Nach René Benkos Insolvenz: Österreich kämpft mit Signa-Filz
Noch immer hält die Signa-Insolvenz die europäische Wirtschaft in Atem. Der Prozess um Eigentümer Benko deckt neue Verstrickungen auf. Jetzt geraten die Wirtschaftsprüfer ins Visier.
Wien – Seit fast einem halben Jahr melden immer mehr Unternehmen aus René Benkos Signa-Imperium Insolvenz an. Erst vor ein paar Wochen hat es die Signa Retail GmbH erwischt, deren angehäufte Schulden die verfügbaren Mittel weit übersteigen. Benko selbst steht zunehmend unter Druck – kürzlich hatte ein Scheich angekündigt, eine „Armada“ auf den ehemaligen Milliardär angesetzt zu haben. In Österreich wiederum kämpft die Aufarbeitung gegen einen ungeahnten Filz an.
Fall Benko: Politik und Wirtschaft im Signa-Filz – Österreich kämpft um Aufarbeitung
Die Liste der Beispiele für Benkos Verstrickungen in die Politik ist lang. Unter anderem geht es um Staatsbesuche, bei denen Benko protokollarisch höher gestellt gewesen sei als sogar Regierungsmitglieder, oder um zusätzliche Covid-Hilfszahlungen, von denen die Signa-Gruppe profitiert habe. Laut dem SPÖ-Politiker Kai Jan Krainer hatte Benko den ehemaligen österreichischen Kanzler Sebastian Kurz wiederholt zu sich eingeladen, entweder in ein privates Anwesen oder auf die Yacht Roma – auf dieser war auch der ehemalige FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache gewesen.

Wie die F.A.Z. berichtete, gehört auch die Tätigkeit des ehemaligen sozialdemokratischen Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer bei Signa zur Aufarbeitung der Signa-Pleite. Hier stehe infrage, ob der Ex-Kanzler nicht als verdeckter Geschäftsführer gehandelt habe. Gusenbauer hatte im Februar erst bekannt gegeben, dass er als Aufsichtsratschef von Signa Prime Selection und Signa Development Selection zurücktreten wolle. Auch wollte er sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Vonseiten der österreichischen Grünen hieß es, dass Benko sich „erfolgreich“ mit der Politik verstrickt habe – die Aufarbeitung stehe erst am Anfang.
Belangen die Sanierer jetzt die Wirtschaftsprüfer?
Ebenso nehmen die Sanierungsverwalter zunehmend die Wirtschaftsprüfer der Signa-Firmen unter die Lupe. Dabei stehen vor allem die BDO (Prüfer der Holding) und die KPMG (Bilanzprüfer von Signa Prime und Development) im Rampenlicht. Die BDO blickt auf über 100 Jahre Geschichte zurück, ihre Gründung erfolgte bereits 1920 als Deutsche Waren-Treuhand-Aktiengesellschaft mit Sitz in Hamburg. Sie beschreibt sich selbst als eine der führenden Gesellschaften für Wirtschaftsprüfung und prüfungsnahe Dienstleistungen.
Wichtig ist das vor allem darum, weil die Sanierungsverwalter jetzt prüfen lassen, ob sie Ansprüche gegenüber den Wirtschaftsprüfern geltend machen. Die Unternehmen der Signa-Gruppe stehen mit Milliarden in der Kreide, und da Benkos Vermögen deutlich zusammengeschrumpft ist, suchen die Sanierer nach Möglichkeiten, anderweitig an diese Milliarden heranzukommen. Angeblich sind bereits erste Gutachter angesprochen worden.
KPMG gehört ebenfalls zu den wichtigsten Wirtschaftsprüfern und beschäftigt nach eigenen Angaben rund 12.200 Mitarbeiter an 27 Standorten. Laut dem Manager Magazin könnte auch PricewaterhouseCoopers (kurz PwC, rund 14.000 Mitarbeiter) betroffen sein, die unter anderem Signa Prime unterstützt hatte. Drei der fünf größten Wirtschaftsprüfer würden so durch das Insolvenzchaos um die Signa-Gruppe in Turbulenzen geraten. „Die Aufarbeitung sämtlicher potenzieller Ansprüche wird weiterhin intensiv verfolgt, und diese werden fristgerecht geltend gemacht“, zitierte das Magazin Norbert Abel, der als Sanierungsverwalter für Signa Prime tätig ist.
Wirtschaftsprüfer in der Doppelrolle: „Da muss man sich ernste Sorgen machen“
Eine Überraschung ist diese Entwicklung nicht – die Verstrickungen der Wirtschaftsprüfer hatte Dr. Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur in Österreich, schon im Januar angedeutet. Peschorn hatte früh über teils dubiose Geschäftspraktiken der Signa-Firmen aufgeklärt, zum Beispiel, wie genau verschiedene Immobilien ihre extreme Preissteigerung erreicht hätten. „Es ist sicherlich dann ein Problem, wenn Personen agieren, die die notwendige Verantwortung vermissen lassen“, hatte Peschorn im ORF erklärt. „Und hier sind einige verantwortlich für diese Bilanzvorstellungen. Zum Beispiel der Vorstand und die Wirtschaftsprüfer, die auf der einen Seite als Berater im Immobilienbereich tätig werden.“
Hier hätten einschlägige Prüfer in einer Doppelfunktion als Berater für die Signa gearbeitet. Eigentlich gebe es dafür Sicherheitsnetze, die genau solche Entwicklungen wie jetzt das Chaos um die Signa-Gruppe vermeiden sollen. „Aber wenn das so stattfindet wie hier, muss man sich ernste Sorgen machen“, hatte Peschorn bemerkt.
Der Fall des Signa-Konzerns, der aus einem weit verzweigten und verschachtelten Netzwerk aus kleineren Unternehmen besteht, gilt bereits jetzt als eine der größten Insolvenzen auf österreichischem Boden. Seit November melden immer mehr Firmen aus dem Netzwerk Insolvenz an, die Auswirkungen auf den europäischen Immobilienmarkt sind riesig. Unter anderem gehörten der Hamburger Elbtower, die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof und das Sportgeschäft Sportscheck zu René Benkos Imperium. Das Signa-Imperium wiederum hatte innerhalb der letzten Monate Vermögenswerte abgestoßen, wo es nur ging – sei es über Immobilienverkäufe oder die Versteigerung von Büromaterial.
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