Parkhausmord und kein Ende: Neue Vorwürfe gegen den Verurteilten

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Will die Argumentation des Gerichts zum Einsturz bringen: Anwalt Peter Witting mit den Akten zur Wiederaufnahme des Verfahrens. © Sigi Jantz

Benedikt Toth (49) soll einen Gefängniswärter bestochen haben – gleichzeitig will sein Anwalt den Fall von 2008 spektakulär neu aufrollen.

Benedikt Toth und das Gesetz – eine unendliche Geschichte. Der Verurteilte im Mord an Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer ist gerade 17 Monate frei, nun steht er wieder vor Gericht: Er soll zu Haftzeiten einen Wärter der JVA Straubing mit einer Flasche Schnaps bestochen haben, um telefonieren zu dürfen, so der Strafbefehl.

Heute ist die Verhandlung vor dem Amtsgericht Straubing. „Unsinn“, sagt Toth (49), „beides hat miteinander nichts zu tun. Das Handy hat mir der Wärter angeboten. Ich war der Meinung, das sei rechtens. Den Schnaps habe ich vom Freigang als Dank für eine Kiste Spezi mitgebracht, die die Häftlinge von den Wärtern bekommen haben.“

JVA Straubing Innenansicht
In der JVA Straubing soll illegal Schnaps geflossen sein. © Soeren Stache / ddp

Rechtsbeugung der Strafkammer von 2008?

Gefährlich für Toths Bewährung ist die Sache nicht, denn die Bestechung, so sie eine ist, wurde vor seiner Freilassung angezeigt. Auf dem Spiel stehen 160 Tagessätze Geldstrafe. Viel wichtiger ist ein anderes Verfahren, dass sich derzeit parallel abspielt: der dritte Wiederaufnahmeantrag zum Mordverfahren von 2008. Toth will immer noch seine Unschuld beweisen – und das immer lauter.

Über 18 Jahre ist es her, dass Charlotte Böhringer (+59) erschlagen wurde. Doch der Fall kommt nicht zur Ruhe. Ihr Neffe Benedikt Toth habe sie ermordet, um den Abbruch seines Studiums zu vertuschen und zu erben, begründete das Gericht. Toths Anwalt Peter Witting kämpft seit Jahren gegen diesen Schuldspruch von 2008 – und zieht jetzt alle Register: Er wirft dem Gericht Rechtsbeugung vor. „Die Richter haben Erkenntnisse aus der Beweisaufnahme ausgespart, die Herrn Toth entlastet hätten. Sie wollten ihre eigene Argumentation nicht gefährden“, sagt er. Den dritten Wiederaufnahmeantrag an das Landgericht München I, der derzeit läuft, hat er kürzlich entsprechend erweitert.

„Charlotte Böhringer wusste von dem abgebrochenen Studium.“

Witting will die Argumentation des Gerichts zum Einsturz bringen. Eine Vertuschungsabsicht habe es nicht gegeben, denn: „Charlotte Böhringer wusste von dem abgebrochenen Studium“, so Witting, „das hat ihr Steuerberater in der Hauptverhandlung deutlich gesagt. ‚Sie war enttäuscht wie die Mutter von ihrem Kind‘, erzählte er den Richtern über Böhringer.“ Im Urteil sei dagegen zu lesen, der Steuerberater habe sich „mehrdeutig“ geäußert. Später, in einem Zivilprozess im Jahr 2012, notierten die Protokolle außerdem diese Aussage von ihm: „Ich wundere mich, dass ich im Strafurteil so interpretiert worden bin.“ Und: „Frau Böhringer fand es schade, dass Benedikt sein Studium nicht fortsetzt.“ Somit sei belegt, aber nie berücksichtigt worden, dass das Mordopfer sehr wohl Bescheid wusste. Und noch mehr Gründe für eine Rechtsbeugung, fügt Witting an. Unter anderem seien etwa DNA-Spuren mangelhaft untersucht worden.

Bence Toth in der Nähe des Isarparkhauses am Isartor.
Benedikt Toth ist seit 2023 in Freiheit. © SIGI JANTZ

Schon zwei Wiederaufnahme-Anträge wurden abgelehnt

Der Fall füllt stapelweise Aktenordner, derer jetzt schon mehrere Etagen in Wittings Büro stehen. Ob der Dreh mit der Rechtsbeugung aber wirkt, ist eine andere Frage. Unsere Zeitung hat unabhängige Juristen gefragt. „Allgemein wird weniger als drei Prozent aller Wiederaufnahmeanträge stattgegeben“, dämpft der Münchner Rechtsanwalt und Strafrechtsexperte Marc Wederhake die Erwartungen. „Davon abgesehen, müssen auch beim Vorwurf der Rechtsbeugung neue Tatsachen her, die rechtfertigen, dass das bestehende Urteil falsch ist. Man muss belegen, dass bestimmte Fakten im Urteil keine Berücksichtigung gefunden haben, dafür bedarf es einer genauen Prüfung der Protokolle aus der Hauptverhandlung.“ Anders als in Zivilverfahren gibt es hier aber keine Wortprotokolle. Dem Gericht Rechtsbeugung vorzuwerfen, sei daher so „wie mit dem Handbohrer nach Erdöl zu suchen“, sagt ein anderer Experte, der nicht genannt werden will. Bereits 2012 und 2019 wurden vom Landgericht Augsburg Anträge auf ein neues Böhringer-Verfahren abgelehnt. Die Prüfer befanden die vorgelegten Beweise als ungeeignet oder als nicht neu.

Charlotte Böhringer (r.) mit Fürstin Gloria (m.) auf der "Delphin Rennaissance"
Parkhaus-Millionärin Charlotte Böhringer. © Wolfgang Langenstrassen

Entscheidung vielleicht noch 2024

Das Urteil im Fall Böhringer sprachen damals – mit zwei Schöffen – der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sowie die Beisitzer Michaela Odersky und Peter Lang. Ein Trio, das auch Teil des Senats im NSU-Prozess war. Zum Vorwurf der Rechtsbeugung wollten sie sich auf Anfrage nicht äußern. Wie lange die Prüfung des dritten Wiederaufnahmeantrags im Parkhausmord dauert, weiß derweil nur das Landgericht Augsburg. Dort arbeitet sich nun die Schwurgerichtskammer in den Fall ein. Ein Sprecher erklärt: „Die Richter dieser Kammer sind nicht dieselben Kollegen, die die ersten beiden Wiederaufnahmeanträge abgelehnt haben.“ Es sei vorgesehen, dass im Laufe dieses Jahres eine Entscheidung fällt. Allerdings bearbeite man Verfahren, bei denen Betroffene in Untersuchungshaft sitzen, vorrangig – das Verfahren von Benedikt Toth hingegen sei abgeschlossen, deshalb gelte auch die Unschuldsvermutung nicht mehr für ihn.

Toth möchte den Vorwurf der Schnaps-Bestechung, der heute verhandelt wird, auf jeden Fall nicht auf sich sitzen lassen. „Ich akzeptiere nur eine Einstellung des Verfahrens“, sagt er, „allein schon im Hinblick auf die Wiederaufnahme des Mordfalls.“

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