Mit zwei Sätzen stimmt Merz die Deutschen auf Herbst der Zumutungen ein
Wie das so seine Art ist, ging Kanzler Friedrich Merz im ARD-Sommerinterview gleich in die Vollen. Er kündigte einen Herbst der Sozialreformen an. Allerdings sollen sich zunächst Kommissionen mit dem Reformbedarf bei der Rente und im Gesundheitswesen befassen.
Das wird, so hat es die schwarz-rote Koalition beschlossen, innerhalb der nächsten zwei Jahre geschehen und nicht bereits im Herbst. Dagegen soll die Umwandlung des Bürgergelds in eine abgespeckte Grundsicherung bereits im nächsten Jahr in Kraft treten.
Merz erwägt Einschnitte für Bürgergeld-Empfänger
Konkret wurde Merz – was die Reformen angeht – vor allem bei der Kostenerstattung für die Unterkünfte von Bürgergeldempfängern. Er erwägt unter anderem eine Deckelung der Mieterstattung.
Der Kanzler wörtlich: „Auch die Wohnungsgröße zu überprüfen, ist denkbar. Sie haben in den Großstädten heute teilweise bis zu 20 Euro pro Quadratmeter, die sie vom Sozialamt oder von der Bundesagentur bekommen für Miete. Das sind bei 100 Quadratmetern schon 2.000 Euro im Monat, das kann sich eine normale Arbeitnehmerfamilie nicht leisten.“
Im ARD-Sommerinterview spricht Merz über Kürzungen bei Kassenleistungen
Bei der Krankenversicherung lehnte Merz eine Einbeziehung der privat Versicherten in die gesetzliche Krankenversicherung ab. Er schloss jedoch nicht aus, dass die Kassen ihre Leistungen künftig kürzen könnten.
Merz fragte: „Wo fängt Eigenverantwortung an? Wo hört Eigenverantwortung auf und geht in Solidarität über?“ Diese Grenzen müssten neu gezogen werden. Und: „Wir werden auch über die Beitragszahler sprechen.“
Das lässt sich nur so interpretieren, als dass Merz eine höhere Eigenbeteiligung für Versicherte vorschwebt. Und seine Ankündigung, man müsse „über die Beitragszahler sprechen“, lässt mehrere Möglichkeiten zu: höhere Krankenkassenbeiträge, eine höhere Beitragsbemessungsgrenze oder beides.
Aber was kann der Kanzler umsetzen?
Höhere Kassenbeiträge gelten allerdings als problematisch, weil sie zur Hälfte von den Arbeitgebern übernommen werden. Das würde die Arbeitskosten weiter erhöhen. Gegen eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze hat die CDU/CSU bisher stets Front gemacht.
Aktuell liegt die Beitragsbemessungsgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung bei 5.512,50 Euro im Monat. Der Kassenbeitrag wird nur bis zu dieser Einkommenshöhe erhoben. Das heißt: Auch wer 8000 Euro im Monat verdient, zahlt keinen höheren Beitrag als jemand mit 5.500 Euro.
Der Merz-Vorstoß im Sommerinterview dürfte nicht mit dem Koalitionspartner SPD abgestimmt sein. Vielmehr muss man davon ausgehen, dass die SPD höhere Krankenkassenbeiträge ebenso strikt ablehnt wie Leistungskürzungen der gesetzlichen Krankenkassen. Eine Deckelung der Mieterstattung bei Bürgergeldbeziehern wird mit der SPD ebenfalls kaum zu machen sein.
SPD hat für die „kranken“ Kassen ein einfaches Rezept
Eines hat Merz im Sommerinterview klargemacht: Er will offenbar von „Außenkanzler“ auf „Innenkanzler“ umschalten, gibt den Sozialreformen höchste Priorität. Das solche dringend notwendig sind, wird selbst in der SPD nicht bestritten.
Die Sozialdemokraten haben für die „kranken“ Kassen und auch für die Rentenversicherung ein einfaches Rezept: mehr Geld. Geld, das natürlich von den „Reichen“ kommen soll. Merz hingegen drängt auf einen abgespeckten Sozialstaat.
Die entsprechenden Kommissionen stehen vor einer äußerst schwierigen Aufgabe, weil CDU/CSU und SPD hier höchst unterschiedliche Konzepte verfolgen. Mit seinem Vorstoß hat Merz jedenfalls die Bürger schon mal auf härtere Zeiten einzustimmen versucht.
Nur scheint der Kanzler dabei vergessen zu haben, dass die Union nicht allein regiert. Und die SPD wiederum wird alles tun, um allzu schmerzliche Einschnitte beim Sozialen unter allen Umständen zu vermeiden. Da kommen harte Zeiten auf Schwarz-Rot zu und womöglich auch für viele Bürger.