„Rente mit 63“ boomt: So viele Menschen gehen früher in Rente – trotz Forderungen nach der Abschaffung

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Die Rente für langjährig und besonders langjährige Versicherte ist beliebt, zeigen neue Daten. Doch Wirtschaftsweisen kritisieren das Rentenkonzept schon lange.

München – Wer insgesamt 45 Jahre seines Berufslebens gearbeitet hat, kann seit 2012 die Altersrente für langjährig und besonders langjährig Versicherte – im Volksmund auch als „Rente mit 63“ bekannt – in Anspruch nehmen und abschlagsfrei in Rente gehen. Die Rentenart erfreut sich seit jeher großer Beliebtheit, und das auch im Jahr 2023, wie nun aus neu veröffentlichten Daten hervorgeht. Doch seit ihrer Einführung regt sich Kritik an der „Rente mit 63“, und selbst nach über einem Jahrzehnt ebbt sie noch immer nicht ab.

Rente nach 45 Versicherungsjahren ist deutlich beliebter als angenommen

Die abschlagsfreie „Rente mit 63“ sollte nach ursprünglichem Vorhaben vor allem Menschen mit körperlich schwerer Arbeit ermöglichen, früher aus ihrem Beruf auszusteigen. Doch längst nehmen sie nicht nur Ruheständler aus jenen Berufsfeldern in Anspruch. Darauf deuten nun auch neu veröffentlichte Daten der Deutschen Rentenversicherung für 2023 hin. Über 2,4 Millionen Menschen bezogen im Kalenderjahr 2023 die abschlagsfreie gesetzliche Rente nach mindestens 45 Versicherungsjahren, wie das Portal ihre-vorsorge.de nun ausgehend von den Statistiken der Rentenversicherung berichtete.

Die Rente für langjährig und besonders langjährige Versicherte ist beliebt, zeigen neue Daten. Doch Wirtschaftsweisen kritisieren das Rentenkonzept schon lange.
Rentner-Ehepaar spaziert Arm in Arm (Symbolfoto) © IMAGO / Michael Gstettenbauer

Demnach nutzten 2023 mehr als 279.000 Neurentnerinnen und -rentner die Altersrente für besonders langjährig Versicherte als Weg in den Ruhestand. Insgesamt fielen damit 29,3 Prozent aller neuen bundesweiten Altersrenten auf die Rente nach 45 Versicherungsjahren ab. Als die Altersgrenze für diese Rentenart 2014 temporär von 65 auf 63 Jahren herabgesetzt wurde, war im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens noch von 200.000 bis 240.000 Rentenanträgen jährlich ausgegangen worden.

Seit 2016 jedoch wird die Altersgrenze für die Rente nach 45 Versicherungsjahren wieder stetig auf eine Altersgrenze von 65 Jahren angehoben. Für den Geburtsjahrgang 1962, der in diesem Jahr 63 Jahre alt wird, liegt die Altersgrenze konkret bei 64 Jahren und acht Monaten. Für alle nach 1964 Geborenen, die diese Altersrente in Anspruch nehmen wollen, beträgt die Altersgrenze 65 Jahre.

Auch die Altersrente für langjährig Versicherte nehmen viele Ruheständler in Anspruch

Weitere knapp 213.000 Frauen und Männer traten 2023 über die Altersrente für langjährig Versicherte in den Ruhestand ein, was einem Anteil von 22,3 Prozent aller erstmals gezahlten Altersrenten entspricht. Diese Rentenart können Ruheständler nach 35 Beitragsjahren in der Rentenversicherung nutzen, vorausgesetzt sie haben das 63. Lebensjahr erreicht. 

Den Daten der Deutschen Rentenversicherung zufolge gibt es lediglich eine Rentenart, die bei Ruheständlern noch beliebter ist als die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren: die Regelaltersrente. Fast 398.000 der knapp 953.0000 neuen Altersrenten entfielen 2023 auf sie, was einen Anteil dieser Rentenart von 41,7 Prozent am Gesamtbild aller Renten-Optionen ausmacht. Rund 62.000 Neurentnerinnen und -rentner (6,5 Prozent) schließlich konnten bei einer Schwerbehinderung und nach mindestens 35 Versicherungsjahren ebenfalls bereits vor dem 65. Lebensjahr ohne Abschläge in Rente gehen.  

Rente für langjährig und besonders langjährig Versicherte steht schon lange in der Kritik

Doch abseits der Beliebtheit der abschlagsfreien Rente nach 45 Versicherungsjahren bei Ruheständlern gibt es seit Jahren auch deutliche Einwände gegen das Rentenkonzept, die immer wieder neu formuliert und um neue kritische Aspekte erweitert werden. So zeigte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis von Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Dezember, dass ein erheblicher Teil derjenigen, die nach 45 Versicherungsjahren frühzeitig und abschlagsfrei in Rente gehen, aus Berufen mit vergleichsweise geringer Belastung kommt. 

Der DIW-Erhebung zufolge waren rund 70 Prozent der westdeutschen Männer des Jahrgangs 1957 mit mindestens 45 Versicherungsjahren nicht sehr hoch körperlich oder psychisch belastet. Das DIW forderte daraufhin flexiblere Regelungen und Ansätze, die konkreter an der tatsächlichen Beschäftigungsfähigkeit von Versicherten ansetzen. Die Dauer der Erwerbstätigkeit halten die DIW-Experten als alleiniges Kriterium für einen vorzeitigen Renteneintritt für unzureichend.

Immer wieder Forderungen nach der Abschaffung der „Rente mit 63“

Kritik an der „Rente mit 63“ gab es aber auch von Wirtschaftsweisen, etwa von Ökonomin Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Professorin an der LMU München. „Deutschland sollte das Rentenalter regelgebunden erhöhen. Die neue Regierung sollte die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren abschaffen“, sagte sie der Rheinischen Post.

Damit ist Schnitzer nicht allein: Ökonom Jens Boysen-Hogrefe vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) formulierte 2024 schon klare Vorteile, die eine Abschaffung der Rente mit 63 für die Finanzlage des Staates bringen könnte. Auf rund 14 Milliarden Euro bezifferte Boysen-Hogrefe das Sparpotenzial, das eine Abschaffung der „Rente mit 63“ mit sich bringen könnte, wie er der Bild-Zeitung damals sagte. (fh)

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