„Keine goldene Nase“ auf Kosten der Steuerzahler: EU denkt über Extra-Steuer für Rüstungskonzerne nach
Milliarden fließen in Europas Rüstung – und mit ihnen steigen die Gewinne. Doch nun wächst der Druck, Konzerne stärker zu besteuern und Gewinne gerecht zu verteilen.
München – Die Rüstungsindustrie in Europa erlebt derzeit einen starken Aufschwung. Der Chef von Rheinmetall, Armin Papperger, verkündet stolz: „Kunden kaufen heute ganze Fabriken bei uns“. Seine Begeisterung ist nicht unbegründet. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verzeichnet Rheinmetall ein Wachstum, das in der Firmengeschichte seinesgleichen sucht. Der Gewinn nach Steuern für die Aktionäre hat sich von 291 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 717 Millionen Euro im Jahr 2024 mehr als verdoppelt, berichtet der Spiegel. Die Aktie des Unternehmens hat sich im selben Zeitraum fast verzwanzigfacht.
Milliarden für Rheinmetall und weitere – wohin fließt das Geld?
Auch andere europäische Rüstungsunternehmen profitieren massiv von den gestiegenen Verteidigungsausgaben. Die EU-Staaten haben kürzlich beschlossen, bis zu 150 Milliarden Euro für gemeinsame Rüstungsbeschaffungen bereitzustellen. Insgesamt will die EU-Kommission bis Ende 2030 rund 800 Milliarden Euro für Verteidigung mobilisieren – ohne die zusätzlichen nationalen Ausgaben etwa aus Deutschland.
Angesichts der enormen Profite in der Rüstungsbranche mehren sich Stimmen, die einen kritischeren Blick auf die Verwendung öffentlicher Gelder fordern. Die Sorge: Milliarden aus staatlichen Verteidigungsinvestitionen könnten ungefiltert in die Bilanzen börsennotierter Konzerne wandern – und dort vor allem Dividenden und Aktienkurse befeuern.

Hannah Neumann, sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen im EU-Parlament, warnt vor einer steigenden Kommerzialisierung staatlicher Rüstungsausgaben: „Wenn jetzt auf einmal so viel Geld auf den Markt kommt, müssen wir darauf achten, dass Steuergelder gut verwendet werden und die Konzerne sich nicht nur eine goldene Nase verdienen.“ Sollte sich das nicht verhindern lassen, müsse man auch über Eingriffe wie staatliche Beteiligungen oder eine Übergewinnsteuer nachdenken.
Folgt bald die Extra-Steuer für Konzerne wie Rheinmetall?
Wie eine faire Verteilung der Gewinne aussehen könnte, hat der wissenschaftliche Dienst des Europaparlaments (EPRS) in einem Gutachten untersucht, das dem Spiegel vorliegt. Drei Handlungsoptionen stehen im Raum:
1. Übergewinnsteuer: Eingriff bei Extremprofiten
Eine Übergewinnsteuer könnte Rüstungskonzerne zur Kasse bitten, wenn ihre Gewinne überdurchschnittlich stark steigen – ähnlich wie bei Energieunternehmen nach 2022. Denkbar sind auch andere Varianten, etwa höhere Unternehmenssteuern für die Branche oder Abgaben auf den Umsatz. Kritiker warnen jedoch: Solche Maßnahmen könnten Investitionen und Produktionsanreize dämpfen.
2. Staat als Miteigentümer
Staatliche Beteiligungen bieten Kontrolle und sichern dem Fiskus direkte Einnahmen. Italien, Frankreich und Spanien sind bereits bei großen Rüstungskonzernen engagiert.
3. Faire Verträge statt Gewinnexplosionen
Der EPRS empfiehlt Festpreisverträge, bei denen Hersteller für Mehrkosten selbst haften. Diese verhindern überzogene Margen – im Gegensatz zu „Cost-Plus“-Modellen, die in den USA zu teuren Fehlentwicklungen führten. Das Beschaffungsamt der Bundeswehr sieht sich mit Preisprüfungen und Selbstkostenverträgen bereits gut aufgestellt: „Uns wird niemand über den Tisch ziehen“, heißt es aus dem Amt.
Diskussion zur Sondersteuer für Rüstungsunternehmen läuft schon länger
Schon bevor die EU ihre milliardenschweren Verteidigungspläne auf den Weg brachte, gab es erste politische Vorstöße, die steigenden Gewinne der Rüstungsindustrie stärker zu regulieren. In Italien schlug Finanzminister Giancarlo Giorgetti vor, auf außergewöhnlich hohe Profite von Waffenherstellern eine Sondersteuer zu erheben.
Wie Defense News berichtet, begründete er seinen Vorstoß mit den außergewöhnlichen Profiten, die Waffenhersteller in Zeiten globaler Konflikte erzielten – und forderte, dass auch sie ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten müssten: „Es wird einen allgemeinen Aufruf geben, dass jeder seinen Beitrag leisten muss, nicht nur die Banken.“