Das bringt es, den Markt zu treffen: Keine Panik in der Börsenkrise: Eine Grafik zeigt, warum Sie jetzt nicht handeln sollten

Dank Donald Trump erlebt der Dax gerade seine schwerste Krise seit fünf Jahren. Um 12 Prozent ging es in nur vier Handelstagen nach unten. Schlimmer war es zuletzt zu Beginn der Corona-Krise 2020. Von Ende Februar bis Mitte März fiel der deutsche Leitindex damals in 20 Handelstagen um 39 Prozent.

Ob es diesmal auch so schlimm kommt, ist noch nicht abzusehen. Doch starke Bewegungen an der Börse lösen oft auch Reflexe gerade bei unerfahrenen Kleinanlegern aus. Die können sich in zwei Arten äußern. Entweder spüren Sie gerade Druck, sich jetzt von Aktien zu trennen, weil Sie Angst haben, die Kurse würden noch viel weiter fallen, oder aber es juckt Ihnen in den Fingern, gerade jetzt Aktien nachzukaufen. Schließlich sind diese jetzt günstig und wenn der Markt wieder steigt, machen Sie damit einen satten Gewinn.

Letzteres verlangt von Ihnen eine der kompliziertesten Fähigkeiten, die man an der Börse haben kann, nämlich diejenige, den Markt genau richtig zu timen. Optimal wäre es, Sie würden Ihre Aktien immer auf dem Rekordhoch vor einer Börsenkrise komplett verkaufen und Sie dann am Tiefpunkt wieder neu erwerben. Den Zeitpunkt für den Verkauf hätten Sie dann jetzt aber schon verpasst. Der wäre am 6. März gewesen, als der Dax mit 23.419 Punkten schloss. Gestern waren es nur noch 19.790 Punkte.

So haben wir gerechnet

Doch was würde es Ihnen eigentlich genau bringen, wenn Sie eine magische Glaskugel hätten, die Ihnen die optimalen Handelstage zum Kauf und Verkauf von Aktien sagen könnte? Und wie weit können Sie danebenliegen und machen immer noch Gewinn? Wir haben das für zwei Szenarien ausgerechnet. Im ersten gehen wir fiktiv davon aus, dass Sie am ersten Handelstag des Dax am 30. Dezember 1987 den Wert von 1800 Euro in den Index investiert hätten und nie nachgekauft haben. Im zweiten Szenario gehen wir davon aus, dass Sie ebenfalls mit 1800 Euro in Dax-Anteilen 1987 gestartet sind, aber an jedem Neujahrstag seitdem weitere 1800 in Dax-Anteilen nachgekauft haben.

Das nennen wir beides die „normalen Strategien“. Mit der ersten – auch Buy-and-Hold genannt – hätten Sie bis Freitagabend einen Gewinn von 1964 Prozent gemacht. Aus 1800 Euro am Anfang wären rund 37.000 Euro heute geworden. Mit der zweiten Strategie hätten Sie über die Jahre 70.200 Euro in den Dax investiert und besäßen heute 410.000 Euro. Absolut ist das deutlich mehr, relativ wäre ein Plus von „nur“ 483 Prozent.

Diese beiden Normal-Szenarien vergleichen wir nun mit dem Versuch, Börsenkrisen optimal zu treffen. Grundlage dafür sind die acht Krisen des Dax, in denen der Wert des Index um mindestens 20 Prozent nachgab. Die erste war der Golfkrieg 1991 mit 33 Prozent Verlust, die schlimmste die Dotcom-Blase von 2000 bis 2003 mit 73 Prozent Verlust und die jüngste Ukraine-Krieg und Energiekrise 2022 mit 26 Prozent Verlust. Die wichtigen Daten jeder Krise sind einmal das letzte Rekordhoch des Dax vor der Krise sowie der Tiefpunkt des Index während der Krise.

Börsenkrisen im Dax
Börsenkrisen im Dax Christoph Sackmann

Wer optimal und radikal handelt, fährt am besten

Bei der Buy-and-Hold-Strategie würden Sie am Rekordhoch all Ihre Dax-Anteile verkaufen und den Erlös am Tiefpunkt der Krise wieder komplett in neue Anteile investieren. Angenommen ein Anteil kostet 100 Euro, würden Sie so 1987 mit 18 Anteilen starten. Träfen Sie jedes Rekordhoch und jedes Krisentief genau und würden exakt an diesem Tag jeweils Ihre Anteile kaufen und verkaufen, besäßen Sie heute 1422 Dax-Anteile mit einem Gesamtwert von rund 3,1 Millionen Euro. Das sind 8200 Prozent mehr, als wenn Sie die Anteile einfach immer gehalten hätten.

Bei der Buy-Hold-Strategie können Sie die optimalen Handelsdaten sogar deutlich verfehlen und machen immer noch Extra-Gewinne. Wenn Sie jeweils 25 Tage zu früh Ihre Anteile handeln, besäßen Sie heute immer noch 397.000 Euro. Das ist fast zehnmal so viel wie bei reinem Buy-and-Hold. Wer 75 Handelstage zu früh handelt – das sind fast vier Monate – hätte heute rund doppelt so viel Geld auf dem Konto wie ohne jeden Handel. Erst ab rund 200 Tagen zu frühem Handeln – also rund ein Jahr vor einem Rekordhoch oder Krisentief – ständen Sie schlechter da. Zu spät handeln hat in etwa dieselben Ergebnisse, ist im Vergleich aber sogar jeweils noch etwas besser.

Nun ist eine Strategie, bei der Sie alle paar Jahre Ihre kompletten Aktien verkaufen oder Ihr gesamtes Erspartes neu in Aktien investieren, aber trotzdem riskant. Nicht einberechnet haben wir zudem, dass Sie auf die Aktiengewinne beim Verkauf noch Steuern bezahlen müssten, war Ihre Renditen im Endeffekt schmälert.

Das bringt das richtige Timing an der Börse Christoph Sackmann

Nachkaufen lohnt sich in der Krise nicht

Die gängigere Strategie der meisten, die mit Aktien für Ihr Alter vorsorgen, dürfte es sein, nachzukaufen. Das kann zum Beispiel automatisch über einen Sparplan erfolgen, oder aber händisch jedes Jahr. Der durchschnittliche Deutsche legt dabei rund 150 Euro im Monat oder eben 1800 Euro im Jahr zurück, weswegen wir mit dieser Summe gerechnet haben. Im Normal-Szenario, bei dem Sie immer an Neujahr für diese Summe nachkaufen, würden Sie wie gesagt bis heute einen Gewinn von 483 Prozent gemacht haben und besäßen rund 410.000 Euro.

Für das Szenario, in dem Sie versuchen, Börsenkrisen auszunutzen, gehen wir diesmal davon aus, dass Sie sich die 1800 Euro jedes Jahr aufsparen und gesammelt investieren, wenn die Börse während einer Krise ihren Tiefpunkt erreicht. Treffen Sie den Tag, an dem der Dax am niedrigsten steht, dabei jeweils genau, lohnt sich das finanziell. Der Ertrag ist aber gering. Statt 410.000 Euro hätten Sie dann heute 419.000 Euro – gerade einmal rund zwei Prozent mehr. Wenn Sie auch nur um jeweils einen Tag daneben lägen, würden Sie sogar weniger verdienen, als wenn Sie einfach jedes Jahr an Neujahr einkaufen.

Das klingt kurios, liegt aber schlicht daran, dass der Dax an jedem Krisen-Tiefpunkt höher liegt als am vorherigen. So hätten Sie zum Beispiel in diesem Szenario 1991 nachgekauft, als der Dax bei 1323 lag und dann erst wieder 1998 bei 3862 Punkten. Jemand, der jedes Jahr nachkauft, hätte von 1992 für 1600 Punkte, 1993 für 1500 Punkte und so weiter eingekauft und damit bereits jahrelange Gewinne eingefahren, die Ihnen entgingen wären.

Was Sie jetzt beachten sollten

Das zeigt, dass Sie in der jetzigen Krise nicht zwingend auf Nachkäufe setzen sollten, sondern Ihren normalen Rhythmus beibehalten können, ohne Angst haben zu müssen, etwas zu verpassen. Besitzen Sie etwa einen monatlichen Sparplan, lassen Sie den einfach weiterlaufen. Setzen Sie sich jedes Jahr in den Sommerferien hin und planen Ihr Depot und mögliche Nachkäufe neu, dann machen Sie das auch dieses Jahr genauso. Langfristig gleichen sich solche Krisen sowieso immer aus, wie unsere Beispiele zeigen. Und wenn Sie mit Ihren Depot fürs Alter vorsorgen wollen, dann sollten Sie sowieso in Anlagezeiträumen von mehreren Jahrzehnten denken und nicht daran, jetzt kurzfristig die maximale Rendite herauszuholen.

Anders sieht es aus, wenn Sie sich eben auf kurzfristige Renditen spezialisiert haben. Dann, so zeigt es unsere Buy-and-Hold-Rechnung, fahren Sie am besten, Ihre Aktien zu einem Rekordhoch oder bis zu mehreren Monaten danach komplett zu verkaufen und im gleichen Zeitraum zu oder nach einem Tiefpunkt wieder neu zu erwerben. Aber Vorsicht: Das gilt nur für Börsenkrisen, bei denen es gegenüber dem Rekordhoch um mindestens 20 Prozent bergab geht. Aktuell hat der Dax gegenüber seinem Hoch vom 6. März aber nur rund 15 Prozent verloren. Das ist jetzt 22 Handelstage her.