„Söder und Aiwanger gießen immer weiter Öl ins Feuer“ – Woher kommt der Hass auf die Grünen?

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Den Grünen schlägt viel Unmut entgegen – sowohl von den Bürgern, als auch von der CSU. Der Grünen-Abgeordnete Martin Stümpfig macht Söder große Vorwürfe.

München – Pfiffe und Buhrufe bei ihren öffentlichen Auftritten gehören für Politiker zum Alltag. In letzter Zeit schlägt aber speziell den Grünen unverhohlen Hass und Aggression entgegen.

Ihren politischen Aschermittwoch im schwäbischen Biberach mussten die Grünen wegen der aggressiven Stimmung absagen. Bei einem Auftritt der Grünen-Chefin Ricarda Lang flogen Eier und brannten Tonnen. Und auch bei der Grünen-Klausur, die am Dienstag (27. Februar) in Leipzig beginnt, werden hitzige Zusammenstöße befürchtet.

Martin Stümpfig, Abgeordneter der Grünen im bayerischen Landtag, glaubt, dass in Bayern auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eine Mitverantwortung haben, dass die Grünen zum Feindbild geworden sind. Im Interview mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA fordert er, dass CSU und Freie Wähler den höchst offensiven Kurs gegen seine Partei beenden.

Herr Stümpfig, es sind vor allem die Grünen, die den Unmut über die Ampel-Regierung im Bund auf sich ziehen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Es sind natürlich immer viele Faktoren, die da zusammenspielen. Man muss schon sagen: Die Umstände, seit die Bundesregierung im Amt ist, waren sehr schwierig. Und Dinge wie das Gebäude-Energie-Gesetz hätten wir wirklich besser machen müssen. Man hat auch kommunikativ Fehler gemacht hat, ganz klar. Aber es war auch so, dass der ganze Wahlkampf von CSU und Freien Wählern in Bayern nur auf eine Beschimpfung der Ampel konzentriert war. Und eigentlich ist das bei den beiden Koalitionspartnern jetzt noch so. Die Koalition aus CSU und Freie Wählern sind sich nur in einem einig: Wenn es darum geht, auf die Ampel draufzuhauen. Das ist für den politischen Diskurs sehr schwierig.

CSU-Ministerpräsident Markus Söder bei einem Auftritt im Bierzelt.
CSU-Ministerpräsident Markus Söder bei einem Auftritt im Bierzelt. © Imago

Vor der Wahl waren die Grünen der erklärte Hauptfeind von Markus Söder, eine Koalition schloss er kategorisch aus. Hat sich daran seit der Wahl etwas geändert?

Ich hätte eigentlich erwartet, dass es nach der Wahl besser wird und wir sachlicher miteinander umgehen. Das ist leider nicht der Fall. Wir sehen nach wie vor: Immer, wenn wir im Landtag debattieren, kommen ständig Seitenhiebe auf die Ampel-Koalition. Den meisten Applaus und die größten Lacher gibt es dann, wenn die Ampel besonders stark beleidigt wird. Das schafft einfach eine Grundlage für eine politisch aufgeheizte Stimmung.

Stimmungsmache gegen die Grünen: „Söder hat mich unglaublich enttäuscht“

Von Markus Söder stammt der Spruch, die Grünen hätten „kein Bayern-Gen“, jetzt beim politischen Aschermittwoch sagte er, die Grünen seien „out“ und er wolle sie nicht mehr in der Bundesregierung sehen. Was lösen solche Sprüche bei Ihnen aus?

Über solche Aussagen von Söder, wie die Grünen hätten kein Bayern-Gen, bin ich nach wie vor entsetzt. Was soll das denn heißen: Wir gehören nicht mehr dazu? Und ich muss auch sagen, mit einem Markus Söder in die Koalition zu gehen, da kann ich eigentlich nur den Kopf schütteln. Denn er hat mich auch persönlich unglaublich enttäuscht. Da ist momentan einfach kein Wertekompasses bei ihm da. Ob er da wieder zurückfindet, weiß ich nicht. Beim politischen Aschermittwoch habe ich jedenfalls nicht gesehen, dass ein Markus Söder sich zurücknimmt. In so einer Phase, in der die Stimmung eh schon aufgeheizt ist, gießen Söder und Aiwanger immer noch weiter Öl ins Feuer und das halte ich für sehr gefährlich.

Martin Stümpfig ist Sprecher für Energie und Klimaschutz der Grünen im bayerischen Landtag.
Martin Stümpfig ist Sprecher für Energie und Klimaschutz der Grünen im bayerischen Landtag. © Privat

Was würden Sie sich von Söder und Aiwanger erwarten?

Ich würde mir wünschen, dass es Parteien, die in der Regierungsverantwortung sind, um das große Ganze geht. Und sie sich fragen: Wie können wir die Gesellschaft zusammenhalten und eben nicht weiter spalten? Ich würde mir von Söder und Aiwanger erwarten, dass sie hier besonnener agieren und nicht diese Art von Populismus weiterführen.

Grünen-Hass bei Demos: „Man merkt, dass es kippen könnte“

Spielen nicht auch politische Entscheidungen der Ampel eine Rolle dafür, dass der Unmut so groß ist? Die Kürzungen beim Agrardiesel haben zu viel Wut bei den Bauern geführt.

Der Protest der Bauern ist legitim und vollkommen in Ordnung. Die Belastungen sind hoch und die Landwirte stehen mit dem Rücken an der Wand. Darum ist es wichtig, dass man hier in den Austausch kommt.  Aber das Aufstellen von Galgen mit Symbolen der Ampel daran geht gar nicht. Die Protestform muss angepasst sein und das muss man auch sagen dürfen. Das erwarte ich auch von den Veranstaltern vom Bauernverband, dass sie das ganz klar einfordern und deutlicher sagen: Bitte, liebe Landwirte, passt auf, wem ihr euch anschließt.

Welche Reaktionen von den Bürgern erleben Sie persönlich als Grünen-Politiker?

Ich komme ja aus Feuchtwangen, also einer Kleinstadt im Landkreis Ansbach. Die Region ist sehr ländlich strukturiert. Wir hatten eine große Demonstration am 8. Januar, da war ich eingeladen als Redner vor 1.000 oder 1.200 Landwirten. Ich habe eine kurze Rede gehalten – es ging nicht allzu viel, weil ich sehr stark ausgepfiffen und ausgebuht wurde. Aber trotzdem: im Vorfeld und danach waren die Gespräche mit den Landwirten zwar laut, aber ich habe mich zu keiner Zeit bedroht gefühlt. Ich habe auch schon mal Gummistiefel vor die Füße geworfen bekommen, das wurde aber dann gleich abgestellt vom Vorstand des Bauernverbands. Aber es ist schon so, dass man merkt, dass es auch leicht kippen könnte. Bei mir persönlich war das aber noch nicht der Fall.

„Söder gaukelt eine Scheinwelt vor“ – Grüne als ideales Feindbild der CSU?

In der Ampel-Regierung sind ja nicht nur die Grünen, sondern auch die SPD und FDP. Warum sind die Grünen gerade der Haupt-Buh-Mann?

Mein Thema als energiepolitischer Sprecher der Grünen im Landtag ist die Transformation der Wirtschaft im Energie- und Klimabereich. Das sind natürlich schon große Herausforderungen, die wir angehen müssen. Die Gesellschaft wird sich teilweise ändern müssen. Das geht von der Mobilität über das Heizen bis zum Konsum. Markus Söders Kommunikation baut aber darauf auf: „Wenn ihr mich wählt, dann bleibt alles so, wie es ist.“ Er gaukelt eine Scheinwelt vor, die es so nicht geben wird, und die Grünen sind da wohl für Söder als Gegenpol die beste Vorlage.

Wird Söder diese Strategie auch angesichts der drohenden Gefahr vonseiten der AfD beibehalten?

Das Schlimme ist eigentlich: Söder ist intelligent genug, um es besser zu wissen. Er weiß, dass sein Stil des „Weiter so, wir müssen uns nicht ändern“, den er den Menschen verkaufen will, nicht funktionieren wird. Ich kann nur hoffen, dass er bald erkennt, dass diese dauerhafte Zuspitzung gefährlich ist. Und dass er es in Zukunft anders macht.

Das Interview führte Stephanie Munk.

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