Penzberg: Rechtsextreme Flugblätter nehmen Islamische Gemeinde ins Visier - Imam: „Angriff“ auf Demokratie

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Das Islamische Forum mit der Moschee an der Bichler Straße in Penzberg wurde 2005 eröffnet - die Gemeinde wurde nicht zum ersten Mal Ziel von rechtsextremer Hetze. © Andreas Baar

In Penzberg hat eine Flugblattaktion der laut Verfassungsschutz rechtsextremistischen Partei „Der Dritte Weg“ für Aufsehen gesorgt. Der Imam spricht von einer gezielten Hetze gegen die örtliche Islamische Gemeinde und Muslime. Die Polizei wurde eingeschaltet.

Penzberg – Am Mittwochabend (29. Januar) meldeten sich der Penzberger Imam Benjamin Idriz und der Vorstand der Islamischen Gemeine Penzberg per E-Mail bei der Presse: Seit 25. Januar würden Mitglieder der laut Verfassungsschutz rechtsextremistischen Partei „Der Dritte Weg“ in der Stadt Flugblätter verteilen, „die gezielt gegen den Islam und Muslime hetzen“. Die Aktion würde sich insbesondere gegen die Islamische Gemeinde Penzberg und ihren Imam richten – beide seien bundesweit „für ihren interreligiösen Dialog und ihr Engagement für ein friedliches Miteinander bekannt“, schreiben Idriz und der Vorstand.

In Penzberg sorgt rechtsextreme Flugblatt-Hetze gegen die Islamische Gemeinde für Aufsehen - Imam ist bestürzt

Nach Angaben von Rathaussprecher Thomas Kapfer-Arrington ist auf einem Internet-Post der Gruppierung ein Foto der Verteilaktion zu sehen – im Hintergrund sei ein Gebäude an der Sindelsdorfer Straße klar erkennbar. Die Flugblätter enthalten nach Angaben von Imam und Gemeindevorstand „eindeutig islamfeindliche und fremdenfeindliche Inhalte, die darauf abzielen, Misstrauen und Ängste in der Bevölkerung zu schüren“. Der Inhalt würde sich klassischer rechtsextremer Rhetorik bedienen. Imam und Vorstand regieren empört: „Diese Form der Propaganda ist nicht nur eine gezielte Desinformationskampagne, sondern auch ein Angriff auf die Grundwerte unserer Demokratie, die von Religionsfreiheit, Vielfalt und gegenseitigem Respekt geprägt ist.“

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Hoher Besuch in Penzber:g Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (2.v.r. mit Ehefrau Elke Büdenbender) besuchte 2019 das Islamische Forum und ließ sich von Vize-Direktorin Gönül Yerli und Imam Benjamin Idriz alles erklären. © Archiv GB

Sorge um friedliches Zusammenleben

Dass „die Neonazis offenbar systematisch alle Haushalte in Penzberg mit ihrer Hetzschrift versorgen, um eine breite Stimmung gegen Muslime zu erzeugen“, sei besonders besorgniserregend. Idriz: „Dies ist ein alarmierendes Beispiel für den zunehmenden Rechtsextremismus in Deutschland, der sich nicht nur gegen einzelne Personen oder Institutionen richtet, sondern gegen das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft insgesamt.“

Polizei: Kein „strafrelevantes Handeln“

Die Penzberger Polizei ist bereits aktiv geworden. Die zuständige Inspektion wurde nach der Online-Anzeige der Islamischen Gemeinde vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd informiert. Man habe mit der Kripo in Weilheim Kontakt aufgenommen und die Flugblätter bewerten lassen, wie die kommissarische Inspektionsleiterin Susanne Kettl auf Rundschau-Nachfrage erklärt. „Wir nehmen jeden Hinweis sehr ernst.“ Ergebnis: „Der Inhalt der Flugblätter begründet kein strafrelevantes Handeln“, so Kettl mit Verweis auf den Parteistatus der Verfasser. Die Partei vertritt laut aktueller Einschätzung des Landesamts für Verfassungsschutz „einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus“ und wird bei den Verfassungsschützern als in Bayern aktive rechtsextremistische Partei geführt. Vom Bundesinnenministerium werde sie als eine „rechtsextremistische, antisemitische und menschenfeindliche Gruppierung“ eingestuft, so Rathaussprecher Kapfer-Arrington.

Zuspruch für Islamische Gemeinde

Derweil erhält die Islamische Gemeinde Zuspruch. Mehrere Bürger, die die Flugblätter in ihren Briefkästen fanden, hätten die Gemeinde kontaktiert, so Imam Idriz. Er und der Gemeindevorstand sind überzeugt: „Ihr Unverständnis und ihre Besorgnis zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Penzberg solche Hetze nicht duldet und sich für ein friedliches Miteinander einsetzt.“ Er spricht von einem „Zeichen der Solidarität“ – das „ein starkes Signal gegen Extremismus und Spaltung“ sei.

Imam fordert „konsequente Maßnahmen“

Derweil ruft der Imam namens der Islamischen Gemeinde die staatlichen Verantwortlichen dazu auf, „diese besorgniserregende Entwicklung ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln“. Es brauche „konsequente Maßnahmen, um den Schutz aller Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten und den gesellschaftlichen Frieden zu bewahren“.

Penzbergs Bürgermeister Stefan Korpan steht mit einem Ortsschild auf dem Stadtplatz vor dem Rathaus.
„In Penzberg ist kein Platz für Neonazis“: So bezeichnet das Rathaus das symbolische Foto von Bürgermeister Stefan Korpan mit Ortsschild auf dem Stadtplatz. © Stadt Penzberg

Bürgermeister: Aktion ist antidemokratisch

Am späten Donnerstagnachmittag meldete sich auch das Penzberger Rathaus offiziell per Pressemitteilung zu Wort. „Rechtsextreme und Neonazis haben in unserer Stadt keinen Platz“, erklärt Bürgermeister Stefan Korpan (CSU). Das Stadtoberhaupt hatte umgehend Kontakt zu Imam Benjamin Idriz aufgenommen. Korpan versicherte laut Rathausmeldung dem Imam, „dass Penzberg eine weltoffene Kommune“ sei - und gerade wegen ihrer Geschichte mit der „Penzberger Mordnacht“ vom 28. April 1945 „keinen Raum für Fremdenfeindlichkeit, Hass gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften und Religionen sowie Minderheiten“ biete. Die Flugblattaktion der neonazistischen Vereinigung sei „abstoßend und absolut antidemokratisch - und passt von daher nicht nach Penzberg, nicht einen Millimeter“, wird Korpan zitiert. Der Bürgermeister habe inzwischen Kontakt mit der Polizei aufgenommen, um weitere Schritte zu besprechen.

SPD-Ortsverein: Multikurelle Stadt

Auch der Penzberger SPD-Ortsverein stellt sich „nachdrücklich“ an die Seite der Islamischen Gemeinde. So hieß es am Donnerstag in einer Pressemitteilung. Penzberg sei „eine lebendige, multikulturelle Stadt, in der Menschen aus vielen Nationen gut zusammenleben“, heißt es weiter. „Die Islamische Gemeinde Penzberg gehört zu unserer Stadt“, betont der Ortsverein um Vorsitzenden Clemens Meikis. „Penzberg war immer eine weltoffene Stadt. Wer hier lebt, soll sich heimisch und wohl fühlen. Wer jedoch spalten will, soll schleunigst verschwinden.“

Integrationsbeauftragter kommt

Angesichts der jüngsten Aktivitäten der Rechtsextremen haben sich für den morgigen Freitag der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Karl Straub, und Penzbergs Bürgermeister Korpan zu einem Besuch bei der Islamischen Gemeinde angekündigt.

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