Blutzuckerspiegel-Studie legt nahe: Sport zu bestimmter Tageszeit senkt den Wert am effektivsten
Bewegung ist ein Faktor für ein gesundes Leben. Sport wirkt sich auf vieles aus – auch auf den Blutzucker. Eine Studie hat das nun genauer analysiert.
Frankfurt – Adipositas ist ein Faktor, der eine Entwicklung von Diabetes mellitus Typ 2 begünstigt. Bewegung ist ein Mittel, um dem entgegenzuwirken. Aber wann ist sportliche Aktivität am effektivsten? Eine Studie ging dieser Frage nach.
Das Ziel: „[...] die Auswirkungen der zeitlichen Planung von MVPA (=mäßige bis intensive körperliche Aktivität) auf die tägliche Blutzuckerkontrolle bei Erwachsenen mit Übergewicht/Adipositas und Stoffwechselstörungen zu untersuchen.“
Was genau ist Typ-2-Diabetes?
Ein Kennzeichen des Typ-2-Diabetes ist eine Insulinresistenz. „Das heißt, dass die Körperzellen schlechter auf das Hormon Insulin reagieren und so der Zucker (=Glukose) aus der Nahrung nicht mehr (vollständig aus dem Blut in die Zellen gelangen kann“, informiert die Deutsche Diabetes Hilfe. Die Folge vereinfacht erklärt: Im Blut sammelt sich Glukose und der Blutzuckerspiegel steigt an. Gewichtsreduktion, ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung gelten als Teil der Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2.
Wann ist die optimale Tageszeit für Sport zur Beeinflussung der Glukosekontrolle?
„Es handelt sich meines Erachtens um eine gut durchgeführte Studie mit einer interessanten Fragestellung, die versucht eine bestehende Forschungslücke zu schließen, nämlich den Einfluss der (optimalen) Tageszeit täglicher körperlicher Aktivität auf die tägliche Glukosekontrolle“, ordnet Dr. Christoph Höchsmann bei IPPEN.MEDIA ein. Der Sportwissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) spricht einige Stärken der Untersuchung an:
- Eine relativ große Zahl an Studienteilnehmern: 186.
- Ein Anteil von 50 Prozent Frauen, die an der Studie teilnahmen – „wodurch die Generalisierbarkeit der Ergebnisse für beide Geschlechter deutlich besser ist als bei früheren Studien, die vorwiegend Männer eingeschlossen haben“.
- Die kontinuierliche Glukosemessung.
- Die Messung der täglichen körperlichen Aktivität über einen Zeitraum von zwei Wochen mithilfe von Accelerometern.
„Besonders interessant ist, dass die Verteilung der gesamten körperlichen Aktivität über den Tag berücksichtigt wurde und nicht nur einzelne Sporteinheiten, wie sonst üblich“, sagt er.
Die Durchführung der Studie – Kriterien für die Teilnehmenden
Die Probanden waren zwischen 30 und 60 Jahre alt. Sie besaßen einen Body-Maß-Index (BMI) zwischen 25 und 40 kg/m² sowie einen Taillenumfang ≥ 95,0 cm bei Männern und ≥82. 0 cm bei Frauen. Sie wiesen bis mehr als drei Monate vor der Studie ein stabiles Körpergewicht auf und machten in dem gleichen Zeitraum weniger als 150 Minuten pro Woche mäßigen bis intensiven Sport. Darüber hinaus wiesen sie mindestens eine metabolische Beeinträchtigung auf (darunter beispielsweise ein hoher Blutdruck oder eine Insulinresistenz – alle Werte in dem Paper wurden genauestens definiert).
Meine news
Die Ergebnisse der Studie im Überblick – Abends ist Sport am effektivsten
Im Juni 2024 veröffentlichten die Wissenschaftler die Studienergebnisse. Ausschlaggebend sind die beiden folgenden:
- An Tagen, an denen mehr als 50 Prozent der Aktivität auf den Abend fiel, waren die Blutzuckerwerte niedriger. Die Differenzen geben die Autoren mit 1,28 mg/dl beim 24-Stunden-Blutzucker und mit 2,14 mg/dl bei nächtlichen Messungen an. Die Werte stehen im Vergleich zu Tagen, an denen Teilnehmer nicht sportlich aktiv waren. Dieses Ergebnis zeigte sich noch deutlicher bei Probanden, die eine gestörte Glukoseregulation innehatten.
- Sport am Morgen hat zu keiner signifikanten Blutzuckerreduktion im Vergleich zu Inaktivität geführt.
Die Studienautoren gehen demzufolge davon aus, dass das Timing der sportlichen Betätigung relevant ist für dessen Auswirkungen auf den Blutzucker.
Experte klärt auf – Das sind die Schwächen der Blutzucker-Studie
Der Vergleich der Tageszeiten sei eher indirekt, denn die Blutzuckerveränderungen zu den unterschiedlichen Tageszeiten wurden jeweils nur mit Tagen körperlicher Inaktivität verglichen. Der direkte Vergleich von Sport am Abend mit Sport am Morgen beispielsweise fehle, erklärt Höchsmann unserer Redaktion. Außerdem seien die Ergebnisse zwar statistisch signifikant, eine klinische Relevanz mit Unterschieden von ein bis zwei mg/dL sei allerdings mehr als fraglich, führt er weiter aus.
Kausalität (=Zusammenhang) könne zudem nicht zweifelsfrei angenommen werden. „Dafür wären in einem nächsten Schritt Langzeitstudien nötig“, so der Experte. Er weist außerdem auf weitere Faktoren hin, die ebenso einen Einfluss auf die Glukosewerte gehabt haben könnten. Sie wurden aber nicht berücksichtigt:
- Die Nahrungsaufnahme der Probanden
- Nicht fehlerfreie CGM-Geräte (CGM = Continuous Glucose Monitoring)
- Die natürliche Variabilität in Glukosewerten
- Stress
„Keine klare Empfehlung für Training am Abend“: Sportwissenschaftler ordnet Studienergebnisse ein
„Die Mechanismen, die hinter den Tageszeiteffekten stecken, sind, wie die Autoren anmerken, noch nicht klar erforscht“, ordnet Höchsmann ein. „Bei Betrachtung der grundsätzlichen Studienlage sind die Effektstärken der Tageszeiteffekte von körperlicher Aktivität jedoch vorwiegend bestenfalls moderat und man kann keine klare Empfehlung für Training am Abend gegenüber am Morgen geben. Letztendlich ist die beste Zeit zu trainieren, die Zeit, zu der man es macht.“
Adhärenz und Regelmäßigkeit sind die wichtigsten Faktoren für gesundheitliche Effekte.
Eine andere Studie vermeldete hingegen einen Durchbruch. Eine junge Frau aus China ist die erste Person, die von Diabetes Typ 1 geheilt wurde. (mbr)