Habeck räumt Fehler ein: „Wenn der Diskurs des Landes aufs Scheitern ausgelegt ist, werden wir scheitern“
Robert Habeck stand für das Heizungsgesetz in der Kritik. Auf einer Messe riet er zu mehr Optimismus. Was steckt dahinter?
Hamburg – Für viele Probleme innerhalb der deutschen Wirtschaft, vor allem mit Bezug auf die Energiewende, macht die Bevölkerung den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (die Grünen) verantwortlich. Als die Digital- und Marketingmesse OMR am 7. Mai ihre Tore öffnete, stand Habecks Besuch an erster Stelle der Tagesordnung – und er räumte mit zwei Kernannahmen auf.
„Zu sehr im Fokus“ – Robert Habeck gesteht Fehler bei Heizungsgesetz ein
Dabei ging der Minister zunächst auf die massive Kritik ein, die im Zuge zweier politischer Entscheidungen auf sein Ministerium eingeprasselt war. Erstens sprach er die Gaseinsparmaßnahmen während der Coronavirus-Pandemie an – damals waren Denkmäler und Kirchen nachts unbeleuchtet geblieben, in öffentlichen Ämtern hatte die Regierung die Temperaturen reguliert. Teilweise hatten Beamte bei zwölf Grad im Büro gesessen. Zweitens gab Habeck zu, beim Gebäudeenergiegesetz falsch reagiert zu haben.

Insgesamt hatte er, so erklärte es der Minister, zu sehr auf mögliche Krisensituationen geachtet, die sich eventuell aus dem Ukraine-Krieg für die Bundesrepublik hätten ergeben können. Habeck sagte dazu: „Die einzige Antwort, die ich geben kann, ist, dass ich so sehr im Fokus war, fossile Energie einzusparen, dass ich nicht gesehen habe, wie sich die mentale Haltung im Land schon wieder woanders hinbewegt hat.“
Allerdings komme es für ihn auch darauf an, das mediale und politische Mindset zu verändern – und zwar grundlegend. Denn auch wenn das Gebäudeenergiegesetz nicht so gut ankam wie er dachte, so führte Habeck aus, hätten viele andere Dinge durchaus funktioniert. „Die Speicher sind voll, die Gaspreise sind runter, die Strompreise sind runter, die CO₂-Emissionen sinken, die Erneuerbaren gehen durch die Decke. Okay, dieser eine Punkt war nicht gut (hier bezieht sich Habeck auf das Heizungsgesetz, Anm. d. Red.), aber zehn andere Dinge waren richtig gut.“
„Gaspreise sind runter“ – Das sagt die Bundesnetzagentur
Nun stellt sich die Frage: Stimmen Habecks Angaben? Zumindest hinsichtlich der Gasversorgung gibt die Bundesnetzagentur Entwarnung. „Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil“, heißt es vonseiten der Agentur. Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei gewährleistet, die Gefahr einer „angespannten Gasversorgung“ sei gering. Dennoch bleibe ein „sparsamer Gasverbrauch“ wichtig.
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Allerdings – und hier geht es direkt in seine zweite Bemerkung – heißt das nicht, dass Deutsche weniger zahlen. Im Gegenteil: Gas kostete zuletzt wieder mehr. Das hat die folgenden drei Gründe:
- Seit April ist der reguläre Mehrwertsteuersatz von sieben auf 19 Prozent angestiegen, sowohl für Gas als auch für Wärme.
- Der Großhandelspreis für Erdgas ist wegen des Konflikts in Israel gestiegen. Gasanbieter kaufen die voraussichtlich benötigten Gasmengen oft zu den gerade verfügbaren Konditionen ein, um neue Kunden zu bedienen. Steigende Gaspreise im Großhandel wirken sich daher direkt auf die Angebote für Neukunden aus.
- Und zuletzt ist der CO₂-Preis, den alle Kunden pro verursachter Tonne CO₂ zahlen müssen, angestiegen – und wird es auch weiter tun.
Die Strompreise dagegen waren zuletzt stabil. Laut dem BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. Waren die Großhandelspreise für Gas im März mehr oder weniger unverändert, die Großhandelspreise für Strom sind im Terminmarkt „leicht gestiegen“. Das berichtete der Verband Anfang Mai. Vom Statistischen Bundesamt (Destatis) kamen die letzten aktuellen Zahlen im März, und dann auch nur für das zweite Halbjahr 2023. Hier stand für die privaten Haushalte ein Minus von 1,3 Prozent auf dem Papier – Strom war also tatsächlich billiger.
CO₂-Emissionen im Sinkflug – Minus 46 Prozent seit 1990
In Sachen Treibhausgasemissionen wiederum hatte die Bundesregierung bereits vor Jahrzehnten die Energiewende eingeleitet, wenn auch schleppend. Im Vergleich zum Referenzjahr 1990 sind die CO₂-Emissionen um 46,1 Prozent gesunken. Allein zwischen 2022 und 2023 hatte das Umweltbundesamt ein Minus von 10,1 Prozent gemessen. Auch wenn des Öfteren deutliche Mahnung aus der Politik (und vonseiten der einschlägigen Aktivisten) kommen, hat Deutschland hier durchaus vorgelegt.
Für Habeck ist es auch eine Sache des Mindsets, ob die gesteckten politischen Ziele überhaupt machbar sind. „Wenn der Diskurs des Landes aufs Scheitern ausgelegt ist, werden wir scheitern“, sagte er zu Markus Lanz. Eine Parallele zum Fußball zog er ebenfalls: „Wenn du gewinnen willst, musst du eben auch mal Tore schießen, und nicht mit elf Mann hinten in der Deckung stehen.“ Er erklärte, dass einige Entscheidungen nicht zuerst durch Parteitage und Diskussionen gehen dürften, ehe ein Minister sie treffe.
„Die Erneuerbaren gehen durch die Decke“
Seine letzte Aussage, dass die Erneuerbaren „durch die Decke gehen“, ist eher vage gehalten und umschließt wohl alle erneuerbaren Energien. Hier hatte Deutschland durchaus Tempo gemacht, allerdings mit einem deutlichen Schwerpunkt auf die Photovoltaik. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hatte hier im Frühjahr ein denkbar positives Zeugnis ausgestellt: Der Ausbau von Solarkraft funktioniere in vielen Bundesländern durchaus positiv. Gleichzeitig aber sprach die vbw hinsichtlich der Windkraft eine deutliche Mahnung aus. „Deutschland windet sich, schafft die Energiewende aber nicht“, so lautete das finale Verdikt.
Zuletzt verglich Habeck die Energiewende, den Umstieg von fossiler Energie auf erneuerbare Energien, mit dem vom Kabeltelefon auf Smartphones. „Man verkennt, was in den vergangenen 20 Jahren passiert ist“, erklärte Habeck den Gedankengang. „Das Smartphone hat völlig neue Geschäftsmodelle eröffnet.“ Damit seien nicht nur die technologischen Möglichkeiten gemeint, sondern auch eine Bandbreite von Geschäftsmodellen entlang der Wertschöpfungskette.
Dass das nicht immer positiv für die deutsche Wirtschaft ist, zeigt aktuell das Beispiel der Solarindustrie. Branchengiganten wie Meyer Burger hatten hier zuletzt die Produktion drosseln müssen, weil der Preisdruck chinesischer Hersteller zu groß war.
Das ganze Gespräch zwischen Markus Lanz und Robert Habeck stellt OMR auf seiner YouTube-Präsenz zur Verfügung.