Merz zur Lage in Nahost: „Einigermaßen zuversichtlich“ – aber eine Gefahr bleibt
Kurz vor dem Nato-Gipfel findet Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) klare Worte zur Lage in Nahost und stellt sich hinter die US-Angriffe auf den Iran.
Berlin – Entgegen der Einschätzung vieler Experten, Koalitions- und Politikerkollegen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) schätzt dieser die Lage in Nahost „einigermaßen zuversichtlich“ ein. Merz begründete seine Einschätzung zur Lage im Israel-Iran-Konflikt am Montag (23. Juni) in einer Rede beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin mit zwei Argumenten.
Zum einen sei das, was an Gegenwehr aus dem Iran bisher gekommen sei, weit hinter dem zurück, was die Bundesregierung eigentlich befürchtet habe. Und zum anderen stimme es ihn zuversichtlich, dass diejenigen, die sich dem Iran verbunden fühlen, „bis jetzt relativ wenig an Reaktionen gezeigt haben“, so Merz. Natürlich müsse das aber nicht so bleiben. Denn „wir wissen im Augenblick nicht wirklich, wie stark die iranische politische Führung, die Streitkräfte und diese sogenannten Revolutionsgarden im Iran noch sind“.
Lage in Nahost schwer einzuschätzen: Blockade von Hormus könnte Iran-Israel-Konflikt verschärfen
Die Lage in Nahost sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt „sehr schwer vorauszusagen“, so der Kanzler. Eskalieren könnte die Situation zum Beispiel bei einer Blockade der Straße von Hormus. Das sei eine „der ganz empfindlichen“ territorialen Angelegenheiten im Konflikt. „Wenn die umkämpft würde, gesperrt würde, zu gefährlich würde für die Durchfahrt, könnten wir mittelbare Folgen noch erleben. Es ist offen. Ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass es nicht zu größeren Erweiterungen kommt. Aber das ist wahrscheinlich heute noch zu früh, das abschließend zu beurteilen.“
Die Straße von Hormus verbindet den Persischen Golf mit dem Golf von Oman, dem Arabischen Meer und dem Indischen Ozean. Rund ein Fünftel der weltweiten Ölproduktion wird täglich über diese Handelsroute transportiert. Experten zufolge könnte Teheran die Seeroute als Vergeltung für die US-Angriffe auf iranische Atomanlagen sperren.
Die USA haben den Iran bereits vor der Sperrung der für den Handel wichtigen Seestraße von Hormus gewarnt. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, sagte am Montag (23. Juni) in Washington, „das iranische Regime wäre dumm, diese Entscheidung zu treffen“. Washington beobachte die Entwicklung genau.
Nach Eingriff der USA in Iran-Israel-Konflikt: Merz stellt sich hinter Angriffe auf Atomanlagen
Zum Hintergrund: Der US-Verbündete Israel hatte am 13. Juni einen Großangriff auf den Iran gestartet und bombardiert seitdem, insbesondere Atomanlagen und militärische Einrichtungen in dem Land. In der Nacht auf Sonntag griffen dann auch die USA aktiv in den Krieg zwischen Israel und Iran ein. Wie Israel begründet auch die USA ihr Vorgehen damit, dass der Iran vom Bau einer Atombombe abgehalten werden müsse. Der Iran, der ein Streben nach der Atombombe bestreitet, attackiert Israel seither im Gegenzug mit Raketen und Drohnen.
Merz stellte sich auch am Montag nach dem Kriegseintritt der USA nochmals klar hinter die Luftangriffe auf den Iran. „Es gibt für uns und auch für mich persönlich keinen Grund, das zu kritisieren, was Israel vor einer Woche begonnen hat, und keinen Grund, das zu kritisieren, was Amerika am vergangenen Wochenende getan hat“, sagte er beim Tag der Industrie. „Es ist nicht ohne Risiko. Aber es so zu belassen, wie es war, war auch keine Option.“
Merz begründete seine Haltung mit dem Agieren des Irans in den vergangenen Jahren. „Der Iran ist das Terrorregime der Welt, ein wesentlicher Teil der Achse des Bösen, würde ein amerikanischer Präsident jetzt sagen.“ Damit bezog er sich auf eine Aussage des früheren US-Präsidenten George W. Bush nach den Terrorangriffen auf die USA am 11. September 2001.
Zur Achse des Bösen zählte er Länder wie den Irak, den Iran und Nordkorea, die seiner Ansicht nach Terror schürten und nach Massenvernichtungswaffen strebten. Er ordnete später den Einmarsch von US-Truppen in den Irak an, an dem sich Deutschland und andere Nato-Verbündete nicht beteiligten. Auch diesmal schloss Merz einen Bundeswehreinsatz in Nahost strikt aus: „Die Israelis brauchen uns nicht.“
Andere Politiker kritisieren Vorgehen der USA: Mützenich sieht Gefahr für Destabilisierung in Nahost
Andere deutsche Politiker äußerten hingegen deutliche Kritik am Vorgehen der USA. So betonte etwa der ehemalige SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich im Tagesspiegel die Gefahr weiterer Kriege und Destabilisierung in der Region. Die Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger forderte die USA auf, die völkerrechtliche Legitimation für ihr Vorgehen darzulegen. „Militäreinsätze bezogen auf nukleare Anlagen sind besonders gefährlich und vom Völkerrecht nicht gedeckt“, erklärte Brugger.

Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken kritisierte die US-Angriffe als völkerrechtswidrig. Nur Verhandlungen könnten eine iranische Atombombe verhindern, sagte van Aken. Alle Seiten sollten nun deeskalieren und von weiteren Angriffen absehen. „Wenn der Westen selbst das Völkerrecht verletzt, wird es umso schwerer, globale Unterstützung für die Ukraine und den Kampf gegen den Völkerrechtsverletzer Putin zu gewinnen“, warnte van Aken. „Für Putin war das heute daher wieder einmal ein guter Tag.“
Nato-Generalsekretär Mark Rutte sieht in den US-Angriffen auf Ziele im Iran wie Merz keinen Verstoß gegen internationales Recht. „Ich würde nicht zustimmen, dass es gegen internationales Recht verstößt, was die USA getan haben“, sagte Rutte am Montag auf einer Pressekonferenz in Den Haag. Seine „größte Angst“ hinsichtlich des Konflikts im Nahen Osten sei, „dass der Iran eine Atomwaffe besitzen und einsetzen könnte“, fügte der Nato-Generalsekretär hinzu. Der Iran-Israel-Konflikt wird auch Thema auf dem Nato-Gipfel am Dienstag und Mittwoch (25./26. Juni) in Den Haag sein. (bg/dpa)