Nach der Festnahme von Yoon Suk-yeol: Wie geht es weiter in Südkorea?
Südkoreas entmachteter Präsident Yoon wurde am Mittwoch festgenommen. Die Beliebtheitswerte seiner Partei steigen aber. Das liegt auch an dem Mann, der Yoons Nachfolger werden will.
Es waren dramatische Szenen, wie man sie in einer Demokratie wie Südkorea nicht erwarten würde. Wobei man das ja schon häufiger dachte, seit der mittlerweile entmachtete Präsident des Landes, Yoon Suk-yeol, Anfang Dezember das Kriegsrecht ausgerufen und Südkorea in die schwerste Krise seit Jahrzehnten gestürzt hatte.
Mehr als 3000 Polizisten und Ermittler der Antikorruptionsbehörde CIO stürmten am Mittwochmorgen das mit Stacheldraht und Fahrzeugbarrieren abgeriegelte Anwesen von Yoon Suk-yeol in der Hauptstadt Seoul. Es war bereits der zweite Versuch, den entmachteten Präsidenten des Landes festzunehmen. Anders noch als bei einem ersten Versuch in der vergangenen Woche kooperierte Yoon diesmal mit den Behörden – „um ein Blutvergießen zu verhindern“, wie er in einer im Vorfeld aufgezeichneten Videobotschaft erklärte. Erstmals in der Geschichte Südkoreas wurde also am Mittwoch um 10.33 Uhr Ortszeit ein amtierender Präsident festgenommen.
Gegen Südkoreas Präsident Yoon laufen zwei Verfahren
Gegen Yoon laufen derzeit zwei Verfahren. Zunächst verhandelt das Oberste Gericht des Landes über die Amtsenthebung des Präsidenten durch das Parlament Ende Dezember. Zu einer ersten Anhörung in dem Verfahren war Yoon am Dienstag nicht erschienen, ein Urteil muss binnen 180 Tagen fallen, wird aber schon für die nächsten Wochen erwartet. Sollte das Gericht die Amtsenthebung aufrechterhalten, wird Yoon aus dem Amt, das er offiziell noch immer innehat, entfernt.
In einem zweiten Verfahren ermittelt die Antikorruptionsbehörde CIO wegen Machtmissbrauchs und Aufruhrs gegen Yoon. Ihm droht lebenslange Haft oder sogar die Todesstrafe, die Südkorea allerdings seit Jahren nicht mehr vollstreckt. Nach seiner Festnahme am Mittwoch verweigerte Yoon die Aussage in dem Verfahren. In der aufgezeichneten Videobotschaft hatte er erklärt, die Ermittlungen gegen ihn nicht anzuerkennen. „Das Kriegsrecht ist kein Verbrechen. Es ist eine Ausübung der Autorität des Präsidenten zur Bewältigung einer nationalen Krise“, schrieb Yoon zudem in einem auf Facebook veröffentlichten Brief. Bis zu 48 Stunden kann Yoon festgehalten werden, bevor ein neuer Haftbefehl notwendig wird.
Immer mehr Yoon-Unterstützer wagen sich aus der Deckung
Nach der Verhaftung Yoons gingen in Seoul Tausende Menschen auf die Straße. Gegner des Präsidenten demonstrieren bereits seit Wochen lautstark, trotz Temperaturen teils weit unter null. Aber auch immer mehr Unterstützer wagen sich aus der Deckung. Bevor Yoon das Kriegsrecht ausgerufen hatte, war einer Umfrage des Instituts Realmeter zufolge nur jeder Vierte zufrieden mit der Arbeit des Präsidenten. Mittlerweile steht zumindest seine People Power Party deutlich besser da: In einer Realmeter-Umfrage von Anfang dieser Woche gaben knapp 41 Prozent der Befragten an, sie unterstützten Yoons PPP. Hinter der größten Oppositionspartei DP stehen demnach gut 42 Prozent der Südkoreaner.
Noch Anfang Januar hatte eine andere Umfrage ergeben: 72 Prozent der Menschen in Südkorea sind der Meinung, Yoon habe mit der Ausrufung des Kriegsrechts eine „schwere Straftat“ begangen. Dass Yoons Partei jetzt dennoch fast dieselben Beliebtheitswerte einfährt wie die oppositionelle DP, liegt vor allem an deren Anführer, dem in weiten Teilen des Landes heftig umstrittenen Lee Jae-myung. Lee gilt vielen Südkoreaner als radikaler Kommunist, der sein Land an Nordkorea verraten wolle. Anders als Yoon sucht Lee die Nähe zum nordkoreanischen Regime, in der Hoffnung, durch Verhandlungen die Lage auf der koreanischen Halbinsel zu entspannen. Gleichzeitig kritisiert er, dass sich Südkorea unter Yoon weiter an den Nachbarn Japan und den Verbündeten USA angenähert hat.
Yoons Gegner stammt aus einfachsten Verhältnissen
Der 61-jährige Lee Jae-myung stammt aus einfachsten Verhältnissen. Seine Eltern verdienten ihren Lebensunterhalt mit dem Putzen von Toiletten, als Kind musste er in mehreren Fabriken schuften, um das Familieneinkommen aufzubessern. Später studierte Lee Jura und wurde Menschenrechtsanwalt. Die DP führt er seit Anfang 2022, bei der Präsidentschaftswahl im März desselben Jahres unterlag er Yoon mit weniger als einem Prozentpunkt Abstand.
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Seit diesem denkbar knappen Wahlausgang haben sowohl Yoon als auch Lee wenig dafür getan, die tiefen Gräben im Land zu überwinden. Lee ging nach der Wahl wochenlang in einen Hungerstreik, seine Partei überzog Mitglieder der Yoon-Regierung mit fast zwei Dutzend Amtsenthebungsverfahren und machte die Regierungsarbeit so fast unmöglich. Yoon wiederum ließ sich auf ein Treffen mit dem Oppositionsführer erst nach einer Parlamentswahl im vergangenen Frühjahr ein, die die DP klar für sich entschieden hatte. Da war Yoon bereits 720 Tage im Amt. Einige Wochen zuvor hatte Lee einen Attentatsversuch schwer verletzt überlebt.
Auch gegen Lee Jae-myung wird ermittelt
In einem Interview mit der New York Times sagte Lee wenige Tage nach der Ausrufung des Kriegsrechts durch Yoon, er wolle den „Teufelskreis“ aus immer neuen Anschuldigungen zwischen Regierung und Opposition beenden, sollte er zum Nachfolger Yoons gewählt werden. Allerdings laufen derzeit auch gegen Lee mehrere Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen Korruption und Bestechlichkeit. Auch soll er während seiner Zeit als Gouverneur der Provinz Gyeonggi acht Millionen US-Dollar nach Nordkorea geschleust haben, um das dortige Regime zu einem Treffen mit ihm zu bewegen. In einem weiteren Verfahren wurde er zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Lee bestreitet die Vorwürfe und nennt sie politisch motiviert. So schnell dürfte Südkorea also nicht zur Ruhe kommen.