Der neue Wehrdienst kommt – SPD-Minister Pistorius kann Pläne durchsetzen
Es wird keine Wehrpflicht geben. Noch nicht. Union und SPD haben sich auf das schwedische Modell geeinigt. Noch sind viele Fragen aber ungeklärt.
München – Es ist nur ein kleines Wort in Zeile 4149 des Koalitionsvertrags, aber es eröffnet der neuen Regierung großen Spielraum: Dort heißt es, dass es einen neuen Wehrdienst geben soll, der „zunächst“ auf Freiwilligkeit basiert. Also: testweise, unter Vorbehalt. Der hitzige Streit um die Wehrpflicht, wie sie die Union wollte, ist damit jedenfalls nicht vom Tisch – sondern erst mal nur vertagt.
Für den Moment hat sich die SPD aber durchgesetzt. Genauer gesagt: Boris Pistorius, der aktuell noch Verteidigungsminister ist und auch gerne bleiben will. Bereits im vergangenen Jahr, am 6. November, hatte das Kabinett seinen Wehrdienst-Plänen zugestimmt – doch ausgerechnet an dem Tag war auch die Ampel-Koalition geplatzt. Im Kern wollte der SPD-Minister einen Fragebogen für junge Männer (verpflichtend) und Frauen (freiwillig), der Fitness und Bereitschaft zum Dienst abfragt. Die neue Regierung will sich nun an diesem sogenannten schwedischen Modell orientieren, heißt es im Koalitionsvertrag. „Wir werden noch in diesem Jahr die Voraussetzungen für eine Wehrerfassung und Wehrüberwachung schaffen“, versprechen Union und SPD.

Pistorius‘ Favorit landet im Koalitonsvertrag: Schwedisches Modell soll in Deutschland starten
„Männer ab 18 Jahren müssen einen Fragebogen ausfüllen“, erklärt Boris Pistorius nun gegenüber dem Spiegel. „Das gewährleistet die Wehrerfassung.“ Danach könne die Bundeswehr entscheiden, wer für einen Wehrdienst geeignet ist und diejenigen zur Musterung einladen. „Die Schweden haben das über mehrere Jahre erfolgreich praktiziert“, argumentiert der SPD-Minister. „Auch wir gehen davon aus, dass wir in den ersten Jahren genügend Freiwillige gewinnen können, über eine Pflicht müssen wir dann gar nicht diskutieren.“
Derzeit gibt es rund 11 500 Freiwillige bei der Bundeswehr, davon etwas mehr als 2000 Frauen. Pistorius möchte im ersten Jahr des neuen Wehrdiensts 5000 weitere rekrutieren. Aber: Bisher verlässt ein Viertel der Freiwilligen die Bundeswehr noch in der Probezeit. Die Koalition steht also nicht nur vor der Aufgabe, mehr junge Menschen ins Militär zu locken – sie muss sie auch halten können. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu etwas wolkig: „Wertschätzung durch anspruchsvollen Dienst, verbunden mit Qualifikationsmöglichkeiten, werden die Bereitschaft zum Wehrdienst dauerhaft steigern.“
Viele Fragen zu Deutschland-Wehrdienst offen – auch Frauen betroffen?
Generell gibt es noch viele offene Fragen. Etwa, ob auch Frauen den Fragebogen ausfüllen müssen. In Pistorius‘ Gesetzentwurf aus dem vergangenen Jahr sollten nur Männer dazu verpflichtet werden, im neuen Koalitionsvertrag bleibt dieser Punkt völlig unerwähnt. Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl (SPD), hält es nicht mehr für zeitgemäß, in der Wehrdienst-Debatte zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden. „Zur Gleichberechtigung gehören Rechte und Pflichten“, sagt sie. „Alle Menschen im Land sollten eine Zeit lang etwas für unsere Gesellschaft tun.“
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Die SPD-Frau fordert zudem ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ statt eines Freiwilligen-Modells – ob in Uniform, im Pflegeheim oder beim Katastrophenschutz. Sie ist überzeugt: Ein solches Modell würde „den Zusammenhalt stärken und auch jedem und jeder Einzelnen guttun“.
Pflicht-Dienst nicht vom Tisch: Freiwilliger Wehrdienst ist erster Schritt
Auch Parteikollege Pistorius schließt einen Pflicht-Dienst nicht aus. Wenn es „nicht genug Freiwillige geben sollte, dann wäre über Pflichtelemente zu entscheiden“, sagt er dem Spiegel. Er habe die Möglichkeit einer Wehrpflicht in seinem Gesetzentwurf bereits berücksichtigt. „Wir haben dafür unsere Hausaufgaben gemacht“, sagt er. Die SPD wolle jetzt „schnell mit der Union darüber reden, wie der Gesetzentwurf konkret aussehen wird“.
Juristisch wäre die Wiedereinführung der Wehrpflicht ziemlich simpel umzusetzen: Zumindest für Männer ist die Wehrpflicht nach wie vor im Grundgesetz verankert, man könnte sie mit einfacher Mehrheit im Bundestag reaktivieren. Logistisch wäre das allerdings eine Riesen-Herausforderung: Es fehlt an Betten, Kasernen, Material und vor allem an Ausbildern. Selbst wenn man tausende junge Leute mustern und einziehen würde – man wüsste derzeit noch nicht, wo man sie unterbringen oder wer ihnen etwas beibringen sollte.