Top-Manager rechnet mit Deutschland ab: „Ohne Wirtschaft gibt es auch keinen Sozialstaat“
Ein Top-Manager kritisiert Deutschland für eine falsche Wahrnehmung der Wirtschaft. Sie sei wie ein „fünftes Rad am Wagen“, dabei sollte sie wie „das Lebensblut unseres Landes“ behandelt werden.
Berlin – In der deutschen Wirtschaft gebe es eine „extreme Spaltung“. Auf der einen Seite gebe es Unternehmen, denen es ganz gut geht und den Dax treiben, der von einem Höhenflug zum anderen komme. Dann gebe es jedoch auch Unternehmen, „die strukturell zu kämpfen haben – bis zur Existenz“. Das erklärte der frühere Siemens-Chef und heutige Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens Energy und Daimler Truck Joe Kaeser in einem Video-Podcast des Focus. Er hat auch eine Erklärung, wo ein Problem liegt.
Wirtschaft in Deutschland „negativ belegt“: Früherer Siemens-Chef kritisiert falsche Wahrnehmung
Der Top-Manager sieht ein Problem dabei in der Wahrnehmung der Wirtschaft in Deutschland. Sie werde wie ein „fünftes Rad am Wagen wahrgenommen“, sagte Kaeser im Gespräch mit Tijen Onaran. „Sie ist ein notwendiges Übel, aber irgendwie ist sie negativ belegt.“

Die Wirtschaft in Deutschland, die gerade eine historische Rezession durchmacht, wird nach Ansicht Kaesers „nicht als das wahrgenommen, was sie ist – eine ganz elementare Quelle der Mittelherkunft für den Staat“. Diese Fehlwahrnehmung müsse sich ändern, fordert der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Siemens. Die Wirtschaft schaffe Arbeitsplätze, bezahle Steuern und sei damit „ganz elementare Quelle“ für den Staat und Sozialleistungen, „die wir in weiten Teilen zurecht machen“, erklärte Kaeser.
Wirtschaft muss wieder als „das Lebensblut unseres Landes“ gesehen werden – fordert Joe Kaeser
Kaeser forderte, dass immer wieder klar kommuniziert werden müsse, „dass die Wirtschaft eigentlich das Lebensblut unseres Landes“ sei. „Denn ohne Wirtschaft gibt es auch keinen Sozialstaat, vor allem nicht auf Dauer“, sagte er im Focus-Podcast. „Wir empören uns über alles Mögliche, aber schauen viel zu wenig darauf, wie wir unseren Wohlstand sichern.“ Das geht laut Kaeser dadurch, dass „wir alle die Wirtschaft zum Erfolgsfaktor führen“.
Dabei beobachtete der Manager, dass es in Deutschland keine ausgeprägte Gründerkultur gebe. „So richtig geheuer sind Start-ups in Deutschland der breiten Masse nicht“, erklärte Kaeser. Das sei in den USA ganz anders. Diese Einschätzung teilen auch Ökonomen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hat die deutsche Wirtschaft gerade im Bereich Innovationen viel Wachstumspotenzial.
Kaeser kritisierte dabei auch die Ampel-Koalition, die etwa Maßnahmen wie das Heizungsgesetz forciert habe, anstatt den Menschen Zuversicht und Sicherheit zu geben.