Merz-Regierung drückt Asylwende mit Polit-Kniff durch – Grüne wittern „Trump-Methoden”
Mit einem juristischen Kniff will Schwarz-Rot drei nordafrikanische Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklären – gegen den Widerstand der Grünen.
Berlin – Die Bundesregierung will Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer einstufen. Um ein Grünen-Veto zu vermeiden, nutzt ein neuer Gesetzesentwurf von Schwarz-Rot eine Regelung des neuen europäischen Asylsystems. Die Opposition sieht in der Einstufung per Rechtsverordnung die Grundpfeiler des Rechtsstaatsprinzips bedroht.
Koalition nutzt politische Abkürzung für „Asylwende“ – Grüne finden das „äußerst fragwürdig“
Seit Jahren gibt es Streit darüber, ob Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten gelten sollen. Die frühere Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) scheiterte 2016 am Widerstand der Grünen im Bundesrat. Jetzt wollen Union und SPD die Entscheidung per Rechtsverordnung treffen – ohne Zustimmung des Bundesrates. Denn dort hätten die Grünen genug Stimmen für ein Veto. Für die Bestimmung von sicheren Herkunftsstaaten per Rechtsverordnung wäre lediglich eine Zustimmung des Bundestags nötig.
Die Grünen bezeichnen das Vorgehen der Bundesregierung als „verfassungsrechtlich und politisch äußerst fragwürdig“, wie es in einer Mitteilung der Partei heißt. „Das erinnert fatal an die Trump-Methode, mit Erlassen zu regieren.“ Zudem läge ein Gutachten vor, wonach eine Erweiterung der Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ nur vom Gesetzgeber erfolgen dürfe. „Wer so handelt, rüttelt an den Grundpfeilern unseres Rechtsstaatsprinzips“, kommentierte die Migrationsexpertin und Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Filiz Polat, gegenüber dem Tagesspiegel. „Die Mitwirkung unserer Verfassungsorgane ist kein lästiges Verfahren, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot“, betonte Polat weiter.

Bundesregierung setzt auf schnellere Verfahren: Union und SPD verteidigen „Asylwende“
Die Asyl-Verfahren von Staatsangehörigen aus sicheren Herkunftsländern werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) schneller bearbeitet und entschieden. Das Ergebnis ist meist eine Ablehnung des Antrags. „Dadurch beschleunigen wir die vielfach unberechtigten Asylverfahren von Migranten aus diesen Ländern“, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) über das Ansinnen. Der Schritt sei Teil eines ganzen Pakets „nationaler Maßnahmen […], um die Asylwende durchzuführen“, betonte der Minister am Mittwoch (9. Juli).
Das Argument: Nur noch ein sehr geringer Prozentsatz der Antragssteller erhalte Asyl nach Artikel 16 des deutschen Grundgesetzes. Der Großteil hingegen regle sich über EU-Recht. „Diese Verfahrensvereinfachung- und beschleunigung entlastet die Justiz, die Kommunen und die Antragsteller selbst, die so sehr viel schneller Klarheit haben“, sagte Dirk Wiese, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, dem Tagesspiegel. „Die Bestimmung von angeblich sicheren Herkunfts- und Drittstaaten erschwert es gefährdeten Menschen, den ihnen eigentlich zustehenden Schutz zu bekommen“, kommentierte hingegen Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, laut einer Mitteilung.
Spannungsfeld Migration: Deutscher Arbeitsmarkt braucht Zuwanderer
Die EU hatte zuletzt Kosovo, Bangladesch, Kolumbien, Ägypten, Indien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer eingestuft. Asylanträgen von Menschen aus diesen Ländern haben geringe Aussicht auf Erfolg. Gleichzeitig hat Deutschland ein Problem: Hierzulande fehlen Arbeitskräfte. Die Bundesrepublik braucht 1,5 Millionen Zuwanderer pro Jahr, um den Mangel auszugleichen, heißt es von der Vorsitzenden der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. Neben hochqualifizierten Zuwanderern sind auch weniger gut ausgebildete Menschen gefragt – etwa in der Gastronomie oder auf Baustellen.
In den kommenden zehn Jahren verliert Deutschland Experten zufolge fünf Millionen „Babyboomer“ netto mehr auf dem Arbeitsmarkt als junge Menschen nachkommen. „Natürlich brauchen wir Zuwanderung, wenn wir diesen zunehmenden Arbeitskräftemangel auch nur einigermaßen begrenzen wollen“, betont Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Aus Sicht von Kritikern könnte die restriktivere Migrationspolitik auch wichtige Arbeitskräfte abschrecken.