„Verrat“: Europa reagiert auf Trumps Ukraine-„Wahnsinn“

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Donald Trump sorgt mit seinen Aussagen zur Ukraine und Russland für Entsetzen in Europa. Die internationalen Pressestimmen.

Brüssel – Donald Trumps neuer Umgang mit dem Ukraine-Krieg und Russland schockt aktuell Europa. Nachdem sich die USA in Riad ohne europäische oder ukrainische Beteiligung mit Russland getroffen haben, legte der US-Präsident nun nach. Dabei nannte er Wolodymyr Selenskyj einen „Diktator“, der ohne Wahlen regiere und gab sogar der Ukraine die Schuld am Krieg. Damit übernimmt Trump offen die Propaganda von Wladimir Putin. Europa ist entsetzt – gemeinsam.

Von einem „Wendepunkt“ für die Sicherheit Europas sprach EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, vor einem „Diktatfrieden“ warnte Kanzler Olaf Scholz. Die europäische Presse ist ebenfalls entsetzt, und sieht jetzt dringenden Handlungsbedarf – ein Überblick:

„Verrat an einem Bündnis“: Italien reagiert deutlich auf Trumps Ukraine-Wende

Die italienische Zeitung La Repubblica meint zu den Vorwürfen von US-Präsident Donald Trump gegen den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj:

„Der amerikanische Präsident benutzte dieselben Worte wie der russische Präsident. Die Werte, an die die Ukrainer seit der Revolution auf dem Maidan-Platz glauben, wurden verhöhnt. (…) Es ist ein Verrat an einem Bündnis, das nie militärisch war, sondern aus einer gemeinsamen Vision der Geschichte geboren wurde. Hunderttausende haben dafür einen Blutzoll gezahlt: Es gibt keine Familie, die nicht einen Gefallenen zu betrauern oder einen Amputierten zu pflegen hat.

Trump hat nicht nur die Grundlage ihres Kampfes zerstört, indem er so weit ging, sie zu beschuldigen, für den Konflikt verantwortlich zu sein. Er hat sich die Argumente von (Russlands Präsident Wladimir) Putin zu eigen gemacht. (…) Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war Amerika immer der Bezugspunkt, fast ein Nordstern, der das Wachstum der aus der Niederlage des Nazifaschismus hervorgegangenen Institutionen leitete. Jetzt hat sich alles geändert.“

„Wahnsinn oder Maßlosigkeit“: Harte Worte für Trump aus Frankreich

Einen Monat nach Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump schreibt die französische Zeitung Libération:

„Wir alle haben geahnt, dass die zweite Amtszeit von Donald Trump viel schlimmer sein würde als die erste. Der Milliardär hatte vier Jahre Zeit, um seine Rache an denjenigen zu schüren und zu organisieren, die in seinem gequälten Geist seine Wiederwahl im Jahr 2020 gestohlen hatten. (…) Es war bekannt, dass Tesla-Chef Elon Musk einer seiner stärksten Unterstützer war, aber es war nicht abzusehen, dass er zu einer Art Zweitpräsident werden würde, der die amerikanische Verwaltung von innen heraus zerstört, wie man gegen eine Sandburg tritt. (…)

Was können die Gegenkräfte sein? Auf Wahnsinn oder Maßlosigkeit muss mit Rationalität reagiert werden. Und wie könnte man besser versuchen, die Wogen zu glätten, als mit Richtern. Im Moment sind sie die Einzigen, die versuchen, der Trumpschen Dampfwalze zu widerstehen. Aber sie können sich nicht ewig halten, wenn sie nicht von der Zivilgesellschaft unterstützt werden. Hier und da beginnt sich Wut zu regen. Die Opposition organisiert sich allmählich. Sie wird sich mit Mut wappnen müssen. Und einer unerschütterlichen Entschlossenheit.“

„Was am bizarrsten ist“: Londoner Zeitung fasst Trumps Ukraine-Vorstoß zusammen

 Zu den jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump über den Ukraine-Krieg meint der Londoner Independent am Donnerstag:

„Präsident Wolodymyr Selenskyj ist durch die radikalen Veränderungen in der US-Politik seit der Rückkehr von Donald Trump ebenso irritiert wie alle anderen. Doch er hat durch den Verlust des amerikanischen Wohlwollens weitaus mehr zu verlieren. Vielleicht wäre es klüger gewesen, wenn er sich zurückgehalten hätte. Denn Trump mag es nicht, wenn seine Einschätzungen infrage gestellt werden. Aber der bedrängte ukrainische Staatschef hat völlig recht, was die Gedanken des US-Präsidenten angeht.

Trumps abfällige Äußerungen über Selenskyj und sein Land hätten durchaus aus dem Munde von Wladimir Putin selbst kommen können. Neben anderen Verleumdungen behauptete Trump, Präsident Selenskyj habe eine miserable Zustimmungsrate von lediglich 4 Prozent, der Krieg wäre längst beigelegt, wenn die Ukraine gleich einige Gebiete aufgegeben hätte, und – was am bizarrsten ist – die Ukraine habe diesen Krieg begonnen.

Tatsächlich behauptet nicht einmal der Kreml, dass die Kriegshandlungen von Kiew angefangen wurden. Er sagt nur, dass die ,spezielle Militäroperation‘, die er vor fast drei Jahren gestartet hat, von den Ukrainern und deren (völlig legitimen) Streben nach einem Nato-Beitritt provoziert wurde.“

Londoner Times sieht Putins brutales Kalkül in Trump-Gesprächen: „Unerledigtes Geschäft“

Die Londoner Times kommentiert am Donnerstag die geplanten Ukraine-Verhandlungen zwischen den USA und Russland:

„Schon bevor die Gespräche ernsthaft beginnen, scheinen die Amerikaner Zugeständnisse gemacht zu haben. Russlands Eroberungen – rund 20 Prozent des ukrainischen Territoriums – sollen offenbar nicht rückgängig gemacht werden. Und Kiews Antrag auf Nato-Mitgliedschaft, für den sich der britische Premierminister Sir Keir Starmer erst in dieser Woche eingesetzt hat, dürfte kaum noch Aussicht auf Erfolg haben. Die Russen spüren den Eifer Washingtons, ein Abkommen zu schließen, und beharren darauf, dass keine Truppen aus Nato-Staaten auf ukrainischem Boden stationiert werden dürfen, selbst wenn sie nicht unter dem Kommando der Nato stehen.

Warum ist das so? Nicht, weil der Kreml einen Angriff der schwachen Armeen Großbritanniens, Frankreichs und ihrer kleineren Verbündeten befürchtet. Nein. Der Grund ist, dass eine solche Nachkriegs-Ukraine für Wladimir Putin ein unerledigtes Geschäft darstellt, eine Frucht, die gepflückt werden muss, sobald der Westen ihrer Verteidigung überdrüssig wird. Deshalb muss Russland ein internationaler Paria bleiben, und deshalb muss es durch fortgesetzte Sanktionen geschwächt werden, die erst dann enden dürfen, wenn das schreckliche Leid, das der Ukraine zugefügt wurde, wiedergutgemacht ist.“

Europas Presse reagiert geschlossen entsetzt auf Donald Trumps Aussagen zum Ukraine-Krieg. © Montage: dpa/Philipp von Ditfurth//IMAGO / Xinhua

„Europa muss sofort handeln“: Spanien reagiert auf Trumps Ukraine-Wende

Zu der neuen Politik der USA gegenüber Ukraine und Russland und den jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump gegen den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj schreibt die spanische Zeitung El Mundo am Donnerstag:

„Der Druck, um Selenskyj aus dem Spiel zu nehmen, ist nur ein Teil eines größeren Plans des Trumpismus, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren. Das umfasst auch die Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen der internationalen Gemeinschaft. In diesem Zusammenhang war die Entscheidung der Europäischen Union, gestern ein neues Sanktionspaket gegen Moskau zu verabschieden, zwar richtig, aber nicht ausreichend.

Die Ordnung, die seit dem Zweiten Weltkrieg bestand, ist zusammengebrochen. Es geht nicht nur darum, dass unser historischer Verbündeter uns im Stich gelassen hat – er hat die Seiten gewechselt. Daher ist es jetzt entscheidend, dass Europa den Schock überwindet und sofort handelt. Wir befinden uns in einer Notfallsituation, die schnelles Handeln erfordert.“

Schweden: „Trump wiederholt russische Lügen“

Die liberale schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter (Stockholm) kommentiert die Ukraine-Politik von US-Präsident Donald Trump:

„Ist eine Desinformationskampagne jemals so erfolgreich wie jüngst die russische? Propagandaminister anderer Zeiten wären neidisch gewesen. Die russischen Erfolge erreichten am Mittwoch ihren Höhepunkt, als Donald Trump die russischen Lügen mehr oder weniger wörtlich wiederholte: Die Ukraine habe den Krieg begonnen und Selenskyj sei ein Diktator, der sich weigere, Wahlen abzuhalten. Tage zuvor hat seine Regierung eine Beteiligung der USA an den natürlichen und mineralischen Ressourcen der Ukraine gefordert – nicht im Austausch für Sicherheitsgarantien, sondern damit die Amerikaner das Geld zurückbekommen, das sie bereits zur Verteidigung der Ukraine gegeben haben.

Die Ukraine soll gedemütigt, kolonisiert und ihrer Ressourcen beraubt werden. Und dann als Täter benannt werden. Die Ziele der Amerikaner in der Ukraine ähneln allmählich auf unangenehme Weise denen der Russen.

Und als Selenskyj Trump entgegnete, dieser habe die russische Desinformation geschluckt, eilte der US-Vizepräsident herbei, um zu warnen: Wer schlecht über Trump rede, werde bestraft. Also derselbe J.D. Vance, der – bevor er dem Präsidenten loyal wurde – Trump als Amerikas eigenen Hitler bezeichnet haben soll. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es auch deutliche Unterschiede gibt: Hitlers Propagandaminister war Deutscher. Putins ist der amerikanische Präsident.“

„Dramatische Wende“: Ungarn sieht Sicherheitsordnung durch Trump in Gefahr

Über die Politik von US-Präsident Donald Trump gegenüber Russland und der Ukraine schreibt die Budapester Tageszeitung Nepszava

„Was will Trump? Weiß er es eigentlich selbst? Hat er irgendetwas mit den Russen vereinbart? Man kann es nicht wissen, und es herrscht keine Klarheit, weil die führenden Persönlichkeiten der US-Administration Widersprüchliches von sich geben. So viel ist aber sichtbar, dass der Konflikt (zwischen Russland und der Ukraine) eine dramatische Wende nehmen könnte, wenn Trump die Ukraine und Europa von den ,Friedensverhandlungen‘ ausschließt. 

Trump kann (Wolodymyr) Selenskyj offensichtlich nicht ausstehen, und es ist vorstellbar, dass sich der ukrainische Präsident mit der Zeit zum Rücktritt gezwungen sieht. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass Trumps weltpolitisches Hasardspiel die gesamte europäische Sicherheitsordnung in Gefahr bringt.“

„Kein moralischer Kompass“: Harte Trump-Attacke aus den Niederlanden

Zur Ukraine-Politik von US-Präsident Donald Trump meint die niederländische Zeitung de Volkskrant am Donnerstag:

„Unverdrossen wiederholte Trump russische Propaganda, als er behauptete, der ukrainische Präsident Selenskyj habe nur noch das Vertrauen von 4 Prozent der Bevölkerung. In Wirklichkeit wird er von 57 Prozent unterstützt. Selbst die Opposition drängt nicht auf Wahlen.

Zudem wurde mit den Gesprächen zwischen Russland und den USA in Riad der Status Russlands als Paria für den Westen beendet. Kurzum: Trump scheint den demokratischen Verbündeten Ukraine im Stich zu lassen und auf Russland zu setzen, eine Diktatur, die mit dem Angriff auf die Ukraine die UN-Charta verletzt hat.

Obendrein machte Trump deutlich, dass er keinen moralischen Kompass hat und sich nicht um die internationale Rechtsstaatlichkeit schert. Dies ist nicht nur für die Ukraine beängstigend, sondern auch für Europa, das sich in den letzten 80 Jahren auf den militärischen Schutz der USA verlassen hat. Unter Trump wandelt sich Amerika nun rasch vom Verbündeten zum Gegner, vielleicht sogar zu einem Feind, der Bewunderung für „starke“ Anführer wie Putin und Verachtung für „schwache“ europäische Demokratien hegt.“

„Er lügt seit 2020“: Schweiz rechnet mit Trumps Ukraine-Vorstoß ab

Der Schweizer Tages-Anzeiger kommentiert am Donnerstag die jüngsten Äußerungen von US-Präsident Donald Trump zum Ukraine-Krieg:

„Wie dreist seine Aussagen auch sind, überraschend kommen sie nicht. Er lügt seit November 2020, was seine Wahlniederlage gegen Joe Biden betrifft. Dito zum Sturm seiner Anhängerinnen und Anhänger auf das Capitol. Und jetzt geht er so weit, der Ukraine die Kriegsschuld zuzuschieben, um Putin zu treffen, einen starken Mann, den er deshalb letztlich bewundert.

Und Trump ging noch weiter: Als wäre es mit Moskau abgesprochen, monierte er, dass die Neuwahlen in der Ukraine wegen des Kriegsrechts verschoben wurden, als wäre dies nicht üblich in einem Krieg führenden Land, siehe Winston Churchill. Damit sprach der US-Präsident dem gewählten Präsidenten eines anderen souveränen Staats implizit die Legitimität ab. (…)

Der tapfere Präsident Selenskyj versuchte höflich zu bleiben und sprach davon, dass sich der US-Präsident „in einem Raum der Desinformation“ bewege, der von Russland angeheizt werde. Aber offensichtlich marschieren Trump und Putin gerade in beunruhigendem Gleichschritt.“ (rjs/dpa)

Auch interessant

Kommentare