Kolumne zum Bahn-Chaos zwischen Weilheim und Schongau - Alles auf rot im Bahnsteig-Casino
Chaotischer Schienenersatzverkehr und unklare Aussagen, wann Züge wieder fahren, bringen Bahnreisende zwischen Schongau und Weilheim zum Verzweifeln. Eine Kolumne.
Landkreis - Bahnreisende auf der Strecke zwischen Weilheim und Schongau haben derzeit die ganz große Auswahl: Konsultiert man eine Wahrsagerin oder kauft gleich selbst eine Glaskugel? Ist das Lesen im Kaffeesatz im Zweifel günstiger und ökologisch nachhaltiger? Oder wirft man einfach eine Münze?
Egal, wofür man sich entscheidet: Alles scheint seriöser und zuverlässiger zu sein als ein Blick in die App der Deutschen Bahn. Deren Kunden sind nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre in Sachen Zuverlässigkeit ohnehin kaum noch zu enttäuschen. Doch was Bahn und BRB da momentan veranstalten, schlägt dem Fass den Boden aus.
Da gibt es mittlerweile nahezu im Tagesrhythmus neue Mitteilungen, ob, wann und wo eventuell mal wieder ein Zug fahren könnte. Letzten Mittwoch wurde versprochen, dass ab Donnerstag wieder alles läuft. Am Donnerstag kam die Pressemitteilung, dass die Strecke doch noch bis Montag gesperrt bleibt. Gestern teilte die BRB nun mit, dass zwischen Weilheim und Schongau erstmal doch nichts geht. Wenn man wissen wolle, wie lange dieses Mal, solle man doch bitte bei der Bahn nachfragen. Steht allen Ernstes so in der Pressemeldung.
Zickenkrieg zwischen Streckenbetreiber und Streckennutzer
Den höchst öffentlich zelebrierten Zickenkrieg zwischen Streckenbetreiber (Deutsche Bahn) und Streckennutzer (BRB) findet man allerdings nur amüsant, wenn man mit dem Auto zur Arbeit fährt. Allen anderen ist es mit Verlaub schnurzpiepegal, ob die beiden Unternehmen nun miteinander können oder nicht. Die wollen nur gern zum Ziel befördert werden und idealerweise gern wissen, wer diese Aufgabe wann übernimmt.
Denn auch im Schienenersatzverkehr herrscht weitestgehend Chaos. Keiner weiß, ob überhaupt Busse kommen, wann sie kommen, wann sie fahren und ob genügend Platz für alle ist, die mitfahren wollen ist.
Bei jedem anderen Unternehmen, das seine Kunden mit einer derartigen Verachtung behandelt, wäre die Konsequenz klar: Man schreibt vielleicht noch ein paar Zeilen an den Geschäftsführer, sucht sich eine zuverlässige Alternative und verabschiedet sich endgültig von der Geschäftsbeziehung.
Im konkreten Fall ist das aber gar nicht mal so einfach. Denn eigentlich sind wir uns alle darüber im Klaren, dass wir auf die Bahn angewiesen sind, wenn wir unseren Nachkommen noch einen halbwegs lebenswerten Planeten hinterlassen wollen. Doch derzeit man müsste schon eine Gelassenheit wie Buddha aufbringen, um sich das Bahnfahren in der Region weiter anzutun.
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Verkehrsminister haben infrastrukturellen Scherbenhaufen hinterlassen
Das Termin- und Informationsdesaster haben ohne Zweifel Bahn und BRB zu verantworten. Aber ihnen auch die Schuld für den offenkundig desolaten Zustand der Bahnstrecken im Oberland in die Schuhe zu schieben, wäre unredlich. Hier haben etliche Legislaturperioden benzintrunkener CSU-Verkehrsminister einen infrastrukturellen Scherbenhaufen hinterlassen. Und auch der aktuelle FDP-Verkehrsminister fabuliert lieber über Fahrverbote und synthetische Kraftstoffe, anstatt die Probleme anzupacken und zu lösen.
Was bleibt, ist die bittere Erkenntnis, dass im Bahnsteig-Casino alles auf rot gesetzt wird und man derzeit gut beraten ist, sich immer einen Plan B, der nichts mit der Bahn zu tun hat, bereitzulegen. Verbunden mit der Hoffnung, dass sich die permanenten Flickarbeiten an der Strecke zwischen Weilheim und Schongau irgendwann doch noch auszahlen.
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