Wirtschaftsjunioren Kempten/Oberallgäu laden zur lebendigen Diskussion vor der Bundestagswahl

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Letzter Schlagabtausch vor der Bundestagswahl mit (von links) Stephan Thomae, Andreas Mayer, Gabriel Bruckdorfer, Indra Baier-Müller, Thomas Gehring, Konstantin Plappert und Mechthilde Wittmann. © Lajos Fischer

Lange gezögert, aber dann doch für die Organisation einer Podiumsdiskussion zur Bundestagswahl entschieden haben sich die Wirtschaftsjunioren Kempten/Oberallgäu, berichtete Andreas Weber als Sprecher der Organisation im gut gefüllten Saal des Allgäu Digital. Als Grund nannte er: „Heuer stehen wir vor besonderen Herausforderungen und wir wollen unserem Jahresmotto und unserem Anspruch entsprechend die ‚Zukunft gestalten‘“.

Kempten – Den Ablauf passte man dem Ort an: Das Publikum durfte per Handy über die Themen abstimmen und sowohl vor als auch nach der Veranstaltung eine Wahlentscheidung treffen. Den Text zur Vorstellung der sieben Teilnehmer hat die KI geschrieben. „Wir hätten lieber Karneval und Skifahren im Kopf, aber unsere Bundesregierung traf eine andere Entscheidung“, begann Stefan Nitschke mit seiner Moderation. Dem Ziel, eine sonst vermisste gesunde Diskussionskultur herzustellen, entsprechend wolle man Lösungen hören und lasse man keine langen Ausführungen darüber, was die anderen falsch gemacht hätten, zu. Jeder der Kandidaten bekam 15 Minuten Zeit, die sie selbst auf die vier Themen aufteilen durften.

Wirtschaft und Konjunktur

Den Einstieg ins erste Thema durfte Stephan Thomae (FDP) machen. Das Thema habe zum Auseinanderbrechen der Koalition geführt. Den anderen seien Investitionen in Klima und Soziales wichtig gewesen. „Aber wer spricht von denen, die alles erwirtschaften?“, fragte er. Er bat um mehr Verständnis für die Unternehmen, die steuerliche Entlastungen und weniger Regularien bräuchten.

Indra Baier-Müller (FW) forderte statt bürokratischen Kontrollmechanismen wie dem Nachhaltigkeitsbericht mehr Vertrauen in die wirtschaftlichen Akteure. Für die Unternehmen im Allgäu sei auch das Thema Fachkräftegewinnung zentral, dafür brauche man die rasche Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die schnelle Integration der Zuwanderer. „Man darf nicht ständig drei Rollen rückwärts machen“, betonte sie, sondern sollte z. B. weiterhin auf E-Autos setzen, aber beim Übergang technologieoffen bleiben.

„Krisen sind nichts Außergewöhnliches“

„Krisen sind nichts Außergewöhnliches“, sagte Mechthilde Wittmann (CSU). Man müsse die Wirtschaft standfest machen, damit sie diese bewältigen könne. Dafür sollte man Berichte und Statistikpflichten reduzieren und die Bestimmung der Wochenarbeitszeiten den Unternehmen überlassen.

„Wir brauchen Schornsteine, die qualmen“, so Andreas Mayer (AfD). Seine Partei stehe klar zum Verbrennungsmotor. Die AfD setze auf die Kernkraft und russisches Gas. Er lobte die Wirtschaftspolitik von Trumps Amerika und China. „Bei uns geht es in die falsche Richtung.“

„Klimapolitik ist Wirtschaftspolitik“

„Klimapolitik ist Wirtschaftspolitik“, betonte Thomas Gehring (Grüne). Die Märkte der Zukunft seien Märkte umweltfreundlicher Technologien. Die deutsche Autoindustrie zeige zu wenig Präsenz bei der dominierenden E-Mobilität. Er forderte bessere Förderung für Start-ups sowie für Forschung und Wissenschaft. Der Staat solle die Infrastruktur, v. a. die Bahn und die Netze, ausbauen.

„Nicht die Personen ganz oben erwirtschaften die Gewinne, sondern die ganz unten“, widersprach Gabriel Bruckdorfer (Linke) Thomae. Deswegen müsse man die Rechte der Arbeitnehmer stärken und den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen. Er plädierte für eine stärkere Besteuerung ab einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro und für die Einführung einer Vermögenssteuer. Wenn Unternehmen ins Ausland ziehen, sollte man von ihnen eine Wegziehsteuer verlangen und ihnen die Mitnahme ihrer betrieblichen Infrastruktur untersagen. Konstantin Plappert (SPD) plädierte für mehr Planungssicherheit. „Man sollte an dem Verbrenner-Aus 2035 nicht mehr herumdoktern.“

Digitalisierung und Infrastruktur

Mayer schlug vor, beim Bürokratieabbau den Beispielen von Trump und Milei zu folgen. Er forderte einen Einstellungsstopp für Beamte und die Abschaffung des „Entwicklungsministeriums“. Wittmann entgegnete, dieses Ministerium heiße „für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ und sie wolle die deutsche Außenwirtschaft nicht abschaffen. Baier-Müller beschrieb genau den Weg, wie man auf der Grundlage der Agenda 2030 – auch auf dem Land – tatsächlich mehr Menschen in den ÖPNV bringen könne und vermisste die nötige finanzielle Unterstützung durch Bund und Land.

Thomae plädierte dafür, Bahn und Straße im gleichen Maße auszubauen und beschrieb am Beispiel Estlands, dass Digitalisierung nicht darauf beschränkt sein dürfe, statt auf Papier alles digital zu speichern. Dort habe jeder Bürger ein Konto und alles laufe ereignisorientiert ab: Bei der Geburt eines Kindes werde beispielsweise vorgegeben, welche Schritte jetzt genau gemacht werden müssten. Gehring setzte sich für die Elektrifizierung der Bahn bis Oberstdorf ein und rief dazu auf, nach Vorarlberg, Südtirol oder Baden-Württemberg zu schauen, dort funktioniere der ÖPNV auch im ländlichen Raum hervorragend. Er wies darauf hin, dass die Bildung auch ein überaus wichtiger Bestandteil der Infrastruktur sei. Plappert plädierte dafür, die digitale Komponente in der Bildung zu stärken.

Klima und Energie

Nitschke fand es schade, dass das Thema Klima in diesem Wahlkampf keine große Rolle spielt. Dass man die Energiepreise senken müsse, waren sich alle einig. Gehring betonte, dass grüner Strom am billigsten ist. Thomae plädierte für mehr Technologieoffenheit und gegen deutsche Alleingänge.

Wittmann klärte auf: Die EU-Regelungen zu freien Marktpreisen ab 2027 würden nur für die überschießenden Energien gelten, der übliche Verbrauch bleibe in Deutschland gedeckelt. Sie lobte den bayerischen Weg, auf regionale Energiequellen zu setzen. Dass die Zukunft den Erneuerbaren gehöre, waren sich bis auf Mayer alle einig. Baier-Müller stellte dabei die Frage: „Wie nehmen wir die Menschen auf dem Weg zu den Erneuerbaren mit?“ und berichtete über geplante Windkraftanlagen, die in der Region bekämpft werden.

Flucht und Asyl

Als Mayer für die hohen Preise die Wirtschaftssanktionen gegen Russland verantwortlich machte, wurde Wittmann emotional: „Es war mehr als richtig, gegen Putin mit treffsicheren Sanktionen entschieden aufzutreten.“ Sie bezeichnete den russischen Präsidenten als „Wahnsinnigen“, der die UdSSR zurückhaben wolle und gegen die Ukraine und das eigene Volk einen grausamen Krieg führe. „Wir verteidigen den Frieden und die Sicherheit in unserem Land.“

In den letzten vier Jahren kamen in Deutschland drei Millionen Geflüchtete an, betonte Thomae. „Und die meisten haben mit Ihrem Freund Putin zu tun“, wandte er sich an Mayer: Weit mehr als die Hälfte der Menschen kam nämlich aus der Ukraine und Syrien.

Stimmungsbild

Bei dem Vorher-Nachher-Votum des Publikums blieb die Reihenfolge gleich. An erster Stelle lag die CSU mit 27, danach noch immer 24 Prozent. Die Grünen verbesserten sich von 19 auf 23, die FDP von 14 auf 18, die Freien Wähler von 11 auf 15 Prozent. Die SPD verschlechterte sich von 8 auf 7, die Linke und die AfD jeweils von 6 auf 4 Prozent. Nach fast drei Stunden verabschiedete sich der Moderator mit den Worten: „Beschützt die Demokratie und dient den Menschen!“

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