Beschluss kurz vor Weihnachten - Mehr Netto vom Brutto? Wem die geplanten Steuerentlastungen wirklich was bringen

Auf ihren letzten Metern will die Ampel-Koalition noch ein Steuerpaket auf den Weg bringen. Das Gesetz zum Ausgleich der kalten Progression bei der Einkommenssteuer und zur Erhöhung des Kindergeldes soll in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden, daraufhin muss noch der Bundesrat zustimmen.

Doch sind die versprochenen Steuerentlastungen tatsächlich ein Weihnachtsgeschenk – oder verbirgt sich in dem Paket eine Enttäuschung? Rechnungen lassen Letzteres befürchten. Vermutlich sorgen sie ab kommendem Jahr nur bei wenigen Menschen für mehr Netto vom Brutto. Für die Mehrheit der Steuerzahler reduzieren sie letztlich das bevorstehende Minus.

Geplante Steuerentlastungen werden nur wenigen Bürgern mehr Geld bescheren - das sind die Gründe

Das liegt hauptsächlich an den höheren Beiträgen für die

  • Rentenversicherung
  • gesetzliche Krankenversicherung (+0,8 Prozentpunkte, von 1,7 auf 2,5 Prozent)
  • und Pflegeversicherung (+0,2 Prozentpunkte, von 3,4 auf 3,6 Prozent).

Außerdem hatte das Bundeskabinett Anfang November infolge steigender Löhne und Gehälter die Beitragsbemessungsgrenzen für die Sozialversicherung angehoben. Diese legen fest, dass bis zu einem bestimmten sozialversicherungspflichtigen Bruttoeinkommen Sozialabgaben entrichtet werden müssen. Darüber hinaus drüber werden keine Abgaben fällig.

In der Krankenversicherung steigt die Grenze von 5175 Euro im Monat auf 5512 Euro, in der Rentenversicherung von 7550 Euro im Westen und 7450 Euro im Osten auf bundesweit 8050 Euro.

Die Sozialabgaben werden ab dem kommenden Jahr also rund 42 Prozent statt wie bisher 41 des Bruttolohns ausmachen.Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich die Beiträge zu gleichen Teilen.

Weiterhin erhöht sich der CO2-Preis ab dem kommenden Jahr um zehn Euro. Die Tonne CO2 kostet dann 55 Euro statt 45 Euro, sodass Tanken und Heizen teurer werden.

Wie sich Steuerpaket und steigende Abgaben auf die Einkommen auswirken

Wie wirken sich die steigenden Abgaben und die versprochenen Entlastungen nun konkret auf die Einkommen aus? Gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat „Welt am Sonntag“ ein paar Rechnungen angestellt.

Ein Single mit einem Jahresbruttoeinkommen von 50.000 Euro hätte abzüglich der gestiegenen Beiträge rund 233 Euro im Jahr weniger. Durch den möglichen Ausgleich der kalten Progression würde das Minus auf 38 Euro schrumpfen.

Einem Single, der 100.000 Euro brutto im Jahr verdient, würden nach den Abgaben 853 Euro jährlich fehlen. Durch den Ausgleich hätte er 169 Euro weniger zur Verfügung.

Eine alleinerziehende Person mit einem Kind und einem Jahresbruttoeinkommen von 36.000 Euro hätte nach den gestiegenen Abgaben 201 Euro weniger. Durch den Ausgleich sowie die Erhöhung des Kindergeldes würden ihr 13 Euro fehlen.

Bei einer alleinerziehenden Person mit einem Einkommen von 50.000 Euro wären es hingegen 246 Euro weniger, nach dem Ausgleich und dem gestiegenen Kindergeld beliefe sich das Minus auf sieben Euro.

Wer von steigendem Kindergeld und Ausgleich der kalten Progression profitiert

Diese Personengruppen hätten folglich trotz Steuerentlastungen weniger Geld im Portemonnaie . Lediglich eine Gruppe würde davon profitieren – und dann auch nur in einem Einkommensrahmen.

Dabei handelt es sich in dem Rechenbeispiel um die Familien – mit zwei gemeinsam veranlagten Partner und zwei Kindern.

Familien, bei dem die beiden Partner ein Gesamtbruttoeinkommen von 66.000 Euro im Jahr erzielen, hätten nach den entrichteten Ausgaben jährlich 342 Euro weniger zur Verfügung. Durch den Ausgleich und das gestiegene Kindergeld würde sich das Minus jedoch in ein Plus umkehren – und 40 Euro mehr im Jahr ergeben.

Ähnlich sieht es bei Familie mit einem Gesamtbruttoeinkommen von 90.000 Euro. Die Abgaben würden ihr Einkommen um 420 Euro jährlich schmälern. Durch das Steuerpaket hätten sie allerdings 50 Euro mehr zu Verfügung.

Die Rechnung, dass sich das Plus proportional mit dem steigenden Bruttoeinkommen in der Familie vergrößert, geht aber nicht auf. So hätten Familien, die 130.000 Euro brutto im Jahr verdienen, durch das Steuerpaket 227 Euro weniger. Ohne den Ausgleich und das Kindergeld würde das Minus 731 Euro betragen.

„Für die Steuerzahler wäre der Ausgleich der kalten Progression wichtig, um die Belastungseffekte zumindest abzumildern“, schlussfolgert Martin Beznoska, Steuerexperte des IW, zu „Welt am Sonntag“.