Vor Zugspitzen-Gipfel: Dobrindt kündigt Abschiebungen der EU in Drittstaaten an
Innenminister Alexander Dobrindt lädt Amtskollegen aus Nachbarländern auf die Zugspitze. Dort will er zu einer gemeinsamen Migrationspolitik finden.
Grainau – Die Zugspitze lockt derzeit nicht nur Naturliebhaber und Wanderer an. Sondern auch die Polit-Prominenz. Erst am Dienstag traf hier Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zusammen. Es gab schöne Bilder und nette Worte unter eng verbundenen Parteichefs.
Nur vier Tage später bereist das nächste Mitglied der noch jungen, aber schon kriselnden Bundesregierung den höchsten Punkt Deutschlands. An diesem Freitag (18. Juli) lädt Innenminister Alexander Dobrindt zu einem Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen auf fast 3000 Metern Höhe. Im Mittelpunkt steht eine Verschärfung der europäischen Migrationspolitik.
Dobrindt lädt zu Migrations-Gipfel auf der Zugspitze: Amtskollegen aus Nachbarländern kommen
Neben dem CSU-Politiker sind die Innenminister der Nachbarländer Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien sowie EU-Innenkommissar Magnus Brunner angekündigt. Es soll eine Agenda für den Migrationsturbo in Europa vorgelegt werden, informiert das Ministerium.
„Wir haben ein gemeinsames Interesse daran, europäisch abgestimmt zu handeln, deswegen planen wir auch zusammen europäische Initiativen zur Neuordnung der Migration“, erklärt Dobrindt. Die verschärften Grenzkontrollen seit dem Regierungswechsel hatten vor allem in Polen für Kritik gesorgt, weil der östliche Nachbar Rückstaus auf den Straßen und damit auch Beeinträchtigungen des Warenverkehrs befürchtete.
Mittlerweile gibt es auch auf der anderen Seite der Grenze Kontrollen. Der NDR berichtete sogar von polnischen Bürgerwehren, die jene Kontrolleure beobachten. Die Mitglieder befürchten, Deutschland würde Migranten abschieben, die dann in Polen Straftaten begehen und womöglich ihre Familien bedrohen würden. Unter ihnen regiert also das Misstrauen – gegenüber dem Nachbarland, der eigenen Regierung und nicht zuletzt jenen Menschen, die aus ihrer Heimat geflüchtet sind, um sich in Europa ein neues Leben aufzubauen.
Dobrindt will Migration neu ordnen: Abschiebungen in Drittstaaten sollen vorangetrieben werden
Das unterstreicht umso mehr, wie heikel das Thema ist. Dobrindt will sich und seinen Gästen auf der Zugspitze nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auch damit behelfen, Asylsuchende in Länder abzuschieben, zu denen sie keinen Bezug haben. Dazu müsste das sogenannte Verbindungselement abgeschafft werden, das Teil der erst im vergangenen Jahr verabschiedeten EU-Asylreform ist.
Noch sind Abschiebungen in Drittstaaten nur möglich, wenn die Person dort etwa Familie hat oder sich in der Vergangenheit länger in jenem Land aufgehalten hat. Dobrindt schwebt auch eine Ausweitung der Rückführungen nach Afghanistan und Syrien vor. Doch ihm ist bewusst, dass es einige Hürden aus dem Weg zu räumen gibt.
Kurz vor dem Migrations-Gipfel in luftiger Höhe sagte der 55-Jährige im Interview mit der Augsburger Allgemeinen: „Ein großes Hindernis ist bislang, dass einige Heimatländer ihre Staatsangehörigen nicht zurücknehmen wollen. In diesem Fall wollen wir die Möglichkeit schaffen, Migranten in Nachbarländer in der Nähe der Herkunftsländer zurückzuführen.“
Dobrindt und die Migrationspolitik: EU plant Rückführungszentren in Nicht-EU-Ländern
Dabei gehe es auch darum, Nachbarregionen der Herkunftsländer auszuwählen, „in denen sich oft Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen befinden“. Dobrindt sieht Drittstaatenlösungen als zentralen Baustein, um kriminellen Schleuserbanden das Wasser abzugraben. Im Focus sprach er in diesem Zusammenhang von Staaten, „die als Transitländer etabliert oder als fluchtnahe Staaten erkennbar sind“.

Die EU-Kommission bemüht sich bereits um ein gemeinsames EU-Rückkehrsystem, um „schnellere, einfachere und effektivere Rückführungen in der gesamten EU“ zu ermöglichen. Dazu zählen neben einer möglichen Haftanordnung für bis zu 24 Monate, um zu verhindern, dass Migranten während des Rückführungsprozesses untertauchen, auch sogenannte Rückführungszentren.
Brüssel schweben dabei Einrichtungen in Nicht-EU-Ländern vor, „die durch bilaterale oder EU-weite Abkommen geschaffen würden, um Personen mit endgültigen Rückführungsentscheidungen dorthin zu überführen“. Die Koordinierung und Vorbereitung soll in den Händen nationaler Behörden sowie von EU-Agenturen wie der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, besser bekannt als Frontex, liegen.
Migration in Deutschland: Dobrindt verkündet Abschiebeflug nach Afghanistan
Derweil verkündete Dobrindt vor dem Treffen auf der Zugspitze, an diesem Freitag würden 81 Afghanen per Abschiebeflug in ihre Heimat zurückgebracht. Es handele sich um „schwere und schwerste Straftäter“, wie er im ARD-„Morgenmagazin“ verriet. Der Flug erfolge „unter Zuhilfenahme der strategischen Sicherheitspartnerschaft mit dem Emirat Katar“.
Zuvor waren zuletzt im August 2024 Straftäter von Deutschland nach Afghanistan ausgeflogen worden. Kritik an dem Vorgang setzte es in derselben Sendung von Grünen-Politiker Anton Hofreiter, der meinte: „Man stelle sich vor, da ist ein islamistischer Terrorist, den schifft man zu islamistischen Terroristen ab und denen fällt nichts Besseres ein, als den wieder einzusetzen. Du weißt ja nicht, was die Taliban dann damit machen.“
Zu Dobrindts Gipfel sagte der 55-Jährige: „Wir brauchen in dieser schwierigen Weltlage unsere Nachbarn.“ Allerdings gibt er auch zu bedenken, dass etwa die Niederlande und Luxemburg nicht eingeladen wurden: „Wir stoßen gerade regelmäßig Nachbarn vor den Kopf.“ Die Grenzkontrollen hält er für „Symbolpolitik“ und schimpfte: „Die Europäische Union verrät sich selbst, wenn man immer mehr Menschen an seinen Grenzen ertrinken lässt.“
Asylanträge in Deutschland 2025
16.594 im Januar
12.780 im Februar
10.647 im März
10.930 im April
9916 im Mai
9405 im Juni
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
Migrationszahlen in Deutschland: Fast 50 Prozent weniger Erstanträge auf Asyl im ersten Halbjahr 2025
In Deutschland zeigt sich derweil augenscheinlich bereits ein Effekt der verschärften Migrationspolitik. Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) aus dem Juni wurden im Berichtsjahr 2025 bis dahin 61.336 Erstanträge entgegengenommen. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 121.416. Damit gingen die Antragszahlen um 49,5 Prozent zurück.
Im Juni betrug die Zahl der gesamten Asylanträge 9405. Damit sank der Wert im Vergleich zum Vormonat noch einmal, als es 9916 Anträge gab. Im Januar waren es noch 16.594, seither nahm die Zahl beinahe Monat für Monat ab, lediglich im April stieg sie im Vergleich zum März nochmal leicht an.
Mit bislang insgesamt 72.818 Asylanträgen – also Erst- und Folgeanträgen – im Jahr 2025 steuert Deutschland auf den niedrigsten Wert seit 2020, dem ersten Corona-Jahr, zu. Die Zahlen wird auch Dobrindt auf der Zugspitze parat haben, um seinen Gästen zu zeigen, dass die unpopulären Grenzkontrollen allem Anschein nach wirken. (mg, mit dpa)