Leerstehendes Mehrfamilienhaus mit zu vielen Mängeln – Wohin dann mit den Flüchtlingen?
In Bichl sollen mehr Flüchtlinge unterkommen. Im Norden der Gemeinde ist eine Container-Unterkunft geplant, deren Bau sich aber seit über einem Jahr verzögert. Dem Bürgermeister wäre eine Alternative ohnehin lieber. Doch die kommt wohl nicht infrage.
Eilig berief Bürgermeister Benedikt Pössenbacher die Gemeinderäte im August 2023 zu einer nichtöffentlichen Sitzung ein. Vertreter der Bichler Vereine waren ebenfalls ins Rathaus gekommen, um hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. Dabei sollte es um die Frage gehen, wie und wo die Gemeinde zukünftig Flüchtlinge unterbringt. Landrat Josef Niedermaier (FW) hatte zuvor „Zwangszuweisungen“ für alle Kommunen angekündigt, die ihre Unterbringungsquote nach dem Verteilungsschlüssel nicht erfüllen. Auch Bichl hat demnach zu wenige Flüchtlinge aufgenommen. Die Beteiligten gingen verschiedene Optionen durch. Am Ende fiel ein Beschluss: Am Hochbichlfeld im Norden der Gemeinde soll eine Containeranlage gebaut werden.
Über anderthalb Jahre ist das jetzt her. Die Container stehen aber noch nicht. „Es gibt noch keine Baugenehmigung“, sagt Pössenbacher auf Anfrage. Es habe „kleine Sachen“ gegeben, die die Gemeinde nachbearbeiten musste. Den Bauantrag hatte die Verwaltung Ende 2023 gestellt.
Zurzeit 33 Geflüchtete in Bichl untergebracht
Das Landratsamt hält sich zu der Unterkunft bedeckt und beruft sich auf das laufende Verfahren. „Aktuell wird der Vorgang nach wie vor geprüft beziehungsweise bearbeitet“, erklärt Sprecherin Marlis Peischer. „Zuletzt wurden Unterlagen nachgefordert.“
Nach Stand von Ende Februar sind in Bichl 33 Personen untergebracht. Ziel des Landratsamts ist es jedoch, dass die Geflüchteten vorwiegend in größere Sammelunterkünfte kommen. Unter anderem, weil dadurch der Aufwand für die Verwaltung geringer wird. „Wir brauchen jede Unterkunft“, betont Andreas Baumann, Leiter des Sachgebiets Asyl. Dies diene auch dazu, Turnhallen, Hotels und Wohnungen wieder ihrem eigentlichen Zweck zuzuführen. Zuletzt hatte der Landkreis wie berichtet angekündigt, die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen zum 30. Juni zu beenden.
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Um die Quote für Bichl zu erfüllen, zieht Pössenbacher ohnehin eine andere Lösung vor. Dem Bürgermeister schwebt dabei ein Gebäude an der Siedlungstraße 11 vor, unweit des Bahnhofs. Dabei handelt es sich um ein leerstehendes Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten, das einst für den Bahnbetrieb genutzt wurde. Verwaltet werden nicht betriebsnotwendige, ehemalige Bahnliegenschaften wie diese von einer eigenen Behörde, dem Bundeseisenbahnvermögen (BEV). Die Gemeinde hatte überlegt, das Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen anzumieten. Am 13. Januar gab es dazu einen Ortstermin mit Vertretern der Gemeinden und dem BEV. Auf einen Nenner kommen beide Seiten aber wohl nicht.
Mehrfamilienhaus ist in schlechtem Zustand
Das Gebäude ist in einem schlechten baulichen Zustand, wie ein Sprecher der Behörde auf Anfrage bestätigt. Die Mängelliste ist lang: Hagelschaden am Dach, veraltete Elektro- und Sanitäranlagen, sanierungsbedürftiger Kanal und fehlende Heizmöglichkeiten, zählt der Sprecher auf. Die Gemeinde Bichl ziehe die Nutzung des Gebäudes aber nur dann in Erwägung, wenn das BEV zumindest das beschädigte Dach instandsetzen lässt.
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„Eigentum verpflichtet“, betont Pössenbacher. Die Gemeinde könne die Schäden nicht auf eigene Kosten reparieren. Das Bundeseisenbahnvermögen hat dazu eine klare Haltung. „Grundsätzlich ist das BEV bereit, seine Immobilien für die Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung zu stellen“, erklärt der Sprecher, „jedoch ausschließlich im Rahmen eines Gewerbemietvertrags.“ Das bedeutet: Sämtliche erforderlichen Investitionen ins Gebäude wären von der Gemeinde Bichl zu tragen.
Aufgrund der Schäden an dem Gebäude sei eine baldige Nutzung zu Wohnzwecken derzeit unwahrscheinlich, so der Sprecher weiter. „Das BEV plant keine Investitionen, da diese wirtschaftlich nicht vertretbar sind.“ Das Mehrfamilienhaus scheint wohl keine Alternative für die Container-Unterkunft zu sein. Dafür sind die Positionen aktuell zu gegensätzlich.
Unklare Zukunft
Wie geht es weiter mit dem Gebäude an der Siedlungstraße 11? Das Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten steht seit geraumer Zeit leer und verfällt zusehends. Die Liegenschaft gehört dem Bundeseisenbahnvermögen (BEV), einer Behörde, die dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr untergeordnet ist. „Ursprünglich war vorgesehen, das Objekt für den sozialen Wohnungsbau an die Gemeinde Bichl zu veräußern“, erklärt ein Sprecher des BEV auf Anfrage. Die Verhandlungen scheiterten jedoch im Mai 2022. Anschließend sei eine öffentliche Verkaufsausschreibung geplant gewesen. Seit 10. Januar 2024 unterliegen die Grundstücke des BEV allerdings einem Veräußerungsverbot, so der Sprecher weiter. „Eine Aufhebung dieses Erlasses ist derzeit nicht absehbar, weshalb alle Verkaufsaktivitäten vorerst eingestellt wurden.“ Zur weiteren Zukunft des Hauses könne das BEV aktuell keine verbindlichen Aussagen treffen.