Erdogan geht erneut gegen Opposition vor – „Türkei ist ein politisches, wirtschaftliches und rechtliches Wrack“
Präsident Recep Tayyip Erdogan geht erneut hart gegen die Opposition vor, um seine Kritiker zu schwächen. Die Opposition fordert dagegen Neuwahlen.
Ankara – Erneut geht die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan gegen die Opposition vor. Der Chefredakteur des oppositionellen Fernsehsenders Halk TV, Suat Toktas, wurde verhaftet und am Mittwochabend in das Istanbuler Gefängnis Silivri gebracht. Baris Pehlivan und drei weitere Journalisten des Senders wurden zunächst ebenfalls festgenommen und nach dem Verhör unter Auflagen freigelassen. In dem Fall geht es um das Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen zwischen Personen sowie den Versuch, einen Sachverständigen zu beeinflussen. Toktas sagte nach Angaben seines Senders in seiner Verteidigung, er habe nur seine Arbeit als Journalist gemacht.
Türkei hat mit vielen Problemen zu kämpfen: „Die Regierung steht unter Druck“
Die Türkei hat derzeit mit vielen Problemen zu kämpfen und es seien viele Gründe für Erdogan vorhanden, um mit solchen Maßnahmen gegen Oppositionelle vorzugehen, sagt der Journalist Mustafa Kemal Erdemol von Halk TV im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA. „Die Gründe für sind vielfältig: Die Regierung steht unter Druck. Zuletzt gab es ein verheerendes Feuer in einem Skihotel. Dort hat es ein Behördenversagen gegeben. Mangelnde Kontrollen haben zu dem Tod von 79 Menschen geführt. In den Umfragen verliert die Regierungspartei AKP zunehmend. Und was die Außenpolitik anbelangt, ist die Türke isoliert.“
Erdogan will kritische Stimmen in der Türkei mundtot machen
Ähnlich sieht es die türkische Exiljournalistin Rachel Hebun Özdemir. Es gehe vor allem darum, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen. „Journalisten werden verhaftet, weil sie über die Gesetzesbrüche und Korruption des Erdogan-Regimes schreiben“, sagt Özdemir im Gespräch mit unserer Redaktion. „Erdogan fügt den Verbrechen, die er bereits begangen hat, neue hinzu, um nicht strafrechtlich verfolgt zu werden. Er inhaftiert, verbannt und bedroht sogar Journalisten, um sie zum Schweigen zu bringen“, so die Exiljournalistin.

Özdemir zufolge seien derzeit 49 Journalisten hinter Gittern. Wie schlecht es um die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei bestellt ist, bestätigt auch Reporter ohne Grenzen (ROG). Das Land ist im Pressefreiheitsindex von ROG auf Platz 158 unter 180 Staaten.
Repression in der Türkei werden offenbar in Zukunft anhalten
Sowohl Erdemol als auch Özdemir gehen davon aus, dass die Türkei nicht so schnell wieder zur Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückfinden wird. „Ich glaube, dass die Repressionen gegen die Opposition nicht so schnell aufhören. Ähnliche Dinge werden auch in Zukunft geschehen und mich würde das nicht überraschen“, so Erdomol. Ähnlich auch die Exiljournalistin Özdemir.
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„Die Türkei wird in ein zunehmend repressives Umfeld hineingezogen. Selbst die kleinste Kritik wird nicht geduldet. Der Druck, die Gewalt und die Einschüchterungsmaßnahmen des Staates nehmen von Tag zu Tag zu.“ In den vergangenen Jahren ist die Regierung von Präsident Erdogan gnadenlos gegen die Opposition und vor allem Journalisten vorgegangen. „Die Türkei ist heute ein politisches, wirtschaftliches, rechtliches und soziales Wrack“, empört sich Özdemir.
Unterdrückung von politischen Gegnern in der Türkei: Erdogan will Gegner Imamoglu schwächen
Bei den Repressionen in der Türkei geht es offenbar nicht nur darum, kritische Journalisten zum Schweigen zu bringen, sondern auch den Istanbuler Oberbürgermeister Ekrem Imamoglu von der Oppositionspartei CHP zu schwächen. Der CHP-Politiker gilt als Herausforderer von Erdogan bei einer zukünftigen Präsidentenwahl. Gegen den beliebten Bürgermeister laufen mehrere Verfahren, unter anderem droht ihm ein politisches Betätigungsverbot. Am Freitag wurde er zur Staatsanwaltschaft einbestellt. Eine Verhaftung von Imamoglu gilt allerdings als unwahrscheinlich, da er bei der Bevölkerung sehr beliebt ist und die Folgen unabsehbar wären.
Die Menschen in der Türkei sind angesichts der massiven Probleme in dem Land unzufrieden. Neuwahlen schließt die Erdogan-Regierung aus. Die CHP hingegen drängt dazu. „Erdogan wird sich dem sehr wahrscheinlich nicht entgegenstellen können“, glaubt Mustafa Kemal Erdemol von Halk TV. (erpe/dpa)