Deutsche KI-Drohnen im Ukraine-Krieg: Die Jagd auf Putins Soldaten – und das große Geld

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Deutsche KI-Drohnen im Ukraine-Krieg: Die Jagd auf Putins Soldaten – und das große Geld

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Angriff auf das große Geld: Die Helsing-Drohne HX-2 wird demnächst von der Bundeswehr getestet, der Vorgänger läuft schon seit einigen Monaten einigermaßen erfolgreich in der Ukraine. Momentan scheint die Künstliche Intelligenz noch nicht ausgereift. © Helsing

Ein Münchner Start-up mischt wohl den Rüstungsmarkt auf: KI-Drohnen von Helsing lernen gerade an der Front, was sie gegen Putins Armee können müssen.

Kiew – „Mit dieser Drohne aus Deutschland können wir die russische Logistik weit hinter der Front angreifen“, sagt „Romero“. Der Soldat fliegt Drohnen für die Ukraine im Kampf gegen Wladimir Putins Invasionsarmee und hat gegenüber der Bild jetzt die Kamikaze-Drohne HF-1 gelobt. Die mit Künstlicher Intelligenz aufgerüstete Waffe wird scheinbar seit rund einem Jahr in der Ukraine eingesetzt und soll auch die Bundeswehr verstärken. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte jüngst eine aktuelle Drohnen-Version des Münchner Hightech-Unternehmens geordert – zum Testen.

Wie die Bild schreibt, sei das Mörderische an der deutschen Drohne, dass deren Zielerfassung mit Künstlicher Intelligenz arbeite; insofern werden die Daten in der Phase des Zielanflugs softwareseitig verarbeitet, und die Drohne bleibt gegen Störungen der russischen Seite immun. Kateryna Bondar kommt in ihrer Studie vom August vergangenen Jahres zu dem Ergebnis, dass eine engere Kooperation zwischen Rüstungsmächten und der technischen Findigkeit der Ukrainer zwingend erforderlich sei, um in einem kommenden Krieg zu bestehen.

Lehren aus dem Drohnen-Krieg: Start-ups kosten sehr viel Geld, „wobei ihnen meist die Luft ausgeht“

Die Analystin des Thinktanks Center for Strategic and International Studies (CSIS) argumentiert, dass das Studium der Vorgehensweise unter Kriegsbedingungen in der Ukraine zu direkten Verbesserungen im Produktionsprozess neuer konkurrenzfähiger Drohnen führen müsste. Bondar untersucht das Thema zwar aufgrund des angespannten Verhältnisses zwischen den USA unter Donald Trump und der Ukraine. Aber die Notwendigkeit realer Praxis-Erprobung stellt sich für Deutschland gleichermaßen: den Beschaffungsprozess zu optimieren, „indem es die Erfahrungen der Ukraine in Bezug auf verbesserte Anpassungsfähigkeit, Verfeinerung von Testumgebungen, Verbesserung der Ausbildung, Förderung des KI-Einsatzes und – am wichtigsten – Etablierung effektiver Feedbackschleifen zur Drohnenleistung auf dem Schlachtfeld einbezieht“, wie die CSIS-Analystin festhält.

„Man sieht, dass einige Unternehmen derzeit richtig durchstarten, was Umsatz und Dynamik angeht, weil sie ein System entwickelt haben, das von Nutzern in der Ukraine und der Nato sehr geschätzt wird“

Björn Müller hat noch im vergangenen Jahr geklagt, dass Deutschland ein Ökosystem für militärische Drohnen-Start-ups fehle. Zwar nennt der Autor des deutschen Reservisten-Magazins loyal als Fortschritt die Wehrtechnische Dienststelle 61 in Manching, zu der seit 2021 ein „Drone Innovation Hub“ gehöre, wie Müller schreibt. „Der kann Unternehmen zwar Halle und Felder zum Testen bieten, aber der Hub hat keine Werkzeuge, um vielversprechende Vorhaben finanziell zu flankieren. Die zahlreichen Studien, Modelle und Demonstratoren, die es braucht, um überhaupt an die Tür des Beschaffungsprozesses zu gelangen, kosten Start-ups sehr viel Geld, wobei ihnen meist die Luft ausgeht.“

Das Münchner Unternehmen Helsing scheint einen Umweg gegangen zu sein. Ebenso wie das in Berlin ansässige Unternehmen Stark Defense, von denen Verteidigungsminister Pistorius ebenfalls Drohnen zum Testen beschaffen will, scheinen Drohnen von Helsing sich bereits in der Ukraine im Einsatz befinden. Bisher 4.000 Drohnen in der Ukraine hat die deutsche Bundesregierung bezahlt, laut der Bild seien davon bereits etwas mehr als 1.000 Stück geliefert worden; 6.000 weitere seien noch möglich, wobei die finale Förderzusage wohl noch fehle, wie die Bild ergänzt.

Für Helsing und Unternehmen ähnlichen Zuschnitts wäre das der Einstieg in das große Rüstungsgeschäft, in dem sie dann den big playern wie Rheinmetall ebenbürtig werden könnten – weil sich eben die Anforderungen an Rüstungsgüter gewandelt haben: Praktiker sprechen von den Drohnen mittlerweile als Ersatz für Artillerie; wenn sich das verfestigt, würden Firmen wie Rheinmetall weniger Rohre produzieren müssen und weniger beziehungsweise andere Arten von Munition. Für diese riesigen Unternehmen wäre aber vielleicht die Umstellung schwieriger als für flexible Kleinunternehmen, die ihre eigentliche Wertschöpfung eher in der Software verorten.

Krieg als Chance: Viele Start-ups der Verteidigungstechnologie profitierten von Verträgen mit der Ukraine

„Viele Start-ups im Verteidigungstechnologiebereich profitierten in den letzten Jahren von Verträgen mit der Ukraine und konnten ihre Geschäftstätigkeiten erfolgreich starten. Die Herausforderung werde jedoch darin bestehen, längere und größere Verträge abzuschließen“, schreibt Anne Sraders. Die Autorin des Start-up-Magazins Sifted sieht in den Einsätzen in der Ukraine, über die die Bild so überschwänglich lobt, das Bemühen, sich langfristig zu etablieren. Möglicherweise ist das Wohlergehen der Ukraine lediglich ein Nebeneffekt neben kommerziellen Klimmzügen einer Softwareschmiede: dem Versuch der „Aufnahme in ein sogenanntes Programm“, wie Sraders das formuliert, einen planbaren Finanzierungsrahmen, um mit den eigenen Produkten eine „Verteidigungsfähigkeit“ herzustellen.

„Das dauert in der Regel einige Zeit, denn die Kunden wollen natürlich zunächst sehen, ob man zuverlässig ist, ob ein Produkt funktioniert, ob es sich in ihre übrigen Produkte integrieren lässt usw. Und dann laufen die Prozesse natürlich nicht sehr schnell“, zitiert die Autorin Christian Saller; der gehört zum deutschen Venture-Capital-Unternehmen HV Capital und ist Investor von Quantum Systems, einem Unternehmen von ähnlicher Ausrichtung wie Helsing.

Putins Krieg als Innovationsmotor: Noch scheinen die Produkte der Münchner nicht ganz ausgereift zu sein

Noch scheinen die Produkte der Münchner nicht ganz ausgereift zu sein – die ukrainische Armee hat gegenüber der Bild Kritik geübt: Die in Deutschland programmierte künstliche Intelligenz funktioniere wohl bislang nur auf dem letzten Kilometer bis zum Ziel. Bis dahin müssten Drohnen-Pilot und Drohnennavigator gemeinsam ihren Weg ins Zielgebiet finden, schreibt Bild-Autor Julian Röpcke. Ein Unternehmen wie Helsing muss also noch an ihrer Software feilen – und ebenso am Geschäftsmodell. Wenn die Ukraine sich rühmt, dass ihre eigenen Unternehmen aus Garagen heraus produzierten, sind das offenbar andere Dimensionen als das, was Helsing vorhat.

In der Ukraine wird geschraubt und gewerkelt, um das Überleben einer Nation zu sichern, Helsing kämpft vorrangig um Marktanteile und um eine Kapitalisierung ihrer schöpferischen Leistungen. Sifted-Autorin Sraders spielt durch, wie sich Unternehmen wie Helsing etablieren könnten: Durch Fusion der eigenen Software-Leistung mit einem Partner für die Hardware – möglicherweise mit einem global player wie Rheinmetall, weil ansonsten das Geld für die Serienreife der eigenen Produktion ausgehen könnte.

Hausgemachte Aufrüstung: „Man sieht, dass einige Unternehmen derzeit richtig durchstarten“

„Einige Risikokapitalgeber glauben auch, dass Unternehmen erkennen, dass es nicht ausreicht, sich nur auf eine Sache wie Software zu konzentrieren“, schreibt Anne Sraders und zitiert Investor Christian Saller: „In der Verteidigung funktioniert es einfach nicht, nur Software zu entwickeln, oder das Geschäft ist nicht groß genug.“ Das Geschäft mit Drohnen scheint jedenfalls in der Ukraine unendlich groß zu sein, sollten die westlichen Investoren weiter spendabel bleiben. Wie Euronews aktuell berichten, habe der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj deutlich gemacht, dass rund 30 Prozent des Bedarfs der Armee im Inland produziert würden – „eine Zahl, die er als ‚nicht ausreichend, aber dennoch signifikant‘ bezeichnete“, wie Euronews-Autorin Johanna Urbancik berichtete.

Demnach müssten zwei Drittel des Armee-Bedarfs weiterhin aus dem Ausland gedeckt werden. Eine Chance also für ein kleines, wachsendes Unternehmen, aufgrund des Drucks des aktuellen Kriegsgeschehens an große Aufträge heranzukommen. Damit könnten auch die Newcomer auf dem Markt zu den Produzenten der kriegsentscheidenden Technik avancierten, also zu „Hauptauftragnehmern“, die in direkter Beziehung zum Auftraggeber stünden, beispielsweise einer Regierung, vermutet William McManners, wie ihn Sifted wiedergibt. Der Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Londoner Risikokapitalgebers One Ventures „glaubt, dass Regierungen in ganz Europa aufgrund des Drucks von Markt und Medien mehr Unternehmen den Hauptauftragsstatus ermöglichen werden“.

Jeannette zu Fürstenberg erklärt, laut Sifted, den Erfolg von Helsing damit, dass das Münchner Unternehmen auf ein Marktsegment abziele, für das es für die Kunden noch keine praktikablen Lösungen gebe. Die Geschäftsführerin der globalen Venture-Capital-Gesellschaft General Catalyst zeigte sich gegenüber dem Magazin sicher ob des Erfolgs ähnlicher Geschäftsideen: „Man sieht, dass einige Unternehmen derzeit richtig durchstarten, was Umsatz und Dynamik angeht, weil sie ein System entwickelt haben, das von Nutzern in der Ukraine und der Nato sehr geschätzt wird“.

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