Es droht wieder „Krieg wie zur Zeit unserer Großeltern“, warnt Mark Rutte. Leider haben manche Europäer und ein Amerikaner das immer noch nicht verstanden. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Eine solche Rede hat man in Berlin lange nicht mehr gehört. Vor einem Krieg, wie ihn „unsere Großeltern und Urgroßeltern erlebt haben“, warnte am Donnerstag Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Wenn die Europäer zuließen, dass die Ukraine fällt, seien „wir Russlands nächstes Ziel“. Dann müssten Summen für Abschreckung und Verteidigung ausgegeben werden, die so gigantisch seien, dass sich die Hilfen für Kiew daneben wie Peanuts ausnähmen. Überall in Europa gäbe es dann „Notfallhaushalte“. Putin-„Expertin“ Sahra Wagenknecht und die deutsche Pazifistenfraktion werden auch das wieder als Kriegsgeschrei abtun. Was aber, wenn sich Wagenknecht schon wieder irrt, so wie 2022, als sie einen russischen Überfall auf die Ukraine ausschloss und alle Warnungen der Geheimdienste als Panikmache diffamierte?
Ruttes Rede als Weckruf für Europa – „Was ist Putin dann bereit, uns anzutun?“
Wenn Putin schon 1,1 Millionen tote und verwundete Russen für die Eroberung der Ukraine in Kauf zu nehmen bereit war – „was ist er dann bereit, uns anzutun?“, lautet Ruttes (rhetorische) Frage. Schon jetzt testet Moskau täglich die Verteidigungsbereitschaft der Europäer. Man darf davon ausgehen, dass Ruttes Worte nicht nur den zögernden Ukraine-Helfern in Europa galten – Deutschland unter Kanzler Merz ist hier eine rühmliche Ausnahme –, sondern unausgesprochen auch US-Präsident Trump, zu dem der Nato-Chef an sich einen guten Draht hat. Das ist ja das Schlimme: Mit dem einzigen, den der Kriegsherr Putin fürchtet, kann Europa nur noch in stark chiffrierter Form kommunizieren aus Angst, ihn zu reizen oder gar zum Austritt aus der Nato zu veranlassen. Auch um Trumps neue US-(Un-)Sicherheitsdoktrin schleichen Europas Führer herum wie die Katzen um den heißen Brei – verständlicherweise.
Um Trumps neue US-Sicherheitsdoktrin schleichen Europas Anführer herum wie die Katzen um den heißen Brei
Die Ukraine geht einer traurigen vierten Kriegsweihnacht entgegen. Hoffentlich haben die Europäer gut zugehört bei Ruttes dramatischem Weckruf.