Die Ostsee wird mit Schwedens baldigem Beitritt zum Nato-Gewässer – und Russlands Spielraum schwindet
Der näher rückende Beitritt Schwedens macht die Ostsee zum Nato-Meer: Das verstärkt die koordinierte Verteidigung gegen mögliche Angriffe Russlands.
Die Ostsee war in ihrer Geschichte ein Ort florierenden Handels und Schauplatz blutiger Kriege. Im Kalten Krieg teilte der Eiserne Vorhang das Meer. Nach dessen Ende schien es, als könne die Ostsee erneut ein gemeinsamer Handelsplatz und Sehnsuchtsort für Strandhungrige sein. Doch der russische Angriff auf die Ukraine lenkt den Blick wieder auf die strategische Bedeutung dieses Meeres. Und nun steht die Ostsee kurz davor, praktisch zum Nato-Gewässer zu werden.
Denn der Nato-Beitritt Schwedens ist ein gutes Stück näher gerückt. Die türkische Nationalversammlung in Ankara billigte am Dienstagabend mit 287 gegen 55 Stimmen den Beitritt Schwedens. Nun fehlt nur noch die Zustimmung des russlandfreundlichen Ungarns. Doch durch das Ja Ankaras steigt der Druck auf Budapest.
Schwedens Nato-Beitritt macht Ostsee wohl schon 2024 zum Nato-Meer
Sobald Schwedens Beitritt vollzogen ist, wird die Ostsee ausschließlich von Nato-Mitgliedern umgeben sein. Einzige Ausnahme ist Russland. Finnland trat im April 2023 bei. Beide Staaten gaben ihre langjährige Neutralität als Reaktion auf Russlands Ukraine-Feldzug auf. Ihre militärische Stärke fällt nun an die Nato. Finnland hat eine große Wehrpflichtigenarmee mit Hunderttausenden Reservisten. Schweden besitzt hochmoderne Kampfjets und U-Boote aus eigener Produktion. Die Kontrolle der nördlichen Ostsee geht dadurch an die Nato.
Nur knapp ein Zehntel der rund 8000 Kilometer langen Küstenlinie des Meeres gehört zu Russland – im Osten des finnischen Meerbusens sowie vor der Exklave Kaliningrad zwischen Polen und Litauen. „Der russische Küstenstreifen an der Ostsee ist klein und ich traue der russischen Marine nicht zu, die anderen Ostseeanrainer zu bedrohen“, sagte Lettlands Armeechef General Leonids Kalnin kürzlich im Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er halte es für notwendig, „dass wir die Ostsee unverzüglich unter die Kontrolle der Nato stellen. Nur so können wir unsere Infrastruktur unter Wasser wirklich schützen und Provokationen verhindern.“
Als Reaktion auf eine Reihe mysteriöser Vorfälle, bei denen Unterseekabel und Gasleitungen nahe Finnland, Schweden und Estland durchtrennt wurden, verstärkte die Allianz im Oktober 2023 zudem ihre Seepatrouillen. Schwedens Ministerpräsident Kristersson warnte damals eindringlich vor der Verwundbarkeit der „Spaghettischale aus Kabeln, Drähten und anderer Infrastruktur am Meeresgrund“. Und noch immer ist unklar, wer für die Explosionen der beiden Nord Stream-Pipelines unter der Ostsee im September 2022 verantwortlich ist.
Nato verstärkt die Sicherheit der baltischen Staaten
Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen warnen seit Jahren vor der Bedrohung durch Russland. Heute tut das niemand mehr als alarmistisch ab. Sobald Schwedens Beitritt vollzogen ist, werde die Nato eine koordinierte Verteidigung der nordisch-baltischen Region gegen die russische Bedrohung aufzubauen beginnen, schrieb kürzlich das britische Magazin Economist. Der Krieg habe die Nato zum Strategiewechsel veranlasst. Früher akzeptierte das Bündnis laut dem Bericht, dass eine russische Invasion zunächst weite Teile des Baltikums überrennen würde. Ziel war es, diese Gebiete rasch zurückzuerobern.
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Doch die russischen Gräueltaten in der Ukraine machten eine solche Strategie unerträglich. Nun erklärt die Nato regelmäßig, dass sie „jeden Zentimeter ihres Territoriums“ verteidigen werde, und verstärkt ihr Militärpräsenz und Übungen entlang der Ostflanke. Auch die Bundeswehr wird voraussichtlich ab Ende 2026 eine Brigade fest in Litauen stationieren. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren; bislang rotiert das Kontingent alle paar Monate.

Deutschlands Ostseehafen Rostock wird zum Nato-Hub
In Deutschland entsteht derzeit in Rostock ein Logistik-Hafen als sogenannter Nato Deployment Hub, von dem aus künftig Truppen sowie Material in Partnerstaaten verlagert werden können. Der Hafen der Hansestadt hat über die Warnowmündung einen direkten Zugang zur Oststee. Mit dem Deployment Hub stelle Deutschland eine zentrale logistische Basis zur Verteidigung der Ostflanke des Bündnisgebiets zur Verfügung, teilte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius im November mit.
Zum Einsatz kommt die Basis im Rahmen des größten Nato-Manövers seit dem Kalten Krieg, genannt „Steadfast Defender“, das seit dieser Woche läuft. Über mehrere Monate simulieren dabei rund 90.000 Soldaten aus 31 Ländern einen Angriff Russlands auf Nato-Gebiet, und damit den Bündnisfall. Anfang Mai sollen in Rostock dabei Truppen und Panzer aus Nato-Nationen per Bahn in den Rostocker Hafen kommen, wo sie auf ein Schiff nach Litauen verladen werden. Dazu sieht das Manöver vor, Teile des Hafengebiets militärisch zu sichern.
Mit Kriegsbeginn hatte die Nato zudem die unter Nato-Mitgliedern rotierenden Luftpatrouillen über der Ostsee verstärkt. Diese fangen immer wieder russische Kampfjets nahe dem Nato-Luftraum ab. So berichtete zuletzt das italienische Kommando von rund 60 Begegnungen mit russischen Jets zwischen August und November. Mit dem Beitritt Finnlands und bald auch Schwedens ist klar: Der Spielraum Russlands wird schrumpfen, da sich Luftraum und Seegebiet der Nato in der Ostsee dramatisch vergrößern. Den Zugang zur Ostsee kontrollieren ohnehin die Nato-Staaten Dänemark und Norwegen, das im Arktischen Meer an Russland grenzt.