Bald sind 50 Prozent sofort weg - Immer weniger Netto: Sozialabgaben kosten 41,7 Prozent des Lohns - das ist erst der Anfang

Wie können wir die Sozialausgaben wieder senken?

Grundsätzlich gibt es drei Stellschrauben, die die Sozialausgaben beeinflussen. Die erste ist die Zahl der Empfänger. Je mehr Menschen Sozialleistungen bekommen, desto mehr muss auch bezahlt werden. Die zweite ist die Höhe der Zahlungen pro Empfänger. Wenn wir für eine Million Empfänger statt 10 Euro pro Jahr nur noch 5 Euro ausgeben würden, wäre das bereits eine Ersparnis von fünf Millionen Euro. Gehen wir dies also an den konkreten Sozialversicherungen durch. Die dritte Möglichkeit wäre, die Zahl der Einzahler zu erhöhen. Je mehr Leute in eine bestimmte Sozialversicherung einzahlen – ohne, dass dadurch die Zahl der Empfänger auch erhöht wird – desto weniger muss jeder Einzelne beitragen.

1. Rente

Wie oben gezeigt, wird die Zahl der Rentner in den kommenden zwei Jahrzehnten unweigerlich ansteigen. Wollen wir also Menschen im Alter Rentenzahlungen nicht komplett verweigern, wird auch unweigerlich die Zahl der Rentenempfänger ansteigen. Dieser Anstieg ließe sich lediglich ein wenig dadurch begrenzen, dass das Renteneintrittsalter auch nach 2031 von dann 67 Jahren weiter erhöht wird. Eine Idee, die vor allem bei der Unionsparteien CDU Unterstützung findet. CSU, FDP und Grüne zeigen sich zumindest offen, die SPD lehnt dies kategorisch ab.

Weniger Ausgaben pro Empfänger ließen sich mit einem niedrigeren Rentenniveau als den aktuellen 48 Prozent des Durchschnittslohns realisieren. Das würde allerdings auch bedeuten, dass jeder Rentner mit weniger Geld auskommen müsste als heute. Deswegen wird dies von allen Parteien außer der FDP abgelehnt, die dies zwar auch nicht befürwortet, aber zumindest darüber nachdenken würde.

Die Zahl der Einzahler in der Rentenversicherung ließe sich dadurch erhöhen, dass mehr Menschen in Deutschland einem sozialversicherungspflichtigen Job nachgehen. Das ließe sich etwa durch stärkere Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, mehr arbeitende Frauen und auch durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters erreichen. Wenig hilfreich wäre hingegen, Beamte und/oder Selbstständige auch in die Rentenversicherung aufzunehmen. Analysen von Ökonomen zeigen, dass dies zwar kurzfristig die Bilanz verbessern würde, sobald aber alle heutigen Beamten und Selbstständigen auch Rente beziehen, steigen die Kosten sogar noch an.

Eine vierte Möglichkeit für die Rente, die zuletzt die SPD ins Spiel brachte, wäre, die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung an- oder gar aufzuheben. Bisher bezahlen Spitzenverdiener über einem bestimmten Einkommen – aktuell 89.400 Bruttoeinkommen – keine Rentenversicherungsbeiträge mehr.

2. Gesundheitssystem

Die Zahl der Menschen, die das Gesundheitssystem inklusive Pflegeleistungen in Anspruch nehmen, wird mit einer immer älteren Gesellschaft unweigerlich steigen, weil ältere Menschen eben auch häufiger krank und/oder zu Pflegefällen werden. Grundsätzlich lässt sich dieser Anstieg aber auch begrenzen, ohne bestimmte Personen von Leistungen auszuschließen. Mit mehr Vorsorge und besserer Prävention ließe sich viel erreichen. Das geht von Impfungen über Ernährungs- und Sportprogramme und besserer Früherkennung schwerer Krankheiten bis hin zu Maßnahmen, die die Qualität von Trinkwasser und Atemluft verbessern. Nach einem jährlichen Index der Weltgesundheitsorganisation WHO liegt Deutschland hier zwar in Sachen Trinkwasser und Hygiene auf Spitzenplätzen, fällt aber schon bei der Feinstaubbelastung auf Platz 35 in der Welt ab und bei den Raten von Übergewicht bei Kindern und Erwachsenen sogar auf Platz 101 beziehungsweise 112. Raum für Verbesserungen wären also möglich.

Mehr Prävention würde zwar auch die Ausgaben pro Patient sinken lassen, aber in diesem Bereich zeigt sich ein auf den ersten Blick paradoxes Phänomen. Nicht nur in Deutschland gilt, dass mit der Qualität des Gesundheitssystems auch die Behandlungskosten pro Patient ansteigen. Das lässt sich damit erklären, dass in besseren Systemen auch komplexere und seltene Krankheiten und Verletzungen geheilt werden können, wofür aber immer teurere Geräte, Methoden und Medikamente notwendig sind. Zwar gibt es auch hier sicherlich Optimierungsmöglichkeiten, doch wenn wir in Deutschland nicht an der Qualität von Behandlungen sparen wollen, werden die Kosten unweigerlich steigen.

Die Möglichkeiten, mehr Beitragszahler in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zu bekommen, sind ähnlich wie bei der Rente. Mehr Erwerbstätige und eine Abschaffung oder Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen würden dies bewirken.

Wie stark lassen sich die Ausgaben wirklich begrenzen?

Eine Studie der Professoren Stefan Fetzer von der Hochschule Aalen und Christian Hagist von der „Otto Beisheim School of Management“ in Düsseldorf kommt zu dem Schluss, dass die Ausgaben ohne Nettozuwanderung schon 2040, sonst 2050 über 50 Prozent steigen werden und bis 2080 selbst im besten Szenario auf 60 Prozent anwachsen werden.

Die Studie hatten die Verbände der Familienunternehmer und Jungunternehmer im Frühjahr in Auftrag gegeben. Sie kamen zu dem Schluss, dass für eine Begrenzung dieses Anstieges bei der Rente sowohl das Niveau gesenkt als auch das Eintrittsalter erhöht werden müsste. Für das Gesundheitssystem wird eine Rückkehr der einst gescheiterten Praxisgebühr, diesmal Kopfpauschale genannt, ins Spiel gebracht. Allerdings würden dann Ihre Ausgaben nicht sinken, Sie würden statt höheren Beiträgen die Pauschale bezahlen.

Um die Kosten der Pflegeversicherung zu begrenzen, schlugen die Autoren schlicht weniger Leistungen vor. Stattdessen sollten Menschen ihre Pflegeausgaben eher privat leisten. Auch das würde aber das System an sich nicht günstiger machen, sondern die Ausgaben nur vom staatlichen in den privaten Bereich verlagern.

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