ETF: Wer Angst vor US-Klumpen im MSCI World hat, vergisst wichtige Lektion

Es ist eine Diskussion, die angesichts der Politik von Donald Trump gerade so vehement geführt wird wie seit Jahren nicht mehr: Mehr als 70 Prozent Anteil der USA im MSCI World Index – ist das nicht ein gefährliches Klumpenrisiko? Sehen wir hier eine Blase, die platzt und unsere Depots in die Tiefe reißen könnte? Wäre es nicht an der Zeit, den US-Anteil zurückzufahren?

Die Finanz-Industrie hat auf diese Stimmung bereits reagiert und neue Produkte wie einen ETF auf den MSCI World ohne die USA („ex USA“) auf den Markt gebracht. Anleger könnten dann durch die Beimischung eines weiteren ETFs – zum Beispiel auf den S&P 500 oder den MSCI USA – selber entscheiden, wie hoch sie die Vereinigten Staaten in ihrem Depot gewichten wollen. Ob das dann noch wirklich passives Investieren bedeutet, ist ein anderes Thema. 

Aber ist die Sorge vor dem US-Risiko überhaupt berechtigt?

Über den Autoren

Clemens Schömann-Finck ist Finanz-Experte und steht hinter dem Youtube-Kanal "René will Rendite". Bei FOCUS online beleuchtet er aktuelle Themen rund um Börse und Geldanlage. Abonnieren Sie hier seinen Newsletter für mehr Finanz-Infos.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass nicht unbedingt Handlungsbedarf besteht. Es gab nämlich schon einmal eine Phase, in der ein Land mit einem extrem hohen Gewicht den MSCI World dominierte. Anfang der 80er-Jahr stieg der Anteil Japans immer mehr an. Er kletterte sogar bis auf 44 Prozent und übertraf damit damals die USA deutlich (siehe Grafik). Doch dann platzte 1989 die Immobilie- und Aktienblase in Japan. Der Tokioter Aktienmarkt stürzte ab, und es dauerte 35 Jahre, bis er sich wieder von seinem Verlust erholt hatte. Entsprechend fiel auch der Anteil Japans im MSCI World. Inzwischen hat das Land nur noch einen Anteil von etwas mehr als fünf Prozent.

Anteil Japans im MSCI World
Ende der 80er-Jahre dominierte Japan den MSCI World. Dann platzte die Immobilien-Blase X

Die große Frage ist nun: Wie stark litt der MSCI World damals unter dieser Entwicklung?

Erst einmal zeigt die Japan-Episode sehr schön, wie der MSCI World funktioniert. Er passt sich dynamisch an Entwicklungen an, damit er die Kräfteverhältnisse am Welt-Aktienmarkt abbildet. Kommen besonders viele Unternehmen mit einem hohen Börsenwert aus dem gleichen Land, steigt dessen Gewichtung. Verlieren die Unternehmen an Wert, sinkt sie. In den 80er-Jahren waren japanische Konzerne besonders gefragt, nun sind es US-Unternehmen, allen voran Tech-Unternehmen. Als Anleger bin ich damit immer in die wertvollsten börsennotierten Konzerne der 23 Industrieländer investiert, die der MSCI World umfasst.

Die Folgen des Japan-Crash für den MSCI World

Doch welche Folgen hat so ein Anpassungsprozess für die Rendite? Wie die historischen Daten zeigen, mussten MSCI-World-Anleger in der Tat eine schwierige Phase durchstehen: Im Jahr 1990 verzeichnete der Index ein Minus von fast 19 Prozent. Es dauerte bis 1993, bis der MSCI World diese Verluste wieder ausgeglichen hatte und höher schloss als 1989. Zum Vergleich: Der Nikkei verlor 1990 fast 40 Prozent, beendete auch 1991 im Minus und verlor 1992 noch einmal 26 Prozent. Der S&P 500 verzeichnete dagegen nur 1990 ein Minus von 6,6 Prozent. Bereits 1991 schloss er höher als zwei Jahre zuvor (siehe Tabelle).

Dieser begrenzte Blick scheint erstmal alle zu bestätigen, die sich wegen des hohen US-Anteils sorgen. Schließlich zog das Platzen der Japan-Blase in der Tat den gesamten MSCI World-Index nach unten und belastete ihn für mehrere Jahre. 

ETF-Sparer hatten trotzdem eine gute Rendite

An der Börse ist es aber selten ratsam, einen so engen Zeitraum zu betrachten. Weiten wir den Blick, relativiert sich das Bild. Für einen Anleger, der am Jahresanfang 1985 einstieg – also fünf Jahre vor dem großen Absturz – und sein Investment bis zum Jahresende 1994 – also fünf Jahre nach dem Crash – hielt, stellt sich die Renditeentwicklung etwas anders da. Er kommt trotz der turbulenten Jahre auf ein Plus von rund 230 Prozent. Für den S&P 500 liegt der Zuwachs in diesem Zeitraum bei 175 Prozent. 

Renditen
Die Renditen des MSCI World, S&P 500 und Nikkei im Vergleich Wikipedia, eigene Darstellung

Man darf schließlich nicht vergessen: In den Jahren vor dem Crash profitierten die Anleger im MSCI World noch von der Blasenbildung durch massive Kurszuwächse. Und obwohl der Absturz heftig war, wurden die Gewinne nicht komplett ausradiert. Denn – das ist das Tolle an der Index-Konstruktion – der Japan-Anteil fiel und die USA als aufstrebender Finanzmarkt traten an seine Stelle. Die wachsenden Gewinne hier begrenzten die Verluste aus dem Japan-Investment, das im MSCI World zügig an Bedeutung verlor.

Man kann natürlich einwenden, dass der Anteil Japans damals bei 44 Prozent lag und die USA heute mehr als 70 Prozent am MSCI World ausmachen. Der US-Anteil an der Weltwirtschaft ist aber auch bedeutend größer und der japanische Aktienmarkt erlebte in den 80er Jahren eine Überbewertung, die kaum mit der heutigen Situation in den USA vergleichbar ist. Zwischen 1984 und 1989 vervierfachte sich der Stand des Nikkei. Entsprechend groß war das Rückschlagpotenzial.

Anleger sollten die Ruhe bewahren

Wer trotzdem sagt, dass der Vergleich hinkt: Es geht mir vor allem darum, zu zeigen, dass MSCI World Klumpenrisiken verdauen kann. Es mag ein paar schlechtere Jahre geben, dann greifen aber die Anpassungsmechanismen. Wer jetzt eigenständig versucht, den „richtigen“ US-Anteil für sein Depot einzustellen, riskiert ebenfalls Renditeeinbußen. Denn niemand weiß, ob US-Aktien wirklich in den nächsten schlechter laufen werden als der Rest des Marktes. Deshalb: Lassen Sie sich nicht unter Handlungsdruck setzen!  

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