„Ohne Frauen ist kein Staat zu machen“

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Das Eichenauer Rathaus. © Gemeinde Eichenau

Bei einer öffentlichen Veranstaltung in Eichenau warben Gemeinderätinnen um Frauen für den Gemeinderat.

Eichenau – Noch immer sind Frauen in der Politik in der Minderheit. Auch in den Kommunen. Von 24 Gemeinderäten in Eichenau sind nur ein Drittel Frauen. Das soll sich ändern – ehemalige und amtierende Gemeinderätinnen wollen frischen Wind in die Parteienlandschaft bringen. Bei einer öffentlichen Veranstaltung in Eichenau warben sie um Frauen, die sich bisher noch nicht politisch engagiert haben.

Gertrud Merkert (SPD) hatte vor sechs Jahren schon einmal diesen Appell gestartet. Damals mit wenig Erfolg, sagt sie heute. Diesmal kamen doch einige Interessierte jeden Alters, die sich ein Engagement in der Gemeinde vorstellen können.

Vieles hat sich verändert

Es hat sich in den letzten Jahrzehnten Vieles verändert, stellten die Gemeinderätinnen übereinstimmend fest. Früher war es schwieriger – traditionelle Rollenbilder hielten Frauen oft von der Politik fern. Heute ist es eher die Vereinbarkeit von Familie, Beruf, Ehrenamt und Hobby, die Frauen davon abhält, sich zu engagieren. Auch wenn es gesellschaftlich anerkannt und freier ist.

In Eichenau ist es heute nichts Besonderes mehr, wenn eine Frau sich um einen Sitz im Gemeinderat bewirbt, da sind sich alle einig. Die dritte Bürgermeisterin Rike Schiele (Bündnis 90/Grüne) hat auch nur gute Erfahrungen mit den Gemeinderäten gemacht, erzählt sie, auch in gehobener Position. Für sie ist wichtig, sich politisch zu engagieren. „Gerade in dieser Zeit muss die Demokratie aufrechterhalten werden.“

In der Kommune kann man da noch hautnah mitbestimmen. Gerti Bolke, Urgestein der CSU, war seit 1990 im Gemeinderat. Sie betont: „Die Kommunalpolitik ist anders als die Bundespolitik. Es geht primär um Menschen, parteiübergreifend. Aber: Ohne Frauen ist kein Staat zu machen.“

Ihre Erfahrung teilen auch andere Gemeinderätinnen. Marille Musoll, 82, wäre noch gern dabei, hat aber aus Altersgründen aufgehört. „Das Kommunale ist eine Ebene, wo man persönlich etwas erreichen kann. Über alle Parteien hinweg. Es geht um die Gemeinde, nicht um parteipolitisches Geklüngel.“ Elisabeth Böhlau, für die SPD im Gemeinderat: „Frauen bringen eine andere Dynamik, andere Themen – und eine andere Gesprächskultur.“

Celine Lauer, CSU, ist derzeit aus privaten Gründen nicht im Amt. Sie will aber unbedingt zurück, um für die kommende Wahl im März 2026 anzutreten. Für sie als Kulturreferentin galten trotz all der Arbeit und der investierten Zeit vor allem auch die kleinen Momente – „wenn etwas umgesetzt wird, wofür Du jahrelang gearbeitet hast. Oder wenn jemand zu Dir kommt und sich bedankt. Das macht schon was mit Dir.“ Auch da sind sich die Aktiven einig: Die politische Arbeit verändert die Persönlichkeit. Man werde selbstbewusster, entwickle sich weiter.

Die Schattenseiten

Trotz aller Werbung in eigener Sache – es steckt schon viel Aufwand in der Arbeit als Gemeinderätin. Viele Abendtermine, je nach zugewiesenem Dezernat auch weit darüber hinausgehendes Engagement. Alle drei Wochen Gemeinderatssitzung, dazu vorher Fraktionssitzung, Besuch von Veranstaltungen, Teilnahme an Diskussionsrunden, eigene Initiativen. Da kommen schon etliche Stunden zusammen. Vergütet wird das mit etwa 2.000 Euro im halben Jahr. Gut sei, dass es weniger feste Termine gebe, weil mehr Arbeit in Ausschüsse verlegt werde, die nur nach Bedarf tagen. Und: Man ist im Ort bekannt. Oft werde man unterwegs angesprochen, warum man bei einem Thema dafür oder dagegen gestimmt habe. Das kann bereichern, aber manche wollen das nicht. Eine Frau, erzählt Celine Lauer, sei deshalb abgesprungen.

Von den Aggressionen gegen Kommunalpolitiker, über die derzeit in der Presse berichtet werde, merke man in Eichenau kaum etwas. „Vor den Wahlen wird man ab und an mal beschimpft, aber auch viel gelobt für das Engagement“, erzählt die dritte Bürgermeisterin.

Angesprochen auf die Stimmung im Gemeinderat waren sich die Aktiven einig: Prinzipiell ist die Zusammenarbeit überparteilich gut – auch zwischen Männern und Frauen gebe es keine Probleme. „Wenn es einen Streit gibt, ist das eher eine persönliche Sache“. Heiß her ginge es nur bei Themen, die die Gemüter erhitzen, wie derzeit der geplante Ortskern von Eichenau. Dass einige Gemeinderäte über facebook hetzten, sei absolut unerwünscht.

Parteipolitische Erfahrung nicht erforderlich

Das soll keine Frau davon abhalten, sich politisch zu engagieren, so die einhellige Meinung der Politikerinnen. Man müsse auch keine parteipolitische Erfahrung mitbringen. Und die Rahmenbedingungen würden stetig verbessert. Der Kreisverwaltungsrat in Fürstenfeldbruck bietet einwöchige Kurse und verschiedene Seminare für angehende Gemeinderäte an. Sie sind kostenlos. Auch die Parteien bilden Anwärterinnen aus – nicht einmal parteigebunden. Dazu gibt es seit Kurzem das Angebot, an Sitzungen online teilzunehmen – eine große Erleichterung für Familien. Und im Einzelfall wird sogar ein Babysitter finanziert.

Jolanta Tober-Hanenkamp war von der Veranstaltung sehr angetan. Die 50-jährige Eichenauerin könnte sich vorstellen, in die Gemeindepolitik einzusteigen. Aber noch nicht jetzt. „Meine zwei Kinder sind aus dem Gröbsten raus, jetzt brauche ich erst einmal Zeit für mich und um mich zu orientieren.“ Bisher ist sie nicht in einer Partei, hat aber schon Erfahrung mit Ehrenämtern und ist berufsbedingt gut vernetzt. „Ich muss mir überlegen, ob ich überhaupt in eine Partei will“, meint sie. „Bisher wähle ich immer Frauen, die mir kompetent erscheinen“. Es sei gut zu wissen, welche Personen hinter den Wahlkreuzen stehen. Die Zeit brauche sie, um sich noch mehr Wissen anzueignen. „Dann kann ich mir ein Engagement sehr gut vorstellen.“

Mehr zu wissen über die Arbeit im Gemeinderat täte allen gut. Deshalb der Rat der amtierenden Politikerinnen: „Gehen Sie in die Sitzungen und schauen Sie sich an, was dort gemacht wird.“ Vielleicht kann ja so das Interesse geweckt werden, sich aktiv in der Gemeinde zu engagieren – vor allem für Frauen.

seb

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