„Die Menschen sind stark verunsichert“

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Erding
  4. Erding

Kommentare

Anke Finauer-Heublein ist neue Leiterin.� Frust, Wut und Ohnmacht Zwei bis vier Monate Wartezeit © gerda Gebel

Erding- Anke Finauer-Heublein ist die neue Leiterin der Ehe-, Familien- und Lebensberatung in Erding und als solche seit einem halben Jahr tätig. Sie spricht über ihren Alltag.

Die Erdinger Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle der Erzdiözese München und Freising steht seit einem halben Jahr unter neuer Leitung. Die Diplom-Psychologin Anke Finauer-Heublein übernahm die Leitung von ihrer Vorgängerin Melanie Dietzsch. Für die 50-jährige Therapeutin war der Einstieg völlig reibungslos, wie sie berichtet.

Bereits seit 2019 ist Finauer-Heublein als Beraterin in Erding tätig und somit mit den Kolleginnen und den Abläufen bestens vertraut, „Ich habe nur das Zimmer gewechselt“, erklärt sie mit einem Lachen. Die gebürtige Thüringerin ist Mutter von drei Kindern und lebt in der Nähe von Erding. Sie absolvierte ihr Psychologiestudium in Bamberg. Neben ihrer Leitungstätigkeit betreibt sie in Anzing auch eine psychotherapeutische Privatpraxis. Nach Fortbildungen in Systemischer Therapie und klinischer Hypnosetherapie kann sie auf über zehn Jahre Erfahrung in Beratung, Psycho- und Paartherapie zurückgreifen.

Stabil geblieben seien in Erding die Schwerpunkte der Beratungsthemen, die mit 40 Prozent im Bereich Partnerschaft und Sexualität liegen. Zu Trennung und Scheidung lassen sich 23 Prozent der Klienten beraten, dieser Bereich liegt laut jährlicher Statistik in Erding etwas über dem Schnitt in der Gesamteinrichtung. Themen des familiären Zusammenlebens machen 18 Prozent der Gespräche aus, Soziales liegt bei elf Prozent, die restlichen acht Prozent fallen unter Lebensberatung.

Deutliche Auswirkungen der momentanen politischen Lage in Deutschland und der Welt sind bei den Ratsuchenden festzustellen. „Die Menschen sind stark verunsichert durch die gerade erst überstandene Coronakrise, dann die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Heizungskrise und vieles mehr“, konstatiert die Psychologin. Vermehrte Zukunftsängste sowie Gefühle von Frust, Wut und Ohnmacht seien in den Beratungsgesprächen aktuell bei vielen Menschen Thema. Hier rät die Therapeutin zu einer gewissen Rückbesinnung auf sich selbst, um wieder positiver denken zu können. „Rausgehen in die Natur und die Berge, Sport machen wie Schwimmen, Radfahren und Laufen, aber auch Zeit mit der Familie und Freunden verbringen, sich mit Menschen austauschen, sich letztlich auf die Bereiche besinnen, die man selbst beeinflussen kann, das beschert uns positivere Gefühle und Gedanken.“

Um effektiv helfen zu können, wäre es ratsam, dass die Klienten frühzeitig zur Beratung kommen und nicht erst, wenn die Beziehung schon weitgehend am Ende und von Frustration, negativen Gedanken über den anderen, Resignation und Hoffnungslosigkeit geprägt ist, betont Finauer-Heublein. Hilfreich sei bei Problemen in der Partnerschaft die Akzeptanz und Wertschätzung des Partners auch bei Konflikten, denn es sollte nicht „ums Rechthaben“ gehen, meint sie. „Zuhören und den anderen wirklich verstehen wollen, sozusagen die Welt für den Moment einmal aus den Augen des anderen zu betrachten, bedeutet nicht gleichzeitig, die eigene Meinung aufgeben zu müssen. Streit entzweit“, weiß die erfahrene Beraterin. „Verstehenwollen hingegen bedeutet Interesse am anderen, an seiner Sicht und seinen Empfindungen und schafft dadurch große Nähe. Dazu braucht es natürlich die Bereitschaft und Fähigkeit, sich selbst kritisch zu hinterfragen.“

In der Erdinger Beratungsstelle in der Landgestütstraße sind derzeit drei Beraterinnen tätig, die Wartezeit für neue Klienten beträgt zwei bis vier Monate. Deutlich kürzer sind die Wartelisten laut Finauer-Heublein in Freising und Ebersberg. Die Beratungsgespräche laufen hauptsächlich in Präsenz ab, sind aber auch per Telefon oder Videochat möglich, falls Klienten dies aus bestimmten Gründen wünschen. „Die Aufgabe des Therapeuten ist es unter anderem, die Klienten dabei zu unterstützen, gute und hilfreiche Wachstumsschritte für sich zu tun und gemeinsam – ob als Einzelpersonen oder als Paar – die oft unbewusst längst vorhandenen Lösungsmöglichkeiten zu erkennen und zu heben. Das ist immer wieder eine sehr schöne und zufriedenstellende Aufgabe.“

Nicht schaden könne dabei eine Portion Humor, „denn mit ein bisschen Humor geht das noch viel leichter von der Hand. Das merken auch die Klienten, denn Humor distanziert und relativiert.“ weiß Finauer-Heublein. Das kostenlose konfessionsunabhängige Angebot der Erzdiözese auf Spendenbasis steht allen Bürgern offen, die Beraterinnen unterliegen der Schweigepflicht.

Info

Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese München und Freising, Landgestütstraße 10, Erding, Tel. (0 81 22) 9 37 64. www.erzbistum-muenchen.de/eheberatung-oberbayern

Frust, Wut und Ohnmacht

Zwei bis vier Monate Wartezeit

Auch interessant

Kommentare