Ergibt es Sinn, bei der Bundestagswahl 2025 taktisch eine kleinere Partei zu wählen?
Die Bundestagswahl 2025 könnte Überraschungen bringen. Taktisches Wählen wird schwieriger. Sollte man für eine bestimmte Koalition taktisch wählen?
Berlin – Die Wahllokale für die Bundestagswahl schließen am Sonntag, 23. Februar, um 18 Uhr. Während einige Bürger:innen ihre Entscheidung schon getroffen haben, sind viele noch unentschlossen. Besonders interessant wird das Abschneiden der „kleineren“ Parteien, die laut aktuellen Umfragen knapp an der Fünf-Prozent-Hürde liegen. Doch ist taktisches Wählen derzeit sinnvoll?
Am Sonntag könnten die ersten Wahlergebnisse für große Überraschungen sorgen. Eine Woche vor der Wahl waren laut ZDF-Politbarometer noch 28 Prozent der Wähler unsicher, welche Partei sie wählen sollen. Dennoch zeigt sich in den Umfragen der letzten Monate ein klarer Trend.
Ergibt taktisches Wählen bei der Bundestagswahl 2025 Sinn?
Die Union liegt mit etwa 30 Prozent in Führung, was Friedrich Merz wahrscheinlich zum neuen Kanzler machen würde. Die AfD folgt, doch niemand plant, mit der Partei von Alice Weidel eine Koalition einzugehen. Laut der INSA-Umfrage vom 20. Februar erreichen SPD und Grüne 15 beziehungsweise 13 Prozent. Diese Reihenfolge der „Großen“ bleibt seit Wochen stabil. Spannend wird es jedoch bei den kleineren Parteien.
Ein neuer Trend in den Umfragen verändert die Koalitionsmöglichkeiten. Während vor der Jahreswende meist nur vier Parteien den Einzug in den Bundestag geschafft hätten, überschreiten nun viele kleinere Parteien die Fünf-Prozent-Hürde. Die Linke erreichte zuletzt in einer Umfrage neun Prozent. Auch FDP und BSW liegen knapp über oder unter der Hürde.
Dass die „Großen“ stabil bleiben und die kleineren Parteien zulegen, könnte daran liegen, dass Wähler von Kleinst- oder Protestparteien zu den kleineren, aber etablierten Parteien wechseln. Diese sehen sie als chancenreicher für den Einzug in den Bundestag. Die unter „Sonstige“ geführten Kleinstparteien erreichten Ende Januar noch zehn Prozent, jetzt sind es nur noch fünf Prozent. Die Wähler sind also zur FDP, BSW und Linken gewechselt.
Lohnt sich ein taktisches Wählen für FDP, Linke oder BSW?
Für die FDP haben sich die Zeiten geändert: Während die Union früher zur Wahl der FDP aufrief, um einen Koalitionspartner zu gewinnen, rät Merz nun davon ab. Er möchte die Union gestärkt sehen, um einen klaren Führungsanspruch zu haben. Die Wahlrechtsreform der Ampel-Regierung beschränkt den Bundestag auf 630 Sitze (aktuell 733 Sitze). Überhangmandate gibt es nicht mehr, was die Zweitstimme wichtiger macht.
Taktisches Wählen wird dadurch schwieriger. Eine mit der Erststimme gewählte Kandidat:in zieht nicht mehr automatisch in den Bundestag ein. Das Aufteilen der Erst- und Zweitstimme auf zwei Parteien, die man in einer Koalition sehen möchte, bleibt möglich, aber die Erfolgschancen sinken. Das erklärt teilweise, warum Merz von der Wahl der FDP abrät. Die Zweitstimme ist entscheidend.

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Welche Koalitionsoptionen hat Merz also? Eine Zusammenarbeit mit AfD, BSW oder den Linken wurde ausgeschlossen oder erscheint inhaltlich unrealistisch. Bleiben SPD, Grüne und FDP. Merz würde wohl mit den Grünen koalieren, trotz der Absagen von Markus Söder und der CSU. Eine Koalition mit der SPD scheint inhaltlich wahrscheinlicher.
Taktisches Wählen bei der Bundestagswahl 2025 lohnt sich fast nur bei einer kleinen Partei
Das Erstarken der kleineren Parteien hat bereits Auswirkungen auf die Koalitionsmöglichkeiten: Laut der INSA-Umfrage vom 20. Februar hätte Merz keine Mehrheit mehr mit der SPD. Auch mit den Grünen reicht es nicht. Die einzige realistische Koalition wäre ein Dreierbündnis aus SPD, Union und Grünen. Das liegt daran, dass die FDP den Einzug in den Bundestag nicht geschafft hätte.
Viel hängt von der FDP ab. Auch Olaf Scholz hat eine Koalition mit Linken und BSW ausgeschlossen, falls die SPD Merz überraschend überholen sollte. Vier Parteien könnten also nach der Wahl 2025 aller Wahrscheinlichkeit nach koalieren: Union, SPD, Grüne und FDP. Schafft die FDP den Einzug, wird sie wahrscheinlich Teil der Regierung, denn: Dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass es für ein Zweierbündnis reicht, rapide.
Beim taktischen Wählen bleibt zu beachten: Da Merz und Scholz eine Zusammenarbeit mit Linken und BSW ausgeschlossen haben, könnte sich taktisches Wählen nur bei der FDP lohnen. Wer die Liberalen in einer „Deutschland-Koalition“ mit Merz und SPD oder in einer „Kenia-Koalition“ mit Grünen sehen möchte, könnte dies in Betracht ziehen. Allerdings haben die Liberalen eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausgeschlossen. Für Merz bleiben also zwei Optionen: Ein Dreierbündnis mit SPD und Grünen oder eines mit FDP und SPD.
Wer nach dem Ampel-Chaos eine Koalition aus nur zwei Parteien bevorzugt, sollte bei der Zweitstimme dagegen von kleineren Parteien Abstand nehmen. Diese Variante ist am wahrscheinlichsten, je weniger kleine Parteien in den Bundestag einziehen. In diesem Fall wäre es sinnvoll, direkt für Union, SPD oder Grüne zu stimmen. (rjs)