Experte über Trump: „Es ist schlimmer gekommen, als wir erwartet haben“
Trump verwandelt die USA Schritt für Schritt in einen autokratischen Staat. Der Harvard-Professor Levitsky ruft die Demokraten und Bürger zum Handeln auf.
Cambridge – Seit Donald Trump zum US-Präsidenten vereidigt wurde, zeigt sich immer mehr, dass in den USA nicht nur ein Regierungswechsel erfolgt ist, sondern wohl auch ein Regimewechsel: von der Demokratie hin zu einer Art amerikanischem Autoritarismus. „Es ist schlimmer gekommen, als wir erwartet haben. Erstens agiert die neue Regierung viel schneller und umfassender als gedacht. Zweitens haben wir nicht mit Elon Musk gerechnet“, so der Harvard-Professor Steven Levitsky im Spiegel-Interview.
Experte warnt vor Zusammenbruch der Demokratie: Trump führt USA in eine Autokratie
Der Politik-Experte spricht vom Zusammenbruch der US-Demokratie. „Die USA rutschen unter Donald Trump in eine Form des Autoritarismus ab. Diese Entwicklung wird wohl nicht unumkehrbar sein. Aber die USA hören gerade auf, eine Demokratie zu sein“, so der Professor und Autor des Bestsellers „Wie Demokratien sterben“.

Tatsächlich hat Trump in den wenigen Monaten, in denen er im Amt ist, bereits Beamtenentlassungen, gelockerte Umweltgesetze, eine härtere Migrationspolitik und Zollerhöhungen umgesetzt. Levitsky sagt dazu: „Die ersten zwei Monate der Trump-Regierung erinnern mich nicht an Viktor Orbán in Ungarn, die polnische PiS-Partei, Narendra Modi in Indien oder Hugo Chávez in Venezuela. Es ist schlimmer.“
Trump und seine Verbündeten seien offener autoritär als jeder dieser Politiker. „Sie bejubeln den Autoritarismus geradezu. Das ist sichtbar an der Begeisterung, mit der sie gerichtliche Anordnungen missachten und Richter angreifen“. Zu Trumps Verbündeten gehören beispielsweise Hightech-Milliardär Elon Musk. Gemeinsam mit ihm würde Trump die Staatsorgane wie die Justiz, die Geheimdienste oder Aufsichtsbehörden wie die Kommunikationskommission mit Loyalisten besetzen, meinte der Harvard-Professor im Spiegel-Interview.
Ex-Außenminister Gabriel zu Trumps-Regierung: Tech-Milliardäre wie Musk gefährden US-Demokratie
Ähnliches kritisierte auch der frühere Außenminister Sigmar Gabriel. Er sieht den US-Präsidenten als „nützlichen Idioten“ von US-Tech-Milliardären und ebenfalls dadurch als eine Gefahr für die US-Demokratie. Der Vorsitzende des Vereins Atlantik-Brücke sagte der Rheinischen Post, für ihn sei der schlimmste Fall, „wenn die Milliardäre in Trumps Umfeld es schaffen, dauerhaft selbst die Politik zu gestalten, obwohl sie nie gewählt wurden“.
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Für die Tech-Bosse sei Trump „nur ein nützlicher Idiot“. Weiter sagte Gabriel: „Er soll für sie die Institutionen der Demokratie schleifen und Barrieren beim Geschäftemachen abbauen.“ Er halte sie „für deutlich gefährlicher als Donald Trump selbst“. Auf konkrete Personen angesprochen, sagte Ex-SPD-Chef Gabriel: „Natürlich gehört Elon Musk zuvorderst dazu, aber auch der in Deutschland geborene Milliardär Peter Thiel. Sie gehören einer extrem rechten, libertären Denkschule an, die Schluss machen will mit demokratischen Prinzipien.“ Aber was machen eigentlich die Demokraten als Oppositionspartei?
Trump-Dilemma der Demokraten: Opposition weicht von Angriffen des Republikaners zurück
Während der Republikaner Trump mit radikaler Politik das Land umkrempelt und an den Grundfesten des Rechtsstaats rüttelt, schauen diese nur fassungslos zu. In der Partei scheint große Uneinigkeit darüber zu herrschen, wie man dem wieder ins Weiße Haus eingezogenen Republikaner eigentlich begegnen soll.
„Lasst die Republikaner unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen und sorgt dafür, dass die Amerikaner uns vermissen“, schrieb James Carville in der New York Times an seine Parteikollegen gerichtet. Er gilt als einer der Hauptstrategen hinter Bill Clintons erfolgreicher Präsidentschaftskampagne 1992. „Ich rufe zu einem strategischen politischen Rückzug auf“, schrieb Carney.
Levitsky warnt vor dieser Strategie. In seinen Augen schalte Trump den US-Staat Schritt für Schritt gleich, „um politische Gegner unter Druck zu setzen, zu zermürben, ihre Chancen auf einen Wahlsieg zu schmälern“. Der Harvard-Professor sieht die Kontrollen der US-Verfassung versagen. „Unsere Gründerväter wollten einen allmächtigen Tyrannen verhindern. Dazu schufen sie eine Reihe von Institutionen: die Gewaltenteilung mit einem unabhängigen Parlament mit zwei Kammern und einer weitgehend unabhängigen Justiz. Und den Föderalismus mit weitreichenden Kompetenzen der Bundesstaaten“.
Was sie aber nicht voraussahen, war, dass es eines Tages zwei stark polarisierte Parteien geben würde, von denen die eine dem amtierenden Präsidenten ganz ergeben ist, so Politik-Experte. Noch nie habe ein US-Präsident mehr Kontrolle über eine Partei gehabt als Trump über die Republikaner – die in beiden Parlamentskammern die Mehrheit haben. „Das bedeutet, dass unsere Legislative ihre Macht an Trump abgibt“, sagt Levitsky im Spiegel-Interview.
Harvard-Professor zur Zukunft der US-Politik: „Bürger müssen die Demokratie verteidigen“
Anstatt auf die Demokraten zu setzen, hofft Levitsky auf die US-Bürger: „Es klingt vielleicht klischeehaft, aber es ist wahr: Die Bürger müssen die Demokratie verteidigen“. Man müsse eine engagierte Opposition aufbauen. Außerdem wies der Harvard-Professor daraufhin, dass Trump keine große Popularität im Volk genieße. „Trump ist kein beliebter Präsident. Bei der Wahl hat er keine 50 Prozent der Stimmen erreicht, und auch jetzt liegen seine Zustimmungswerte unter dieser Marke, Tendenz fallend“. Damit lehne ihn mehr als die Hälfte des Landes ab.
Politiker wie der russische Präsident Wladimir Putin oder der ehemalige Staatschef Venezuelas Hugo Chávez hätten dagegen teils 70 oder 80 Prozent Unterstützung gehabt, so Levitsky. Außerdem mache sich Trump aktuell mit seinem Handelskrieg durch die erhöhten Zölle gegen die EU oder Japan viele neue Feinde. „Die Form des Autoritarismus, die Trump anstrebt, ist nicht irreversibel. Ich denke, wir können es noch schaffen, unsere Demokratie wiederherzustellen. Aber wir Amerikaner müssen aktiv werden“, so der Bestseller-Autor. (bg/dpa).