Ukraine im Luftkampf: F-16-Kampfjets können Erwartungen nicht erfüllen

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Eine russische Suchoi Su-35 wird für den Einsatz fertig gemacht.
Das Maß der Dinge in der Ukraine? Eine russische Suchoi Su-35 wird für den Einsatz fertig gemacht. Die F-16 soll in Sensorik und Bewaffnung schlechter dastehen – abgesehen davon, dass die russischen Piloten ihre Maschinen in- und auswendig kennen. Jedenfalls komplettieren jetzt zwei Dutzend F-16 aus den Niederlanden die Flotte der Verteidiger. © IMAGO/RIA Novosti

Der Nato-Partner Niederlande stärkt die Luftwaffe der Ukraine mit F-16-Kampfjets. Dennoch äußern die Verteidiger weiterhin Kritik an ihren neuen Maschinen.

Den Haag – „Die letzte Lieferung der F-16 wird offiziell am Montag an die Ukraine ausgeliefert. Das bedeutet, dass alle 24 versprochenen Kampfflugzeuge bald im Besitz der Ukraine sein werden“, sagt Ruben Brekelmans. Dank der Ankündigung des niederländischen Verteidigungsministers im holländischen Sender WNL op Zondag nähert sich die Ukraine damit der rund 80 Maschinen zählenden Zusage der westlichen Unterstützer. Die Euphorie westlicher Beobachter ist aber gebremst. Auch weil die Ukraine immer wieder fordert, gegen Wladimir Putins Invasionstruppen mindestens das Dreifache dieses Kampfjet-Typs zu benötigen.

Die Niederlande haben damit am Montag, 26. Mai, ihre Ankündigung realisiert. Welcher Nato-Partner wann wie viele versprochene Maschinen in den Ukraine-Krieg liefert oder bereits geliefert hat, bleibt aber geheim. Fest steht, dass die Ukraine die ohne Wartungspakete und je nach Ausstattung zwischen 30 und 70 Millionen Dollar pro Stück teuren Kampfjets zu ihrem Arbeitspferd erkoren hat beziehungsweise musste, um gegenüber der russischen Luftwaffe eine Chance zu behalten. Fest steht aber auch, dass bisher kein überragender Erfolg der Maschinen publik gemacht wurde, sondern eher viel Kritik am Nutzen der viel diskutierten Verstärkungen geäußert wird.

F-16-Verluste im Ukraine-Krieg: Zwischenzeitlich soll die Ukraine sogar schon zwei Maschinen verloren haben

Zwischenzeitlich soll die Ukraine sogar vermutlich schon zwei Maschinen verloren haben – wahrscheinlich mindestens eine durch eigenen versehentlichen Beschuss einer fehlgeleiteten, weil womöglich falsch gehandhabten Patriot-Luftabwehrrakete. „Piloten der ukrainischen Luftwaffe setzen ,täglich‘ F-16 -Kampfflugzeuge ein, um Raketenbedrohungen zu bekämpfen und die östliche Region Russlands anzugreifen, zitiert aktuell Air&Spaceforces Christopher G. Cavoli. „Sie fliegen jeden Tag; sie haben eine große Zahl von Marschflugkörpern abgewehrt und außerdem eine ganze Reihe von Angriffen durchgeführt, insbesondere Bombenangriffe im Osten“, so der Kommandeur des Supreme Allied Commander Europe und des US European Command gegenüber dem Magazin.

„Ich würde im Kampf weder auf die Su-35 noch auf irgendein anderes Flugzeug russischer Bauart wetten.“

Die F-16-Kampfjets sollten zunächst defensiv agieren – und sollen das offensichtlich weiterhin, wenn keine spektakulären Erfolge publiziert werden. Zur Vorbereitung des Einsatzes der Maschinen habe die Ukraine wohl versucht, gezielt Batterien mit S-300 oder S-400-Luftabwehr-Raketen mit hoher Reichweite zu neutralisieren – letztendlich um den F-16-Kampfjets in der Luft in einem halbwegs sicheren Luftraum Ellbogenfreiheit zu verschaffen; um dann ihrerseits gegen Iskander-Stellungen oder anfliegende Marschflugkörper vorrücken zu können – „das soll den F-16 eine hohe Möglichkeit des Überlebens geben“, sagt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer im ZDF.

Laut Cavioli seien die in der Ukraine derzeit eingesetzten Maschinen hauptsächlich ausgemusterte Modelle aus nordeuropäischen Ländern, Dänemark und den Niederlanden – Norwegen hatte sich ebenfalls zur Lieferung von sechs Maschinen bereit erklärt. Auch aus Belgien sollen insgesamt 30 Maschinen kommen. Eine stattliche Zahl – für sich genommen. Gemessen an ihrer Aufgabe möglicherweise ein Tropfen auf den heißen Stein: „Die ukrainischen F-16-Kampfflugzeuge stehen vor der Herausforderung, eigenständig die Voraussetzungen für einen dringend benötigten Durchbruch im Krieg mit Russland zu schaffen“, schrieben Christopher Koeltzow, Brent Peterson und Eric Williams Mitte 2024 für den US-Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS).

Ukraine beschwert sich über die F-16: „Gegen die Su-35S der Russen sehen sie buchstäblich alt aus“

Eine Mammutaufgabe, an der die Maschinen bisher gescheitert sind. „Ernüchterung“ ist der Begriff, der die Maschinen in den Medien begleitet – angesichts der Erwartungen, die mit der Lieferung der westlichen Wunderwaffen geschürt worden waren. „Gegen die Su-35S der Russen sehen sie buchstäblich alt aus“, klagt der Luftwaffensprecher der Ukraine, wie das Magazin Flugrevue aktuell veröffentlicht. Dabei weist Flugrevue-Autor Patrick Zwerger darauf hin, dass mit Juri Ignat derselbe Luftwaffensprecher im Mai 2023 verkündet habe: „Wenn wir die F-16 haben, werden wir diesen Krieg gewinnen.“

Immerhin scheinen die Maschinen jetzt weitere Kreise zu ziehen als anfangs, wie das spanische Militärmagazin Zona Militar Anfang April gemeldet hat. Demnach seien die F-16 jetzt nicht mehr beschränkt auf Missionen der Luftunterstützungsmissionen über der Hauptstadt Kiew – dort sollen sie die Hauptlast der Verteidigung gegen Angriffe von Drohnen und Raketen getragen haben, so das Magazin. Inzwischen würden sie auch Bodenziele in der besetzten Ostukraine angreifen.

Die Wirklichkeit hat die Ukraine eingeholt und dem Westen gezeigt, dass die über all die Jahre und Jahrzehnte durchgeplante und sündhafte teure Technik in einer realen Schlacht wohl ihre Grenzen aufgezeigt bekommt – möglicherweise liegt aber auch die Schwachstelle im Cockpit, und die eiligst geschulten heimischen Piloten können lediglich einen Bruchteil der Leistung ihres westlichen Kriegsgeräts abrufen. „Die klare Lehre aus diesem Konflikt ist die Notwendigkeit, die Luftüberlegenheit zu erreichen, um einen entscheidenden Vorteil zu erlangen“, hatte noch im Juli 2024 David A. Deptula gefordert.

Experte warnt: Luftüberlegenheit gegen Putin ein Mosaik vieler einzelner kleiner Faktoren

Im Air&Spaceforces-Magazin hatte der ehemalige US-Luftwaffen-Generalleutnant die These aufgestellt, dass Luftüberlegenheit ein Mosaik vieler einzelner kleiner Faktoren sei: von der Anzahl der für Kampfeinsätze verfügbaren F-16-Flugzeuge und F-16-Piloten, vom Ausbildungsniveau und den Fähigkeiten und Erfahrungen der Piloten, von der Leistungsfähigkeit der bereitgestellten F-16-Flugzeuge, den verfügbaren Waffen, von der Anzahl, dem Ausbildungsniveau und den Fähigkeiten des Wartungspersonals der F-16 sowie von der Fähigkeit der Flugzeuge, unter anderem einen russischen Angriff zu überleben und zu operieren, so Deptula. All das scheint noch lange kein in sich geschlossenes Bild abzugeben.

Wie sonst könnte sich der ukrainische Luftwaffensprecher aktuell hinstellen und behaupten: „Die F-16 unserer Partner seien schlicht ,nicht fortschrittlich genug, um im direkten Duell mit der Su-35 zu konkurrieren“, wie er gegenüber dem ukrainischen Portal Novyny Live äußerte. Das hieße schlussendlich, die ganzen Diskussionen um die Lieferung dieser Maschinen wären umsonst gewesen. Grundsätzlich äußert Ignat Kritik an der seiner Meinung nach unzureichenden Bewaffnung der Maschinen, um den Gegnern vor allem mit ihren Su-35 und den acht Tonnen Nutzlast Einhalt zu gebieten. Allerdings macht auch die fehlende Aktualität der Technik den Piloten der F-16 möglicherweise das Leben schwer.

Russland im Vorteil: „Die Su-35S kann die F-16 erkennen, lange bevor deren Pilot davon Wind bekommt“

„Das Radar der Su-35 verschafft ihr einen deutlichen Vorteil bei der Lageerfassung“, soll der ehemalige F-16-Pilot John Venable für den US-Thinktank Heritage Foundation geschrieben haben, zitiert Patrick Zwerger. „Mit anderen Worten: Die Su-35S kann die F-16 erkennen, erfassen und – in Kombination mit Langstrecken-Luft-Luft-Raketen wie der Wympel R-37 – bekämpfen, lange bevor deren Pilot davon Wind bekommt“, so der Flugrevue-Autor. Ein doppelter Nachteil für die auf dieser Maschine unerfahrenen ukrainischen Piloten.

Zwerger führt weiter an, dass den ukrainischen Versionen auch der von der Nato genutzte Datendienst „Link-16“ fehle – ihnen also Echtzeitinformationen während des Gefechtes vorenthalten würden. Demnach sei die F-16 ohne wesentliche Unterstützung gegen die russischen Kampfjets mehr oder weniger verloren: Von einem „Luftkampf, den die Ukraine nicht allein gewinnen kann“, schreibt beispielsweise die in Indien erscheinende Economic Times. „Die Flugzeugmodifikationen der Ukraine sind nicht für den Einsatz in Einzelkämpfen geeignet“, zitiert das Wirtschaftsblatt Luftwaffensprecher Juri Ignat.

Die Meinungen sind allerdings geteilt – Dan Hampton hat sich vor zwei Jahren gegenüber dem Medium Voice of America als absoluter Fan der Maschine geäußert, wie das US-Magazin Newsweek den pensionierten Oberstleutnant der US-Luftwaffe zitiert – für ihn gilt die „Langlebigkeit“ des Fighting Falcons als entscheidend in einer Auseinandersetzung: „Ich würde im Kampf weder auf die Su-35 noch auf irgendein anderes Flugzeug russischer Bauart wetten.“ (KaHin)

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