Wirkung wie Artillerie: Ukraine schlägt mit Glasfaserdrohne gegen Putin zurück

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Drohnenwerkstatt in der Region Donezk: Ein Soldat repariert ein Kommunikationsmodul. Allerdings setzen mittlerweile beide Kriegsparteien auf Drohnen mittels Glasfaser-Steuerung. Diese Drohnen-Art könnte das Kriegsgeschehen im laufenden Jahr bestimmen. © IMAGO / Mykhaylo Palinchak / SOPA Images

Die Ukraine hat wohl eine Glasfaser-Fabrik in Russland zerstört. Und auch Putins Glasfaserdrohnen stehen zum Abschuss an. Die Ukraine schlägt zurück.

Kiew – „Mit Glasfaserkabel gesteuerte Drohnen verändern den Krieg in der Ukraine“, schreibt Werner J. Marti. Der Autor der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) geht sogar davon aus, dass dieser Umstand eher Kiew stärken wird als Wladimir Putins Invasionsarmee. Das beweist offenbar ein Angriff, den die Ukraine jetzt erfolgreich geführt hat: gegen eine Quelle der Glasfaser.

Wie Defense Express berichtet hat, habe die Ukraine einen schweren Angriff mit konventionellen Drohnen auf Russland geführt und damit den Aggressor einer seiner Produktionsanlagen für Rüstungsgüter beraubt: „Zu den Hauptzielen gehörte das Werk Optikovolokonnye Sistemy, Russlands einziger Hersteller von Glasfaserkabeln für Drohnen und andere Anwendungen“, schreibt das Magazin. Die Angriffsdrohnen sollen dabei um die 1.500 Kilometer zurückgelegt haben. Attraktiv war das Ziel wohl vor allem deshalb, weil Russland auf dem ukrainischen Schlachtfeld zunehmend Drohnen mit Glasfaser einsetzt, um so die Störungen durch die elektronische Kriegsführung auszuhebeln.

Ukraine-Krieg: Seit einem Jahr tauchen Glasfaser-Drohnen häufiger in Kampfeinsätzen auf

Seit einem Jahr tauchen Glasfaserdrohnen häufiger in Kampfeinsätzen auf, schreibt aktuell das Portal Business Insider (BI) und nimmt Bezug auf die Klage eines Majors einer ukrainischen Einheit für elektronische Kriegsführung: Die Drohnen seien „ein echtes Problem“, weil „wir sie nicht elektronisch aufspüren und abfangen können“, sagt Yuriy, wie ihn der BI nennt. Im Gegensatz zu kabellosen Drohnen, die durch Funk- oder Wi-Fi gesteuert würden, sei eine Glasfaserdrohne über ein ultraleichtes Glasfaserkabel mit der Bodenstation verbunden. Diese physische Verbindung sichere eine störungsfreie, latenzarme, also sehr reaktionsschnelle Datenübertragung.

„Ich bin überzeugt, dass diese Kategorie von Glasfaserdrohnen zumindest bis Ende dieses Jahres eine zentrale Rolle auf dem Schlachtfeld spielen wird. Deshalb bieten wir alle notwendigen Anreize, um ihre Produktion zu steigern.“

Defense Express stützt sich auf verschiedene Quellen, denen zufolge die jetzt angegriffene Produktionsstätte Optikovolokonnye Sistemy pro Jahr rund vier Millionen Kilometer Glasfaser produzieren soll – eine durch Glasfaser gesteuerte Drohne hängt an einer 20 Kilometer langen Rolle. Allerdings ist weder bekannt, welchen Schaden die Drohne tatsächlich verursacht hat, noch in welchem Ausmaß die kämpfende russische Truppe davon beeinträchtigt wird – Glasfasern werden in Russland auch importiert.

Laut der Statistik-Website Observatory of Economic Complexity (OEC) habe Russland im Jahr 2023 Glasfasern und Glasfaserbündel im Wert von 262 Millionen US-Dollar (239 Millionen Euro) importiert, liege mit diesem Volumen aber lediglich auf Platz 22 im Vergleich zu anderen dieses Produkt importierenden Ländern. Von allen in Russland importierten Gütern liege Glasfaser auf Rang 183, so das OEC. Dem zufolge habe Russland im Jahr 2023 Glasfasern und Glasfaserbündel vor allem aus China importiert, mit einem Volumen von 88,5 Millionen US-Dollar (81 Millionen Euro). Daneben offenbar aus Irland, GroßbritannienDeutschland und Armenien.

Volltreffer in Russland: Drohnen entfalten mittlerweile die gleiche Wirkung wie Artillerie-Angriffe

Neben der Fabrik für Glasfasern soll die Ukraine mit ihrem Drohnen-Angriff auch eine Industrieanlage in Tschapajewsk getroffen haben. Defense Express bezieht sich auf den Gouverneur der angegriffenen Region Samara. Demnach sollen in Tschapajewsk zwei Sprengstoff-Fabriken das Ziel gewesen sein, so Gouverneur Wjatscheslaw Fjodorischtschew. Das Magazin spricht davon, dass das Ziel in Saransk etwa 670 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt gelegen haben soll, das in Tschapajewsk etwa 900 Kilometer

Wie Defense Express weiter veröffentlicht, sollen russische Staatsmedien davon ausgehen, dass die Drohnen keine geradlinige Strecke geflogen sein, sondern eher einen Zick-Zack-Kurs, um die russische Luftabwehr zu umkurven. Dadurch könnte eine Distanz vom Startpunkt aus von bis zu 1.500 Kilometern bis zu Aufschlag möglich gewesen sein. Wie die Ukrainska Prawda aktuell berichtet, habe jetzt aber auch die Ukraine damit begonnen, für kurze Distanzen auf Drohnen mit einer Anbindung durch Glasfaser zu setzen. Oleksandr Syrskyj hatte das jüngst verkündet, um offenbar die Widerstandsfähigkeit der Glasfaser-Steuerung zu nutzen, so der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte.

Obwohl die Drohnen mittlerweile die gleiche Wirkung entfalteten wie Artillerie-Angriffe, habe Russland in letzter Zeit mit elektronischen Gegenmaßnahmen wirkungsvoll gegen ukrainische Drohnen-Offensiven gegenhalten können. „Glasfaserdrohnen sind das neue Must-have im Ukraine-Krieg“, schreibt Roman Pahulych. „Früher konnten unsere Leute sicher auf Waldwegen fliegen, da der Wald Funksignale blockiert“, zitiert der Autor von Radio Free Europe/Free Liberty den ukrainischen Soldaten Serhij Beskrestnow – damit wiederum hätten Infanteristen, Artilleristen in ihren Geschützstellungen oder Besatzungen von gepanzerten Fahrzeugen möglicherweise ein wenig Schutz wiedergewonnen.

Möglicherweise muss sich die Ukraine an die neue Waffe erst herantasten – Roman Pahulych berichtet von Anfangs-Erfolgen: „Die ersten Tests unserer Drohnen verliefen aufgrund von Problemen mit den Glasfaserspulen nicht sehr erfolgreich. Die jüngsten Tests zeigten jedoch, dass es Optionen von mindestens sechs Herstellern gibt“, sagte ihm Serhij Beskrestnov.

Innovation der Ukraine: Unantastbarkeit der Glasfaserdrohnen vielleicht schon wieder Geschichte

Wie das Magazin The War Zone berichtet hat, war bereits Anfang vergangenen Jahres eine abgestürzte angebundene Drohne gefunden worden. Eine an der Drohne befestigte Spule für das Glasfaserkabel soll einen Hinweis darauf enthalten haben, wonach die Leitung mehr als zehn Kilometer lang gewesen sein sollte. Immerhin sind diese Drohnen immun gegen jegliche Einflussnahme von außen – die um so leichter einwirken kann, je länger die Distanz zwischen Pilot und Drohne wird. Inzwischen ist die mögliche Distanz von Glasfaser-Drohnen auf 20 Kilometer gestiegen – Gerüchten zufolge sollen sogar 40 Kilometer möglich sein; die Reichweite hängt aber extrem von der Geländebeschaffenheit ab. In einem dichten Wald könnte sich das Kabel verheddern.

Anfang Januar hatte das Magazin The War Zone (TWZ) berichtet, die Unschlagbarkeit der Glasfaserdrohnen sei aber vielleicht schon wieder Geschichte. Autor Howard Altman berichtet von Bekundungen der ukrainischen Magyar Birds Brigade, dass sie inzwischen von mobilen Radaren Nachricht erhielten über herannahende Drohnen, selbst wenn diese noch mehrere Kilometer entfernt seien. Sobald sie diese Bedrohung lokalisiert hätten, würde die Einheit ihre eigenen Drohnen starten, um die gegnerischen abzufangen. Als Beweis hätte Robert Brovdi auf Telegram ein Video veröffentlicht – in dem soll der Kommandant der Brigade angeblich zeigt, wie eine seiner Drohnen eine russische glasfasergesteuerte FPV-Drohne zerstört, so TWZ.

Altman vermutet, diese „mobilen Radare“ seien Mikrowellenradare. Ihm zufolge sei deren kurze Wellenlänge optimal, um kleine und langsame Drohnen aufzuspüren. Allerdings sei deren Reichweite beschränkt auf wenige Kilometer, was die Reaktionszeit enorm verkürze. Brovdi fordere aus diesem Grund eine Art Perlenkette aus mobilen Radargeräten entlang der Frontlinie, um die Aufklärungsquote zu erhöhen.

Offensive gegen Putin: Glasfaserdrohnen spielen bis Ende dieses Jahres zentrale Rolle auf dem Schlachtfeld

Das würde den mit Glasfaser gesteuerten Drohnen den Stachel ziehen: Aufgrund der Glasfaser-Spule seien die Drohnen selbst sehr schwer und behäbig – abgesehen von deren durch die Spule verringerten Nutzlast. Die Glasfaserdrohnen würden so zur leichten Beute von Jägerdrohnen werden. Dennoch scheinen sie der letzte Schrei zu sein unter den konventionellen Drohnen, die noch ohne Künstliche Intelligenz manuell ins Ziel gesteuert werden müssen.

Hunderttausende würden bereits allein davon produziert worden sein, erklärte Mychajlo Fedorow gegenüber Euronews. Laut dem ukrainischen Minister für digitale Transformation würden ohnehin 95 Prozent der von der Ukraine eingesetzten Drohnen im Inland produziert – darunter seien mehr als zehn Unternehmen, die Glasfaserdrohnen herstellten. Allerdings würden teilweise Komponenten gebraucht, die auch aus China importiert werden müssten.

„Ich bin überzeugt, dass diese Kategorie von Glasfaserdrohnen zumindest bis Ende dieses Jahres eine zentrale Rolle auf dem Schlachtfeld spielen wird. Deshalb bieten wir alle notwendigen Anreize, um ihre Produktion zu steigern.“

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