness) sehen in der Belgorod-Offensive, heißt es wiederum in der New York Times, vor allem einen Versuch, „diplomatischen Druck aufzubauen“. Mykhailo Samus von der Denkfabrik New Geopolitics Research Network betont, die Ukraine demonstriere damit Handlungsfähigkeit. Emil Kastehelmi warnt jedoch gegenüber Reuters, ein strategischer Durchbruch sei unwahrscheinlich: „Die Ukraine könnte weitere Dörfer nehmen, aber das wäre nur ein taktischer Erfolg.“
Die Ukraine könnte weitere Dörfer nehmen, aber das wäre nur ein taktischer Erfolg.
Ukraine-Krieg: Eskalation trotz Verhandlungen?
Während die Front in der Stadt Belgorod vorerst stabil scheint, deuten sich anderweitige weitere Konfliktherde an. Die Euromaidan Press berichtet von ukrainischen Vorstößen, die Brücken zerstörten, um russische Nachschubwege zu unterbrechen. Gleichzeitig verstärkt Russland Angriffe bei Torezk (Donezk) und nördlich von Zherebjanka (Saporischschja), so das ISW. Selenskyj warnte gemäß AP erneut vor Putins Absicht, „mehr Land zu erobern, anstatt ernsthaft zu verhandeln.“
Die Frage bleibt, ob die ukrainischen Vorstöße ein taktisches Manöver oder ein Akt der Verzweiflung angesichts drohender russischer Großoffensiven sind. Sicher ist: Die kommenden Wochen werden sowohl an der Front als auch am Verhandlungstisch entscheidend sein.